6

1.7K 193 84
                                    

Remus war dem Alkohol eigentlich nicht zugeneigt, aber zu Beginn des Jahres 1982 kaufte er sich zu drei unterschiedlichen Gelegenheiten eine Flasche viel zu teures Zeug mit dem Plan, sie am Stück zu trinken. Der Vor- oder der Nachteil vom Werwolfdasein, je nachdem wie man es betrachtete, war, dass es viel brauchte, damit Alkohol eine Wirkung bei ihm zeigte. Einer kompletten Flasche Schnaps konnte allerdings sogar ein Werwolf nicht viel entgegen setzen und so verging zuerst der 30. Januar und dann der 10. März wunderbar getrübt und in einem Zustand, in der es ihm gar nicht mehr möglich gewesen wäre, darüber zu philosophieren, wieso er 22 wurde und Lily nicht mehr. 

Für den 27. März hatte er eigentlich den gleichen Plan, nicht bereit, an James' Geburtstag klar denken zu können, aber als hätte sie es gespürt, nutzte Edyta genau diesen Tag, um ihn mit kleinlichen Reparaturen am Haus und in ihrer Wohnung beschäftigt zu halten. 

Zu dem Zeitpunkt hasste er sie dafür, im Nachhinein war er ihr dankbarer, als er je für möglich gehalten hätte. Sie zwang ihn regelrecht, bei ihr zu essen und es war auch der Abend, an dem sie ihm das Du anbot. 

Es war der Tag, an dem er zum ersten Mal darüber nachdachte, dass er vielleicht, vielleicht doch irgendwann tatsächlich neu anfangen konnte. 

In den Wochen nach dem Vollmond schien diese Methode realer denn je. Julie war mittlerweile etwas über fünf Wochen alt und Remus dachte gern, dass er inzwischen eine gewisse Routine hatte, wenn es darum ging, ein Vater zu sein. Sie war ein fröhliches Kind, wenn auch mäkelig beim Essen und kein großer Freund vom Schlafen. Remus hätte nicht gedacht, dass er einen kleinen Menschen, der so wenig tat, so abgöttisch lieben konnte. Gestern hatte sie das erste Mal breit gelächelt, ihre Augen hatten geleuchtet und Remus wäre beinahe auf der Stelle in eine blubbernde Pfütze zerflossen, so niedlich sah es aus. 

Sie schien es zu mögen, wenn er mit dem Zauberstab bunte Funken sprühte, auch wenn sie noch nicht wirklich die Koordination hatte, sie wirklich zu erkennen. Es war beinahe die einzige Sache, für die Remus seinen Zauberstab überhaupt noch nutzte. Im Haushalt gelegentlich, um seine Bücher sortiert zu halten, aber sonst lag er meist in seiner Nachttischschublade. Er wohnte in einer Muggelgegend, alle Arbeiten am Haus musste er auf hier übliche Art erledigen und auch Flohpulver bot sich nicht wirklich an. Daran hatte er aber auch nicht wirklich Interesse. Da es niemanden mehr gab, von dem er ernsthaft gefunden werden wollte, aber genug Leute, von denen er definitiv nicht gefunden werden wollte, hatte er mehrere Schutzzauber über den Ligusterweg Nummer 32 gelegt, die seine Anwesenheit verschleierten. Er hatte der magischen Welt den Rücken gekehrt, und sie ihm vermutlich auch. Schließlich war er der Mann des angeblichen Spions, vermutlich verdächtigten ihn ohnehin viele, mit Sirius unter einer Decke gesteckt zu haben.

Remus scherte sich nicht wirklich darum, was andere Zauberer von ihm dachten, denn er war aktiv dabei, sich ein Leben in Little Whinging aufzubauen. Er kümmerte sich Julie und ums Haus, besuchte Quinn in seiner Werkstatt oder verbrachte Zeit mit Edyta.

Anne kam häufiger vorbei. Das war sie vorher auch schon, aber jetzt grüßte sie Remus auch jedes Mal. Sie war gut mit Edyta befreundet, beide verkehrten in den gleichen Kirchenkreisen, organisierten zahlreiche ehrenamtliche Dinge, von denen Remus nicht einmal die Hälfte kannte und noch weniger verstand. Sie schleifte Remus mit zu einem Babytreffen und er war sich nicht sicher, ob er sich wirklich wohlfühlte in der Gruppe Frauen, die sich teilweise aufführten wie Clowns, aber es war zweifelsohne interessant, andere Eltern kennen zu lernen. 

Edyta wurde von den Jacksons zum Grillen eingeladen und Remus erhielt gleich ebenfalls eine Einladung und auf einmal, ohne dass er es wirklich geplant hatte, lernte er Leute kennen. Zum Glück schien die Blase um Petunia Dursley nicht wirklich Annes üblicher Kreis zu sein, denn so interessiert Remus auch war, seine Nachbarn kennen zu lernen, so wenig Lust hatte er auf ein weiteres Zusammentreffen mit ihr oder Gloria Polkiss, die ihren zweijährigen Sohn Piers zur gleichen Selbstlosigkeit erzog, wie Petunia es mit Dudley tat. 

Der Buchladen im LigusterwegWhere stories live. Discover now