Alice in Borderland

Kapitel 23 - Überleben

Der nächste Tag neigte sich schneller dem Ende zu, als ich es mir gewünscht hätte. Nach dem Mittagessen nehme ich mir Zeit, mit Kuina mehrere Kartenspiele zu spielen, mit Izumi in der Sonne zu liegen und mit Yuudai eine Runde Tischkicker zu spielen. Ich wollte es mir vielleicht nicht eingestehen, aber würde jemandem von ihnen etwas passieren, würde es mich mitnehmen. Keine persönlichen Bindungen aufzubauen ist doch schwerer als gedacht. Den Nachmittag verbrachte ich damit, meine Schallplatten durchzuspielen und meine Gedanken zu sammeln.

Nach der Motivationsrede des Hutmachers laufe ich gemütlich nach draußen zu dem Wagen, dem ich zugeteilt wurde. Nur noch der Beifahrersitz ist frei, doch nach der letzten Fahrt habe ich nichts dagegen, etwas Freiraum zu haben. Ich steige ein und nicke dem Fahrer zu, welcher den Wagen startet. Über den Rückspiegel betrachte ich meine Mitspieler. Zwei zierliche Männer und ein Mädchen in meinem Alter. Ich weiß nicht, ob ich mich wohlfühle, dass niemand den ich kenne dabei ist. Es bietet viele Vorteile: Man muss sich keine Sorgen während des Spieles machen, wenn jemand stirbt trifft es dich nicht so und ich kann mehr riskieren. Schließlich gefährde ich mit meinen Entscheidungen nur mein eigenes Leben. Wir fahren schon ziemlich lange und sind mittlerweile am Rande von Tokio. 

Der Fahrer hält auf einem Parkplatz vor einem Trailerpark. Im Gegensatz zu den letzten Spielen warte ich und gehe als Vorletzte zum Spielort. Ich bin überrascht, wie viele Spieler schon hier sind und stumm auf ihre Telefone starren. Es sind einfach zu viele, weswegen ich mir eine Einschätzung spare. Ich greife zu meinem kleinen Ball und beginne ihn wie immer hüpfen zu lassen. An diesem Spiel trage ich wieder ein weißes Shirt und die kurze Sporthose. Ich habe mir angewöhnt, meinen Ball einfach in der Hose zu lassen, um ihn ja nicht zu vergessen. Ich höre ein räuspern und sehe auf. Mit gegenüber steht ein mit bekannter Junge mit grünen Haaren und winkt mir zu. Ich lächle ihn an und erkenne ihn wieder, der Junge von meinem zweiten Spiel. Er scheint einiges in seinen letzten Spielen abbekommen zu haben, denn sein rechter Arm ist einbandagiert und er hat viele blauen Flecken. Doch als die mechanische Frauenstimme ertönt, wende ich meinen Blick von ihm ab auf mein Handy.

Registrierung abgeschlossen. Teilnehmeranzahl: 28. Spiel: Überleben. Schwierigkeitsgrad: Pik 10. Spielregeln: Überlebe die Nacht. Viel Glück.

Wir betreten den Trailerpark und jeder schlägt eine andere Richtung ein. Ich steuere einen der nicht beleuchteten Trailer an und öffne vorsichtig die Tür. Überlebe die Nacht kann alles bedeuten: Sprengfallen, Raubtiere oder Giftfallen. Ich stelle mich an das Fenster und kann beobachten, dass die meisten der Teilnehmer die beleuchteten Wohnwagen ansteuern. Einige verschwinden im angrenzenden Wald, als ich plötzlich ein lautes Geräusch höre, einen Schuss?

Ich höre etwas auf der anderen Seite der Tür und bevor ich reagieren kann, rennt mich jemand fast um. Ich richte mich auf und sehe zu der Person, die blutüberströmt ist. Mein Herz rast und ich fange leicht an zu zittern. 

"Alles okay bei dir?"

Das Mädchen sieht mich verwirrt an und als sie das Blut an sich entdecket, greift ihre Atmung in eine Schnappatmung über. Augenscheinlich scheint sie nicht ernsthaft verletzt, aber das ist nur eine ungefähre Einschätzung im Dunkeln.

"Da sind Maskierte", bringt sie panisch heraus und ich mache einen Schritt auf sie zu um sie zu beruhigen und mehr zu erfahren.

"Hast du gesehen wie viele?"

"Nein, der Junge neben mir ist plötzlich umgefallen. Er war doch noch ein Kind, was ist hier los?"

Verstehe, es ist ihr erstes Spiel. Sie muss gerade erst im Borderland aufgewacht sein. 

"Ich kann es dir erklären, aber du musst dich beruhigen", sage ich und sie nickt kräftig, "Hier gelten andere Regeln. Du brauchst ein Visum, sonst stirbst du. Dieses Visum bekommst du durch Spiele wie dieses hier. Es hat den Schwierigkeitsgrad zehn, was das höchste ist, das wir kennen"