Kapitel 2

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Scott

Ich verfluchte mich innerlich selbst, dem kleinen Mädchen meine Jacke überlassen zu haben. In dem Moment schien es mir richtig und das war es auf jeden Fall auch. Nur hatte ich nicht daran gedacht, dass ich in meiner Jackentasche Dokumente hatte, die mich und meine ganze Organisation verraten würden. Und ich musste nicht erwähnen, dass das richtig schlecht wäre. Absolut schlecht sogar.

»George mach auf. Ich weiß, dass du da bist«, hämmerte ich, wie ein gestörter, gegen seine Tür. »Hast du mal auf die Uhr geschaut?«, war das erste, was mir entgegenschlug, als die Tür sich öffnete und ein splitterfasernackter George darin erschien. »Konntest du dir nicht mal was anziehen?«, knurrte ich. »Schon. Wenn ich nicht hätte Angst haben müssen, dass du meine Tür dabei zerstörst. Was willst du denn?«, zog er die Tür ein Stück auf, was für mich das Zeichen war, einzutreten.

»Ich brauche Informationen«, erklärte ich möglichst uninteressiert. »Was für welche?«, nahm er sich glücklicherweise die Sofadecke, um sich diese behelfsmäßig um seine Hüfte zu binden. »Die Nacht ging aus meinem Bezirk ein Notruf ein. Ich will wissen, wo die beiden Kinder hingekommen sind«, ließ ich mir hoffentlich nicht anmerken, dass ich etwas damit zu tun hatte. Leider schien das nicht zu funktionieren, da George sich mit einem amüsierten Grinsen auf die Couch sinken ließ.

»Woher weißt du das? Von Kindern wurde nie etwas erwähnt. Weder in den Nachrichten noch von mir eben«, konfrontierte er mich mit meiner eigenen Dummheit. Geschafft fuhr ich mir übers Gesicht, legte meine Hände in den Nacken und hob meinen Blick zur Decke. »Du hast den Notruf gewählt, stimmts?«, entgegnete er mir vollkommen überzeugt. »Wahrscheinlich schon«, gab ich leise zu. »Das werte ich jetzt mal als ein Ja«, ging er nicht weiter auf meine Worte ein.

»Was ist da gestern Abend passiert?«, wollte er ernstgemeint wissen. »Keine Ahnung. Als ich da ankam, war da ein Typ, der die beiden Kinder wieder einsammeln wollte, um sie seinen Männern zu bringen. Er wirkte vor allem von dem kleinen Mädchen sehr angetan. Das war aber nicht der Kopf dieses Händlerrings. Dafür war er viel zu dumm und naiv.« »Meinst du es sind Kinderhändler in der Stadt?« »Bis gestern hätte ich es auch nicht geglaubt. Aber da steckt mehr dahinter. Das war kein Zufall. Das Mädchen wirkte vollkommen verängstigt und der Junge war nicht mal ansprechbar.«

»Was hast du mit dem Typen gemacht?« »Zusammengeschlagen und mitgenommen. Er ist jetzt im Kellner unseres Hauptquartiers. Ich hatte aber noch keine Zeit mich um ihn zu kümmern. Das mache ich morgen früh, sobald ich wieder zuhause bin. Bloß vorher muss ich ins Krankenhaus. Ansonsten steht die Polizei in wenigen Stunde vor meiner Tür«, erklärte ich ihm, um so schnell, wie möglich eine Antwort zu bekommen. »Sie wurden ins Center-Hospital eingewiesen. Soweit ich weiß, hat Alena die beiden zugewiesen bekommen.«

»Wer ist das?«, horchte ich auf. »Eine Kollegin von mir. Ich weiß nur so viel, dass die Polizei bis jetzt noch nicht da war, weil der Junge noch nicht aufgewacht ist und das Mädchen nicht spricht. Sie wissen nicht mal, ob sie überhaupt sprechen kann«, sah er mich grübelnd an. »Sie kann sprechen. Ich habe ihre Stimme gehört. Ansonsten hätte ich die ganze Situation nicht mitbekommen.« »Vielleicht solltest du das sagen, wenn du ins Krankenhaus gehst. Sie machen sich wirklich Sorgen und versuchen schon eine Lösung zu finden, wie man sie zum Sprechen bringt.«

»Ich werde da garantiert gar nichts erzählen. Ich will nur meine Jacke holen und unbemerkt wieder verschwinden. Genauso, wie ich jetzt gleich wieder verschwinde. Also wo sind sie?«, wandte ich mich gerade zum Gehen, als er mich aufhielt. »Auf der Kinderstation. Zimmer 507. Und bitte rede mit Alena. Sag ihr wenigstens, dass das kleine Mädchen sprechen kann, okay?«, appellierte er an meine Menschlichkeit. Diese war aber nur selten vorhanden. Gestern Nacht war einer dieser besonderen Momente. »Mal sehen«, zuckte ich teilnahmslos mit den Schultern, bevor ich die Tür hinter mir geräuschvoll ins Schloss zog.

Vor dem Krankenhaus zog ich mir die Kapuze meines schwarzen Hoodies ins Gesicht. Das mich jemand erkannte, war nämlich das letzte, was ich gebrauchen konnte. Mit meiner großen Gestalt fiel ich natürlich auf. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass mir die Leute nachsahen. Ich suchte die Kinderstation und Zimmer 507. Es dauerte nicht lang, bis ich es gefunden hatte. Ohne zu klopfen, betrat ich das Zimmer und drückte die Tür hinter mir ins Schloss.

Das ganze Zimmer war in Dunkelheit gehüllt und bis auf den ruhigen Atem der Kinder und das Piepen irgendeines Monitors, still. Ich schlich mich leise durch das Zimmer und suchte es nach meiner Jacke ab. Ich fand sie schließlich in einer Plastiktüte eingepackt, auf dem Fensterbrett liegen. Ohne auch nur einen Moment zu zögern, nahm ich sie heraus und legte sie mir über den Arm. Ich warf noch einen letzten Blick auf die beiden schlafenden Kinder, wandte mich gerade zum Gehen, als ich die Tür hinter mir aufgehen hörte. Fuck!

Ich drückte mich an die Wand neben der Tür und beobachtete die Gestalt, die soeben durch die Tür trat. Von der Statur und den Haaren würde ich auf eine junge Frau tippen. Jedoch konnte ich es nicht mit Sicherheit sagen, da es dafür schlichtweg zu dunkel war. Ohne mich bemerkbar zu machen, folgte ich ihren Handlungen mit Argusaugen. Sie trat an das Bett des Jungen, las die Zahlen auf den Geräten ab, bevor sie sich zu dem anderen Bett wandte. Dort setzte sich die Frau auf den Stuhl daneben und betrachtete das kleine Kind beim Schlafen.

»Was hat man euch nur angetan?«, hob sie ihre Hand, um diese auf die Wange des kleinen Mädchens zu legen, besann sich aber im letzten Moment und ließ sie stattdessen wieder sinken. Als spürte sie meinen Blick auf ihr, hob sie ihren Kopf und sah in meine Richtung. Normalerweise traute sich das niemand, aber da es dunkel war und sie ebenfalls nichts erkennen konnte, wusste sie nicht, wer gerade vor ihr stand. Ansonsten hätte sie höchstwahrscheinlich die Beine in die Hand genommen.
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Hier kommt das versprochene Kapitel gür die 6 🌟 und 4 Kommentare.

A/N: Die Voraussetzung für das nächste Kapitel ist wie davor. 5 🌟 und 3 Kommentare.

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend.

LG lenlavie

Chicago BastardWhere stories live. Discover now