Kapitel 5

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*Finley POV*


Aubrey hatte auf keine meiner vielen Nachrichten geantwortet. Meine kläglichen Versuche sie anzurufen wurden einfach ignoriert. Oh Mist, das durfte doch nicht wahr sein. Und als ich auf den Parkplatz trat, wo Aubrey normalerweise immer auf mich wartete, nachdem ich mit dem Fußballtraining fertig war, standen nur zwei Autos und keines davon gehörte meiner Freundin.

„Ha! Die ist ja wohl mal richtig sauer auf dich", lachte Jolie. „Das ist nicht lustig, wie soll ich denn jetzt bitte nach Hause kommen?", fragte ich verzweifelt. So schlimm war das doch heute gar nicht gewesen, warum um alles in der Welt musste ich jetzt so bestraft werden? „Kann deine Mutter mich nicht mitnehmen?" Ich sah Jolie bittend an, diese schüttelte aber nur mit dem Kopf und lachte.

„Der war gut!" Sie schlug mir fest auf die Schulter. „Ich will mir nicht die ganze Zeit irgendwas im Auto anhören müssen. Weißt du meine Mutter kommt damit klar das ich Fußball spiele, aber dass ich in meiner Freizeit auch gerne mit prallen Bällen spiele sagt ihr nicht so zu. Die würde sich tierisch freuen dass ich dich mitnehme, dann würde sie dich noch mit zum Abendessen einladen und dich dazu überreden mir den Dämon auszutreiben der mich lesbisch gemacht hat. Und ich hab den Dämon doch so gerne in mir drin!" Sie grinste.

„Warum lässt du dir das von deiner Mutter gefallen?" Ernsthaft, würden meine Eltern mit mir so umspringen  wenn ich schwul wäre, dann würde ich abhauen. Gut, höchstwahrscheinlich würde ich es nicht .. aber Jolie hätte definitiv den Mumm dazu, warum tat sie es dann nicht einfach?

„Weil das für mich die reinste Comedy-Show ist. Diese Leute, die sich meine Familie schimpfen, sind Dilettanten. Das ist die pure Schadenfreude, ich amüsiere mich über die Dummheit die die an den Tag legen." Jolie schulterte sich ihre Sporttasche.

„Ich könnte über sowas nicht lachen", sagte ich ehrlich. „Ich bin auch mehr Mann als du. Nein. Ehrlich? Finley, es ist für mich einfach nicht so schlimm. Ich habe andere Leute die mich so akzeptieren wie ich bin. Und wenn mein eigen Fleisch und Blut das nicht kann, dann sind sie es auch nicht wert dass ich auch nur eine weitere Träne vergieße. Und nun ...Lauf, Finley, lauf!" Mit diesen Worten joggte sie zum Auto ihrer Mutter und stieg auf der Beifahrerseite ein.

„Sollen wir dich mitnehmen?", erschreckte mich eine weibliche Stimme. Sofort drehte ich mich um und sah Noah und das Mädchen das neben ihm auf der Tribüne gesessen hatte. Rosa.

„Ähm .. nein, danke. Ich laufe", sagte ich und versuchte mich von den beiden wegzubewegen, aber Rosa packte mich am Oberarm. „Aber, aber, Süßer. Du musst doch nicht laufen, wir bringen dich. Wir müssen sowieso da vorbei wo du wohnst." Rosa nahm mir die Sporttasche ab und stöckelte zum einzig verblieben Auto auf dem Parkplatz.

Ich war einfach viel zu perplex. Was?

„Komm schon, Finley. Wir werden dich schon nirgendwo lebendig vergraben, wir wollen einfach nur nett sein." Noah grinste mich an und ging dann auch zum Auto. Zwangsweise musste ich ihm folgen. Natürlich war es eine nette Geste, das war nicht abzustreiten, aber es war trotz allen merkwürdig. Warum wollte Noah unbedingt nett zu mir sein? Der hat mich die letzten Jahre ignoriert.

Also stieg ich ein und schwieg, denn Noah und Rosa schwiegen auch. Keiner verlor ein Wort. Bis ich bemerkte das wir in eine komplett andere Richtung fuhren, als ich eigentlich hätte müssen. „Sag mal, du weißt schon dass ich nicht hier wohne?", fragte ich Noah, der am Steuer saß. „Ich weiß", antwortete er. Rosa kicherte. Oh Gott, Noah hatte gelogen, er würde mich doch irgendwo bei lebendigem Leib vergraben.

