Kapitel 79 - Tinte

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Wir fahren nicht lange zu einem Spielort in der Stadt und Niragi parkt den Wagen zwei Straßen weiter. Da wir nur zu zweit sind laufen wir zusammen den leuchtenden Markierungen nach bis zu dem Eingang eines Möbelhauses. Es stehen schon fünf Leute mit ihren Handys bereit und mustern uns kritisch. Ich bleibe vor dem Tisch mit den Handys stehen und sehe mir jede Hülle genau an, bis Niragi die Augen verdreht und mir genervt ein Handy in die Hand drückt. Ich lasse die Gesichtserkennung laufen und lehne mich neben ihn an die Gebäudewand. Ich hole meinen Gummiball aus meiner Hosentasche und beginne ihn wie immer hüpfen zulassen. Ich spüre die verwirrten Blicke auf mir, doch ich kann nur grinsen als ich daran zurückdenke, wie ich an den Flummi gekommen bin. 

Die Registrierung ist abgeschlossen. Teilnehmeranzahl: 7. Spiel: Suche und Finde. Schwierigkeitsgrad: Karo 3. Spielregeln: Befestigt die explosiven Halsbänder vor Beginn des Spiels. Findet in den nächsten 20 Minuten den gesuchten Gegenstand. Ist die Zeit abgelaufen und ihr haltet den Gegenstand nicht in der Hand, habt ihr verloren und sterbt. Viel Glück. 

Die Türen öffnen sich und wir treten ein. Auf dem Tresen im Eingang liegen ungefähr zehn metallische Halsbänder. Ohne zu zögern laufen die meisten darauf zu und legen sich die Dinger um. Während ich Niragi wortlos in den dritten Stock folge, kreisen meine Gedanken wild umher. In der Spielanweisung wurde nicht gesagt, welchen Gegenstand wir suchen. Irgendwo müsste ein Hinweis sichtbar sein. Es ist ein Diamantspiel, was bedeutet wir müssen unseren Verstand einschalten. Die Schwierigkeitsstufe ist nicht hoch, ich vermute dass der Hinweis so offensichtlich ist, dass man ihn leicht übersieht. Es ist ein Möbelhaus, also präge ich mir jeden Kleiderschrank und jede Couch einzeln ein und suche sie mit meinen Augen ab. Ich sehe mir die Zettel an den Ausstellungsstücken genau an, doch bis auf die Seriennummern und die speziellen Farben erkenne ich nichts interessantes darauf.

"Wir suchen irgendeinen Gegenstand, vielleicht wollen die Spielmacher uns nur verwirren mit den ganzen Möbeln und in Wirklichkeit ist der Gegenstand in einem der Büros oder so", überlegt Niragi laut. Das Zeit Limit beträgt zwanzig Minuten, selbst ihn müsste es nervös machen einfach ziellos herumzulaufen.

"Nein ich denke es muss etwas anderes sein", antworte ich schlicht. Sein Gedanke kam mir zwar auch vor fünf Minuten, aber ich habe ihn gleich wieder verworfen. Ich stelle mich an das Geländer in der Nähe der Rolltreppe und sehe nach unten zu den anderen Mitspielern. Es haben sich zwei Zweierteams gebildet, sodass ein schlaksiger Junge alleine herumläuft. Jemand begegnet meinem Blick und sieht zu mir und Niragi nach oben. Der Mann trägt eine zerrissene schwarze Jeans und eine blaue Jeansweste, der Mann neben ihm trägt etwas ähnliches. Die Art und weise wie der zweite Mann seinem Blick zu mir folgt zeigt mir, dass die beiden sich schon länger kennen müssen. 

Ich versuche die beiden auszublenden und betrachte die Möbelstücke, als ich plötzlich etwas auf der anderen Seite im zweiten Stockwerk bemerke. Ich könnte mir das auch eingebildet haben, aber da wir sonst keinen Ansatzpunkt haben lohnt es sich wenigstens nachzusehen. Ich setze mich in Bewegung und Niragi folgt mir automatisch zu dem Gang mit den Teppichen. Ich knie mich hin und sehe den beigen Fellteppich genau an, aber durch seine Beschaffenheit kann ich nichts erkennen. Ich hätte schwören können, dass irgendetwas heruntergetropft ist. Ich sehe an die Decke, kann aber keine Leitungen oder einen Wasserfleck erkennen.

"Kannst du mich hochheben?", frage ich Niragi und er kommt zu mir.

"Aber gerne doch", grinst er mich an und legt das Gewehr auf den Boden. Er stellt sich hinter mich und reicht mir eine Hand damit ich das Gleichgewicht halten kann während er mich auf seine Schultern setzt. Ich fahre mit meinen Fingern über die Decke, doch als ich 8ihn lachend schnaufen höre verdrehe ich die Augen.

"Wenn jetzt ein Witz oder eine Bemerkung kommt, dass dein Kopf zwischen meinen Schenkeln steckt reiße ich dir jedes Piercing einzeln raus!", warne ich ihn und betrachte meine Hand. Ich kann nichts erkennen und es ist auch nichts nass, doch als ich die Finger aneinander reibe fühlt es sich irgendwie glitschig an. 

"Wir müssen in die Elektroabteilung", sagt ich während ich von seinen Schultern runterklettere. Ich hoffe nur ich liege richtig, denn die Zeit wird immer knapper. 

"Bekomme ich mehr Informationen?", fragt er und nimmt sein Gewehr um mir zu folgen. Auf einem Plan im ersten Stock suchen wir die Abteilung und als wir sie finden, laufen wir in die Richtung.

"Kennst du unsichtbare Tinte?"

"Die man nur mit einer Schwarzlichtröhre sehen kann?"       

"Genau, ich wette an der Decke sind Markierungen oder Pfeile die uns zu dem Gegenstand führen. Es könnte auch ein Hinweis, eine Zahl oder ähnliches sein. Wir brauchen Schwarzlicht um es genau wissen zu können"

"Wie konntest du unsichtbare Tinte aus dieser Entfernung sehen?", fragt er verwirrt und ich verkneife mir ein Grinsen. Ich überlege einen Moment es ihm einfach zu erzählen, aber der Gedanke ihn im Unwissenden zu lassen gefällt mir dann doch mehr. In der Abteilung angekommen lassen wir die Kronleuchter und Glühbirnen hinter uns und suchen nach einer tragbaren Röhre. Als wir sie finden laufen wir wieder zu den Teppichen und ich reiche die Röhre Niragi, da er einfach größer ist und ich nicht nach oben komme. Er streckt probeweise seinen Arm zur Decke und die Entfernung passt. Es sind wie ich gedacht habe Pfeile, denen wir folgen. 

Bei den Ausstellungsräumen angekommen führend die Pfeile uns zu einem Regal, in welchem um die zehn Gläser stehen.

"Bist du dir sicher?", fragt Niragi und begutachtet eines der Gläser.

"Hast du in dem ganzen Abteil hier irgendwelche Dekoration gesehen, die sonst immer in solchen Räumen sind. Bilderrahmen, Plastikpflanzen, Geschirr, Kissen?"

"Nein", bemerkt er und runzelt die Augenbrauen.

"Dann bin ich mir sicher", sage ich und drücke ihm noch zwei Gläser in die Hand, "Da, wir verteilen die auch an die anderen Spieler"

"Muss das sein?", sagt er genervt aber nach einem strengen Blick meinerseits setzt er sich in Bewegung. In der verbleibenden Zeit suchen wir die anderen Teilnehmer und verteilen an sie die Gläser, bevor unsere Handys aufleuchten.

Gratulation, Spiel gewonnen.

Zufrieden laufe ich zusammen mit Niragi zum Ausgang und lächele zum Abschied dem Jungen, welcher alleine gesucht hat zu. Im Gegensatz zu den meisten anderen hat er sich herzlich bedankt und man konnte genau sehen, wie erleichtert er war. Das eine Zweierteam hat uns nur kritisch gemustert, wie als würden wir ihnen einen falschen Gegenstand andrehen, um sie umzubringen. Das Halsband blinkt grün auf und als ich es abnehme, lasse ich es einfach auf den Boden fallen. Mein erstes Spiel, in dem niemand gestorben ist und ich habe einen kleinen Teil dazu beigetragen.

 "Ihr beiden kommt gut klar in den Spielen", bemerkt eine Stimme und wir drehen uns zu den beiden Männern um, die ich über das Geländer gemustert habe, "Ihr seit schon länger hier, was?"

"Kann sein", zuckt Niragi mit den Schultern und sieht die beiden abfällig an. 

"Wir wollten uns nur bedanken", schaltet sich der andere Mann ein und nickt mir zu. Ich weiß nicht was ich von den beiden halten soll, aber ich möchte zu unserem Wagen. "Hört zu, wir sind eine größere Gruppe, ihr könnt euch uns anschließen"

"Kein Interesse", sagt Niragi und zieht mich mit sich. Als wir uns zum Gehen umdrehen höre ich ein Klicken und sehe zu Niragi, welcher stehen bleibt. An seinem Hinterkopf eine entsicherte Pistole. Vorsichtig drehe ich mich um und schaue genau in den Lauf einer Waffe.

"Ehrlich gesagt war das keine Frage", grinst der Mann dreckig und ich hoffe, dass Niragi nichts dummes tut bei dem ich am Ende erschossen werde.    


Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt