Kapitel 111 - Strafakte

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Nachdem wir die geborgenen Lebensmittel aus der Mall in den Wagen verstaut haben fahren wir erst einmal zurück in das Hotel, damit der Militärtrupp und einige andere Mitglieder die Sachen ausladen können. Dann wechseln sie die Fahrer und gelangweilt verdrehe ich die Augen. Ich sehe zur Seite und mit gerunzelten Augenbrauen gibt sie mir zu verstehen, dass sie bei der nächsten Tour nicht eingetragen ist. Sie verlässt den Platz neben mir und ich sehe ihr durch das Autofenster nach, wie sie zum Eingang des Hotels läuft. Doch meine Aufmerksamkeit wird davon abgelenkt, als der neue Fahrer einsteigt und anhand der Haare erkenne ich unzweifelhaft Niragi. 

Ich bemerke seinen kurzen Blick in dem Rückspiegel und lächele ihm kurz freundlich zu. Ich habe von anderen Bewohnern des Hotels mitbekommen, wie er Frauen in letzter Zeit... behandelt. Dennoch nickt er mir nur stumm zu und ich versuche nicht undankbar zu sein. Das was ich höre passt zu Niragi, so wie ich ihm bei Beginn meiner Zeit im Beach eingeschätzt habe, was mich wieder ein wenig nervös gegenüber ihm werden lässt. 

Wir fahren in Richtung Gefängnis, die Führungsrege meinte dass niemand auf den Gedanken kommt dort nach Lebensmitteln in der Kantine sucht, weshalb wir annehmen dass es dort noch keine Plünderer gab und es lohnenswert sein wird. Am Gefängnisparkplatz angekommen und während drei vom Militärtrupp die Schlösser knacken, leiert Niragi wieder die Regeln für das Zusammensuchen herunter. Zunächst sichert der Militärtrupp vor uns oberflächlich den Trackt, dann laufen wir zusammen in das deprimierende, graue Gebäude wobei ich einen anderen Weg als die meisten einschlage. Mein Herz springt mir fast aus der Brust und meine Hände verkrampfen sich nervös um den Saum meines Rockes, wobei ich gespannt nach vorne sehe.

"Halt", sagt eine strenge weibliche Stimme und ich bleibe wie angewurzelt stehen. Die Frau läuft an mir vorbei und stellt sich mir in den Weg, ihre Hände in ihre Hüfte gestemmt.

"Ja?", frage ich so schuldunbewusst wie nur möglich und sehe sie mit großen, unverständlichen Augen an.

"Wir sind alle in diesem Abteil", deutet sie hinter mich und wackelt mit der Schusswaffe in ihrer Hand. Natürlich bleibe ich nicht unbemerkt, ich muss mir etwas einfallen lassen. Auf meinen Händen bildet sich ein leichter Schweißfilm und ich versuche meine Gesichtszüge entspannt zu lassen. 

"Ich habe einen Auftrag von Ann. Sie braucht neue Akten", zucke ich gespielt gelangweilt mit den Schultern und kaue dennoch unruhig auf der Innenseite meiner Wangen. Sie kommt mir noch näher und lässt mit ihrem Blick meine Augen nicht los, wobei unsere Nasenspitzen sich fast berühren. Ich weiß zwar, dass Chishiya auch hier ist, aber ich zähle nicht auf seine Unterstützung. Schließlich möchte ich das alleine durchziehen, weshalb ich eine überzeugende Mine aufsetze. Nach einer kurzen Zeit lässt sie von mir ab und hat eher einen fragenden Gesichtsausdruck.

"Für ihre Nachforschungen", spinne ich meine Lüge weiter und sie nickt nur.

"Warum glaube ich dir wohl nicht?"

Weil das alles ein riesen Schwindel ist.

"Vertrauensprobleme, schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit, Kindheitstraumata, Narzissmus, übermäßige Dominanz, fehlende vorausgegangene Kommunikation, Thermiphiliogismus...", zähle ich auf.  

"Schon gut Neunmalklug, und wieso ausgerechnet du?", meint sie leicht genervt und kommt mir ein wenig zu nahe, wobei ihre Stimme gegen Ende hin eher belustigt wirkt. Der Geruch von Lavendel und strengem Vodka steigt mir in die Nase, wobei sie ihre Waffe weniger selbstbewusst auf mich richtet.

"Ich habe schonmal für sie Akten zusammengesucht", meine ich locker, "Im Krankenhaus und wurde dabei ziemlich verletzt von einem Psychiatriepatienten. Ich kenne mich aus, was sie braucht und welche Akten sie sucht, gerade weil es einige Überschneidungen mit den Akten hier gibt"

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt