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Es war das längste und unangenehmste Frühstück, was Remus je erlebt hatte. Jerry und auch Remus und Mary gaben sich alle Mühe, ein Gespräch in Gange zu bringen und am Laufen zu halten, aber Sirius verhielt sich, als hätte er auf einen Schlag vergessen, wie man Sätze bildete. Seine Antworten waren einsilbig und er schien sich nichts mehr zu wünschen, als verschwinden zu können. Jules und Harry beobachteten ihn die ganze Zeit misstrauisch. 

Irgendwann schwang das Thema um auf die Pläne für den vor ihnen liegenden Samstag und die Kinder tauten ein wenig auf - ab da beteiligte sich Sirius überhaupt nicht mehr am Gespräch. 

Gegen viertel vor neun entschuldigte sich Remus nach unten, um den Laden zu öffnen und Harry begleitete ihn, weil er den Vormittag mit einem neuen Buch über Schlangen verbringen wollte, das Remus bestellt hatte. Jerry wollte sich später mit Triv treffen und auf dem Weg dahin Jules bei den Jacksons absetzen, der mit Hannah verabredet war. Im Rausgehen hörte er noch, wie Mary vorschlug, dass Tatze mit ihr den Wocheneinkauf erledigen könnte. 

~~~~~

Und so begann Phase zwei von Sirius' Anwesenheit im Ligusterweg. Er verbrachte jetzt auch gelegentlich Zeit als Mensch außerhalb von Remus' und seinem Zimmer, saß im Wohnzimmer mit einem Buch oder machte Pläne, wie man Peter aus der Reserve locken konnte. 

Harry taute langsam auf um ihn, fragte ihn sogar ein oder zweimal nach seinen Eltern und einmal sah Remus, wie sie sich mit Mary zusammen alte Fotos anschauten. 

Jules hingegen blieb bei seiner Einstellung: er mochte Tatze (er hatte die ersten beiden Tage versucht, auch ihm aus dem Weg zu gehen, fand ihn allerdings nach eigener Aussage, "zu niedlich" dafür), aber er machte einen großen Bogen um Sirius. In Remus' Anwesenheit antwortete er einsilbig, wenn Sirius ihm Fragen stellte, aber er tat alles, um nicht allein in seiner Nähe sein zu müssen. 

"Er ist echt mein Dad, oder?", fragte er kritisch an Tag drei, als Remus ihn abends ins Bett brachte. Auf die Frage, ob er wollte, dass Sirius ihm Gute Nacht sagte, hatte er schnell den Kopf geschüttelt. 

Remus nickte. 

"Ich will nicht, dass er mein Dad ist", entschied Jules und verschränkte die Arme. Remus strich ihm durch die Haare. 

"Warum das denn nicht?", fragte er vorsichtig. Jules schüttelte den Kopf. 

"Ich will, dass du mein Dad bist", sagte er. "Wenn er echt mein Dad ist, warum war er nie da?" 

Remus schluckte. 

"Also erstmal, ich bin immer noch dein Dad", sagte er schnell. "Ich werde auch immer dein Dad sein. Aber er ist es auch. Und er würde sich glaube ich echt freuen, wenn du ihm eine Chance gibst, dir zu zeigen, wie lieb er dich hat. Es ist nämlich nicht seine Schuld, dass er nicht da war." Er überlegte kurz. "Weißt du noch, als Mum letztes Jahr nicht zu deinem Geburtstag da sein konnte, weil sie genau da auf Klassenfahrt war?" 

Jules nickte. 

"Siehst du, sie wäre viel lieber hier gewesen und hätte mit uns gefeiert", erinnerte Remus ihn. "Aber sie konnte nicht. Es ging nicht anders. Und du warst traurig und das war auch vollkommen in Ordnung. Aber es war nicht ihre Schuld und als sie wieder da war, haben wir nochmal gefeiert und es war total cool, weil es fast so war, als hättest du nochmal Geburtstag, hm?" 

Jules grinste ein wenig. 

"Es gab zweimal Kuchen!", fiel ihm ein und seine Augen strahlten begeistert. Remus schmunzelte und nickte. 

"Siehst du?", meinte er dann. "So ist es mit Sirius auch gewesen. Er wäre viel lieber hier gewesen als...unterwegs. Und es ist vollkommen ok, wenn du traurig bist oder wütend, dass er nicht da war. Aber das heißt ja nicht, dass wir nicht alle Geburtstage, die er verpasst hat, nochmal feiern können, oder?" 

Der Buchladen im LigusterwegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt