Z W E I U N D S E C H Z I G

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Nur kurze Zeit später wurde das Essen serviert, wodurch auch langsam die Gespräche wieder von uns abfielen und jeder Tisch für sich miteinander redete. Auch an unserem Tisch lockerte sich die Stimmung wieder etwas auf, was sicherlich an dem vielen Alkohol lag, der bisher geflossen war.

Hans und ich hatten sogar die Möglichkeit ein Gespräch miteinander zu führen, wobei ich feststellen musste, dass er wirklich einen angenehmen und gesetzten Eindruck machte. Er war genau so, wie ich ihn mir durch die Erzählungen von Hannes und Christopher vorgestellt hatte und machte kein Geheimnis daraus, wie stolz er auf seine Söhne war. Er wusste auch schon von Lauras Schwangerschaft und war davon genauso hin und weg, wie Hannes und ich.

So verging der Tag wirklich schnell und irgendwann verabschiedeten sich die ersten, bis irgendwann bei Abendanbruch nur noch der harte Kern sitzen geblieben war. Christopher, Hannes, ich, Hans, Matthias und noch zwei aus Alexanders Flugverein. Alois, einer der Vorsitzenden des Vereins und Werner, der Mechaniker.

Die kleine Amelie hatte sich mit einer innigen Umarmung von mir verabschiedet und ich musste ihr versprechen, dass wir uns bald wieder sahen. Erst nach einem kleinen Finger Schwur konnte sie beruhigt nach Hause gehen. Laura hatte sich darum gekümmert, dass Bettina und ihre Kinder sich nach Hause kamen und würde uns später auch hier abholen.

Die Bedienung hatte uns längst die Obstlerflasche direkt an den Tisch gestellt, deren Inhalt sich langsam aber sicher dem Boden näherte, anstatt uns andauernd nachschenken zu müssen. Dafür versorgte sie uns regelmäßig mit frischen Kugeln Eis, das in rasender Geschwindigkeit von uns gegessen wurde.

Mittlerweile wurde auch geklärt, was den Unfall zur Folge hatte. Nur deswegen hatte Bettina auch den Körper ihres Lebensgefährten schon ausgehändigt bekommen und die Beerdigung planen können.
Das Flugzeugwrack wurde von Experten genauestens untersucht und der Flugschreiber ausgelesen; dabei konnte schlussendlich ein technisches Versagen ausgeschlossen werden. Aufgrund der Daten des Flugschreibers war es eindeutig, dass es ein fataler Fehler von Alexander war, der zum Absturz geführt hatte. Der erfahrene Pilot hatte den Daten zufolge noch versucht gegenzusteuern, um eine Bruchlandung zu verhindern, aber zu dem Zeitpunkt war das schon unausweichlich.

Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was in diesen Momenten in Alexander vorgegangen sein musste. Ihm war ziemlich sicher bewusst, dass er den Aufprall nicht überleben würde und ich schloss mich der Hoffnung der anderen an, dass er durch dem rapiden Höhenverlust schon vorher das Bewusstsein verloren hatte und vom Aufprall selber nichts mehr mitbekommen hatte.

Dieses Gesprächsthema bedrückte unsere kleine Runde, aber ich hatte das Gefühl, dass es allen gut tat, darüber zu sprechen. Vor allem Werner, der die Maschine nur wenige Stunden vor dem Start gründlich kontrolliert hatte, hatte sich bis zu diesem Ergebnis große Vorwürfe gemacht. Die Angst, am Tod seines engen Freundes Schuld zu sein, hatte ihn sogar so weit getrieben, dass er seinen Flugzeugmechanikerjob zwei Tage nach Alexanders Tod gekündigt hatte und ihn der Schock darüber auch jetzt, wo er wusste, dass er bei der Kontrolle nichts übersehen hatte, davon abhielt, weiter seinem Beruf nachzugehen.

Hannes hielt den gesamten Abend über fest meine Hand und löste sie nur einmal kurz von meiner als er auf die Toilette ging. Auch seinen Stuhl hatte er näher zu meinem gerückt und je mehr Alkohol floss, desto anhänglicher wurde er. Je mehr Alkohol auch in meinem Blut kursierte, desto weniger Hemmungen hatte ich, sodass Hannes irgendwann auf meinem Schoß saß und sich entspannt gegen meine Brust lehnte. Er war müde. Das sah man ihm deutlich an, aber er wollte noch nicht gehen. Keiner von uns wollte schon gehen.

„Du musst übrigens nicht ausziehen", fing Hans an, nachdem er der Bedienung sein leeres Weißbierglas gereicht hatte. „Die Wohnung gehört zur Hälfte immer noch mir. Genauso wie die Praxis. Deine Mutter kann das nicht einfach so alleine entscheiden."

Ein Hannes zum Verlieben ✓Où les histoires vivent. Découvrez maintenant