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Das Leben hielt nicht an, damit sie trauern konnten. Im Gegenteil. 

Am nächsten Tag fand ein Notfalltreffen des Ordens statt. 

"Wir müssen die Potters und Longbottoms besser schützen", erklärte Dumbledore mit ernster Miene der beinahe lächerlich kleinen Gruppe derer, die noch übrig waren. "Ständig den Ort zu wechseln hat den McKinnons nicht geholfen, hat anderen nicht geholfen, sie brauchen einen besseren Weg." 

"Ich dachte, wir tun bereits alles, was wir können?", fragte Sirius skeptisch. Remus musterte ihn, seine steife Haltung, seine verspannten Schultern. Keiner von ihnen hatte diese Nacht ernsthaft geschlafen. 

"Das tun wir auch", sagte Dumbledore in seiner ruhigen Stimme, die Remus mehr und mehr störte, denn wie konnte er so ruhig sein, wenn gestern Abend eine ganze Familie getötet worden war, von der mehr Mitglieder als nicht Teil des Ordens gewesen waren? "Beinahe. Es gibt eine Möglichkeit, auf die ich lieber nicht zurückgegriffen hätte, aber wie es aussieht haben wir keine Wahl." 

Er sah in die Runde und es war Moody, der als erster wusste, was gemeint war. 

"Der Fidelius", knurrte er unwirsch. "Verdammt, Albus." 

"Was ist der Fidelius?", fragte Hestia Jones, die nervös an ihrer Teetasse herumspielte. Remus meinte sich zu erinnern, dass sie mit einem von Marlenes Brüdern verlobt gewesen war. Er wollte sich nicht vorstellen, wie sie sich gerade fühlte. 

"Beim Fidelius wird ein Geheimnis, in diesem Fall der Aufenthaltsort der Potters und Longbottoms, in einer Person außerhalb verankert.", begann Dumbledore zu erklären. "Niemand kennt es, außer der Geheimniswahrer verrät es ihm. Würden wir den Fideliuszauber über die aktuellen Standorte der beiden Familien legen, wären sie sicherer als je zuvor." Er räusperte sich. "Das Geheimnis kann dem Wahrer nicht durch Folter entlockt werden."

"Das heißt ja aber nicht, dass die Todesser es nicht versuchen werden", brummte Moody missmutig. Dumbledore überging den Kommentar. 

"Die Aufgabe eines Geheimniswahrers ist  keine leichte.", räumte er trotzdem ein und sah in die Runde. "Ich persönlich werde Geheimniswahrer für die Longbottoms, aber ich würde ungern zwei Geheimnisse hüten, das ist sicherlich nicht ratsam..."

"Ich mach's." 

Alle Blicke drehten sich herum, aber Remus brauchte nicht aufzuschauen, hätte nicht einmal die Stimme hören müssen, um zu wissen, dass es Sirius war, der sich gemeldet hatte. Natürlich hatte er das. Remus hätte sich vermutlich das gleiche getan, würde er nicht direkt nach dem Treffen für eine Werwolfmission das Land verlassen. Er würde vor nächster Woche nicht zurück sein, bis dahin war es für Lily und James vielleicht schon zu spät. 

Dumbledore nickte. Das restliche Treffen verging für Remus wie im Rausch. Er wusste, Dumbledore nahm Sirius zur Seite, erklärte ihm, wie der Fidelius auszuführen war. Remus redete mit anderen Leuten, aber hinterher hätte er nicht sagen können, worüber. 

Sirius küsste ihn sanft zum Abschied, bevor Remus disapparierte, den Kopf voller Fragen und Sorgen. Es waren nur sechs Tage. Sechs Tage, dann würde er zurück sein.

Sechs Tage. 

~~~~~

Was Remus nicht wusste, was niemand wusste und was lange, lange Zeit niemand erfahren würde, war das, was sich am nächsten Tag im aktuellen Haus der Potters in Godric's Hollow abspielte. 

Sirius klopfte gegen die Haustür, nein, tatsächlich hämmerte er eher dagegen. Es war Lily, die ihm öffnete, Harry auf dem Arm mit einem schokoladenverschmierten Mund und einem Lächeln im Gesicht. 

Der Buchladen im LigusterwegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt