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Für einen Moment sagte Sirius nichts, starrte Remus einfach nur an. 

"Es tut mir leid", sagte er dann und seine raue Stimme zitterte. "Ich weiß, das war nicht der Plan, ich sollte nicht...aber ich konnte nicht mehr...und du...ich...ich wollte..." Er stammelte noch ein wenig weiter, ohne dass es wirkliche Worte waren, während er ganz offensichtlich einen erbitterten Kampf austrug, den er nach wenigen Sekunden verlor: die erste Träne fiel auf Remus' Bettdecke und es war als hätte sie eine jahrelang aufgebaute Verteidigung gebrochen, denn jetzt gab es kein Halten mehr. 

Remus zögerte nicht eine Sekunde, bevor er ihn mit beiden Armen auffing und dann ein Stück weiter aufs Bett rutschte, sodass er sich gegen das Kopfteil lehnen konnte, Sirius mit sich ziehend. Remus' Mann zitterte immer noch am ganzen Leib, jetzt noch verstärkt durch schüttelndes Schluchzen und Remus zog ihn so dicht an sich, wie er konnte, als könnte er so die Kälte und Verzweiflung vertreiben, die sich über die letzten Jahre in Sirius' Knochen gesammelt hatten und dort festgewachsen waren. 

Er hatte keine Ahnung, wie lange sie so dort saßen, Sirius' Gesicht fest in Remus' Brust gedrückt, eng an ihn gepresst, als wollte er so viel Absicherung haben wie möglich, dass er wirklich hier war und wirklich gehalten wurde. Es dauerte nicht lange, bis Sirius' Atem wieder ruhiger wurde, Remus ließ ihn jedoch kein Stückchen los. Sanft fuhr er mit seinen Fingern durch Sirius' Haar - oder zumindest darüber, sie waren viel zu verfilzt, als dass es einen Zweck gehabt hätte, zu versuchen, einzelne Strähnen abzutrennen. 

"Du musst nichts erklären", sagte er leise. "Es ist ok. Du bist jetzt hier. Ich lass nicht zu, dass sie dich wieder mitnehmen. Ich duellier mich mit Amelia, wenn es sein muss." Er zog einen Mundwinkel nach oben, dann zögerte er kurz. "Ich hab dich vermisst", wisperte er. "Ich hab dich so sehr vermisst." 

Sirius sagte nichts, aber die Art, wie er seine Arme um Remus' Oberkörper noch ein wenig näher an sich heranzog, war Antwort genug. 

Es klopfte vorsichtig an der Tür. Remus und Sirius rappelten sich ein wenig auf, aber keiner von beiden war wirklich bereit, den anderen loszulassen. Sirius' Augen suchten Remus, er wirkte etwas panisch. Remus drückte beruhigend seine Hand.

"Das ist Mary." 

"Mary", wiederholte Sirius. Er wirkte, als wäre er für einen Moment wo ganz anders und Remus ließ ihn, während er sie herein bat. 

Sie hatte ihren Zauberstab in der Hand und ließ ein Tablett mit allerlei Kram darauf vor sich her schweben. Remus erkannte mehrere der Heiltränke, die sie vor einigen Wochen besorgt hatte, ein Glas Wasser, ein Sandwich und eine große Tafel Schokolade. Sie schloss die Tür hinter sich und blieb dann davor stehen. Sie hatte natürlich gewusst, dass sie Sirius hier finden würde - aber ihn nach für sie ja sogar fast sieben Jahren tatsächlich wieder zu sehen, schien sie doch kurz zu schockieren. 

"Sirius", sagte sie erleichtert. Er löste sich jetzt doch von Remus und richtete sich auf, Remus tat das gleiche. "Es ist gut, dich zu sehen." 

Etwas, was man beinahe als den Anflug eines Lächelns deuten konnte, huschte über Sirius' Gesicht. 

"Und dich erst", gab er zurück. Remus hätte am liebsten erleichtert aufgeatmet, denn das hörte sich schon ein ganzes Stück eher nach dem Sirius an, den er kannte. Nicht, dass er wirklich damit rechnete, dass Sirius von einem Tag auf den anderen sechs Jahre in Askaban hinter sich lassen und sofort wieder zum fröhlichen, ausgelassenen jungen Mann von vorher zurückkehren würde. Remus hatte den dumpfen Verdacht, dass das ein langer, anstrengender Weg werden würde, der noch vor ihnen lag. Aber eine winzige Spur zu sehen war zumindest ein Zeichen, dass es nicht unmöglich war. 

Mary ließ das Tablett auf die andere Seite des Bettes sinken und setzte sich dann ebenfalls zu ihnen. 

"Wie geht's dir?", fragte sie leise. Wie auf Kommando begann Sirius zu husten. Mary zückte ihren Zauberstab wieder und fuhr damit durch die Luft, murmelte leise irgendwelche Zaubersprüche. Remus griff nach dem Wasserglas, das sie mitgebracht hatte und fuhr Sirius über den Rücken, bis er wieder besser Luft bekam. In fünfeinhalb Jahren Quasi-Ehe mit zwei, inzwischen drei, Kindern entwickelte zwangsläufig jeder seine Spezialgebiete - Heilzauber und Hausmedizin fielen definitiv in Marys Bereich. 

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