„Das ist Entführung, okay? Ihr kidnapped mich", brauste ich auf. „Du bist doch kein Kind mehr." Erwiderte Rosa seelenruhig. Was sollte das hier zum Teufel werden? „Entführung bleibt Entführung und ist eine Straftat", murrte ich. Daraufhin lachten beide. „Finley, es tut mir leid, das war einfach nur ein Vorwand."

„Wofür?", fragte ich aufgebracht und verwirrter denn je. „Noah ist einfach schlecht mit Worten und er wollte einfach ein bisschen Zeit mit dir verbringen, also fahren wir jetzt zu uns nach Hause und hängen da ein bisschen ab", erklärte Rosa als sei es doch total selbstverständlich. 

„Tickt ihr noch ganz richtig?", fragte ich, meine Wut war schon etwas verpufft, aber meine Verwirrtheit nahm zu. Warum auch immer Noah Zeit mit mir verbringen wollte, aber hätte man das nicht anders machen können?

„War es so schwer zu mir zu kommen und mich einfach zu fragen?", hakte ich nach. Die beiden waren doch nicht mehr ganz dicht. Was sind das denn für Verhaltensweisen, sind wir im Mittelalter?

„Du hast ja keine Ahnung, Schatz!", kicherte Rosa. „Nein .. wir wollten doch auch ein bisschen unseren Spaß haben. Komm schon, ist doch jetzt auch nicht so schlimm. Wir sind gleich da und dann kannst du dir ein kühles Bier auf den Schock genehmigen, mh?" Rosa hatte sich zu mir umgedreht und lächelte mich ehrlich an.

„O-okay", sagte ich nur, weil ich nicht wusste was ich hier sonst machen sollte. Das war alles mehr als nur verrückt.

Also fuhren wir zu einem schäbig aussehenden Wohnblock, Noah parkte einfach auf einer Rasenfläche. Und auch wenn umherziehende Leute das gesehen hatten, schien es keinem zu interessieren. Was? Wir steigen aus dem Auto aus und Rosa ging schon vor, während Noah mich aufhielt.

„Es tut mir leid, okay? Aber wenn ich dich gefragt hätte, hättest du denn ja gesagt? Wärst du dann mit mir und Rosa gekommen?" Er sah mich an und zog dabei seine Unterlippe zwischen die Zähne. „Ich weiß es nicht!", gab ich zu und Noah nickte.

„Aber das ist doch reichlich unkonventionell oder nicht? Wir waren schließlich auch mal beste Freunde gewesen und .." Ich wusste nicht was ich noch anfügen sollte. „Genau, waren. Und das möchte ich ändern. Ich habe halt gemerkt das ich dich brauche ..als besten Freund und wenn nicht als besten Freund, dann doch wenigstens als jemand der .. mich nicht von sich stößt.." Noah schenkte mir ein aufrichtiges Lächeln und ich konnte nicht anders als es zu erwidern.

Wir beiden betraten den Wohnblock und der sah innen drinnen noch viel schlimmer aus als draußen. In jeder Ecke scharrte sich Müll. Ich musste zwei Stockwerke nach oben und die Tür wo wir durch mussten war schon offen.

„Warte mal .. warum wohnst du eigentlich in einer WG? Was ist denn mit deinen Eltern passiert?", fragte ich Noah, nachdem wir ins Wohnzimmer getreten waren. Es war hier jetzt nicht so heruntergekommen wie ich gedacht hätte, es sah doch recht normal aus. Auch wenn es ein wenig unaufgeräumt war. Und es stank, nach Zigarettenqualm.

„Die haben mich rausgeschmissen", beantwortete Noah meine Frage und schmiss sich auf die Couch wo Rosa schon saß. „Was? Dürfen die das denn einfach so?", hakte ich nach. Damals hatte ich Noahs Eltern immer als liebevoll empfunden, und als Personen die sowas nicht machen würden. „Ich bin irgendwie auch freiwillig gegangen .. es war also beidseitig." Noah grinste. 

„Geht das denn einfach so?" Ich setzte mich auf einen freien Sessel. Rosa beugte sich vor und überreichte mir eine schon geöffnete Bierflasche. Was? Es war mitten in der Woche und ich musste morgen wieder zur Schule. Wie kam ich nachher überhaupt nach Hause, wenn wir uns hier jetzt mit Bier vollschütteten?

„Alles geht, Schatz", meinte Rosa. „Vielleicht ist es nicht ganz nach dem Regeln, aber was soll's?" Rosa grinste und schlug ihre Bierflasche leicht gegen Noahs. 

You are my Problem [boyxboy]Where stories live. Discover now