Kapitel 39

4.9K 170 9
                                    

Alena

Ich musste anscheinend eingeschlafen sein, da mich ein Geräusch hochschrecken ließ. Mein Körper begann unkontrolliert zu zittern, ich rollte mich auf die Seite und versuchte mich so klein wie möglich zu machen, in der Hoffnung ich könnte mich einfach in Luft auflösen. Als ich eine Tür zuschlagen hörte und immer lauter werdende schwere Schritte, wusste ich nicht, ob ich erleichtert oder verängstigt sein sollte. Hatte der Typ noch einen Komplizen geholt? Kamen sie wieder oder war das jemand anderes, der mich gehört hatte und mir helfen wollte? »Alena?«, hörte ich eine mir allzu bekannte Stimme. »Hm!«, versuchte ich Scott auf mich aufmerksam zu machen. Doch es dauerte noch gefühlt eine halbe Ewigkeit, bis sich endlich die Tür des Schlafzimmers öffnete.

»Fuck!«, stieß er aggressiv aus. Ganz ehrlich, mir war im Moment vollkommen egal, dass Scott mich nackt und in dieser Position sah. Meinen Rücken eingeschlossen. Die Striemen und Narben waren gerade wirklich mein kleinstes Problem. Schon im nächsten Moment spürte ich, wie sich die Matratze neben mir senkte und ein kräftiger Körper sich mir näherte. »Was verdammt ist passiert?«, machte sich Scott sogleich daran die Tücher von meinem Kopf zu lösen. Vollkommen fertig mit der Welt drehte ich meinen Kopf zur Seite, schloss meine Augen und atmete erleichtert aus. »Was ist passiert Alena?«, löste Scott das Seil um meine Handgelenke. Da ich ein bisschen brauchte, um zu antworten, nahm er vorsichtig meine Arme von meinem Rücken und legte sie behutsam neben meinem Kopf ab.

Anstatt jedoch seine Frage zu beantworten, schluchzte ich laut auf. »Sh«, strich er mir ein paar lose Haarsträhnen aus dem Gesicht. Doch seine Worte konnten mich im Moment nicht beruhigen. Ich war traumatisiert. Stand völlig unter Schock. Und dass nur wegen ihm. Obwohl ich ihm nicht allein die Schuld dafür geben konnte. Immerhin hatte ich darauf bestanden, dass er mir half. Doch er hätte mich ruhig vorwarnen können, auf was ich mich da einließ. Etwas Warmes legte sich auf meinen nackten Körper und ich registrierte, dass es eine Decke war. »Was ist passiert?«, begann er mich erneut auszufragen. Ich schniefte ein letztes Mal, bevor ich schließlich begann zu sprechen.

»Plötzlich stand so ein komischer Typ vor der Tür. Und bevor ich überhaupt eine Chance hatte die Tür wieder zu schließen, hat er mich schon zurückgedrängt. Anfangs wusste ich nicht, was er wollte. Bis er angefangen hat, dass er Lia und Sam mitnehmen will. Doch als ich mich wehrte und meinte, sie seien nicht da, ist er ausgerastet, hat mich gefesselt und missbraucht«, erklärte ich in Kurzfassung und mit einigen Unterbrechungen was vorgefallen war. Ich zuckte zusammen und stieß ein qualvolles Wimmern aus als Scott sich plötzlich hinter mich kniete und wer wusste was machen wollte. »Sh. Schon gut. Ich will nur das Seil noch abmachen«, legte sich seine große, warme Hand auf meinen Knöchel. Mit kreisenden Bewegungen fuhr er über die dünne Haut bis zu dem Seil, dass noch immer meine Füße miteinander verband.

Nachdem Scott das letzte Seil gelöst hatte, legte er sich still neben mich ins Bett und wartete darauf, dass ich mich einigermaßen wieder beruhigte. Zaghaft hob er seine Hand, um zu sehen, wie ich darauf reagierte. Als ich mich nicht dagegen wehrte, legte er sie sanft auf meine Wange und begann liebevoll darüber zu streicheln. »Was machst du hier?«, durchbrach meine zittrige Stimme die Stille. Scott ließ sich nicht anmerken, dass ihn eine andere Frage weitaus mehr interessiert hätte als diese. »Sawyer hat mich angerufen, weil der Kindergarten sich bei ihm gemeldet hat, dass Lia nicht abgeholt wurde«, rutschte er noch ein wenig näher zu mir. »Danke«, flüsterte ich noch immer etwas benommen. »Danke das du hergekommen bist und mich gerettet hast«, gab ich leise zu. »Bedank dich nicht bei mir. Ich hab es nicht verhindert«, fühlte er sich schuldig dafür, was mir zugestoßen war.

»Du kannst nichts dafür«, legte ich meine Hand auf seine Brust. Er zuckte kurz zusammen, doch diesmal ließ er es zu und legte sogar seine Hand über meine. Sein ruhiger, kräftiger Herzschlag übertrug sich auf mich, weshalb auch ich langsam wieder herunterfuhr. »Hast du Schmerzen?«, erkundigte Scott sich besorgt bei mir. »Es war glaube ich mehr der Schock als alles andere«, antwortete ich ihm ehrlich. »Das glaub ich dir nicht. Ich hol eben den Verbandskasten«, löste er sich langsam von mir, um aufstehen zu können. In der Zwischenzeit in der Scott weg war, setzte ich mich langsam auf. Bis auf meine blutenden Handgelenke und das leichte Ziehen an meiner Mitte fehlte mir nichts weiter. Das meiste ging von meinem Kopf aus.

Chicago BastardWhere stories live. Discover now