Kapitel 33

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Scott

Ich war ein Arschloch. Ein ganz mieses Arschloch. Ich hatte mich einfach aus dem Staub gemacht, ohne mich zu vergewissern, ob es Alena gut ging. Und vor allem, wie sie sich fühlte. Hatte ich sie überfordert? War ihr das zu viel? Hatte es ihr vielleicht sogar gefallen? »Arghhh!«, fuhr ich mir gestresst durch die Haare, während ich die Treppen nach unten trampelte. Hauptsache so schnell wie möglich von hier weg. Ich wusste von Anfang an, dass das eine dumme Idee war. Nun musste ich mit den Konsequenzen leben. Kaum hatte ich einen Schritt an die frische Luft gemacht, suchte ich fahrig meine Zigaretten. Ich musste runter und vor allem auf andere Gedanken kommen. Normalerweise half mir Sex immer dabei. Aber der von eben wühlte mich mehr auf, als dass er mich wirklich ruhig stellte.

Frustriert stellte ich fest, dass ich meine Zigaretten in meinem Maserati gelassen hatte. »So eine Scheiße!«, trat ich gegen den nächstbesten Mülleimer, der natürlich sofort umfiel. Der ganze Müll verteilte sich über dem Gehweg. Doch ich ignorierte diese Tatsache und sah ein letztes Mal zu Alenas Schlafzimmerfenster hoch. Erleichtert stellte ich fest, dass das Licht bereits aus war und sie wahrscheinlich schon längst wieder im Bett lag. Perfekt! Ein Problem weniger für mich. Nachdem ich meinen Blick endlich von dem Fenster losreißen konnte, trat ich den Rückweg zu meinem Auto an. Ich hatte es am Ende der Straße geparkt. Hier her zu fahren, hätte zu viel Aufsehen erregt, da ich nicht vorhatte besonders lang zu bleiben.

Mit in dem Taschen vergrabenen Händen stampfte ich durch den seit Tagen andauernden Schneefall. Dieser zeigte unmissverständlich, dass wir langsam, aber sicher auf Weihnachten zugingen. Wenn ich mich nicht irrte, waren es höchstens noch 4 Wochen. Oder so. Als ich endlich an meinem schwarzem Maserati ankam, war meine ganze Kapuze voll mit weißen Flocken, welche schmolzen und sich durch den Stoff der Jacke in meine Kopfhaut gruben. Wie ein Idiot setzte ich mich auf den Fahrersitz, ließ das Fenster ein Stück runter und zündete mir endlich eine Zigarette an. Ich hatte mich gerade mit geschlossenen Augen an die Kopfstütze gelehnt und genoss den giftigen Qualm in meiner Lunge, als plötzlich mein Handy klingelte.

Irgendwie hoffte ich, dass es Alena war. Zu meinem Leidwesen war es nur mein Bruder. Anscheinend hatte er, um halb zwei nachts nichts Besseres zu tun, als seinen kleinen Bruder zu nerven. Ich nahm das Handy aus der Mittelkonsole, hielt es mir ans Ohr und nahm den Anruf mit einem genervten: »Was gibt's?« an. Atlas machte sich nicht mal die Mühe meine Frage zu beantworten. Stattdessen sagte er: »Hallo Bruderherz. Schön von dir zu hören. Wie geht es dir?«. Doch ich hatte gerade wirklich keine Nerven für seinen verdrehten Humor. »Hör auf damit und sag mir gefälligst, was du willst?«, blies ich den inhalierten Rauch aus meinem Mund, während ich etwas zu energisch meine Zigarette in einem leeren Kaffeebecher ausdrückte.

»Ich hab was über die beiden Kinder herausgefunden Scott.« »Dann sag mir gefälligst was?«, regte es mich tierisch auf, dass er um den heißen Brei herumfaselte. »Komm her. Dann zeig ich es dir«, war seine Antwort. »Atlas!«, knurrte ich aggressiv. »Scott!«, kam es von ihm zurück. Und an seinem Tonfall hörte ich, dass er nicht nachgeben würde. »Bis nach Detroit sind es vier verdammte Stunden.« »Wenn du jetzt losfährst, bist du gegen 7 hier«, offenbarte er mir. »Das ist jetzt nicht dein scheiß Ernst?«, sah ich auf die schneebedeckte Windschutzscheibe. Sein Schweigen sprach Bände. »Okay. Ich fahr jetzt los.«, drehte ich den Schlüssel im Zündschloss und der Motor erwachte schnurrend zum Leben.

Auch wenn ich nachts normalerweise nicht schlief, war ich erschöpft als ich gegen halb acht bei meinem Bruder in Detroit ankam. Mit meinem Navi suchte ich nach der Adresse, die er mir vorhin noch geschickt hatte. Denn ich musste zugeben, dass ich seitdem die beiden hier wohnten, noch nicht einmal hier gewesen war. Nanntet mich einen schlechten Bruder. Aber Atlas und meine Beziehung war schon immer etwas eigenartig gewesen. Wir wussten, wann wir dem anderen seinen Freiraum lassen mussten und wann man sich besser nicht in die Angelegenheiten des anderen einmischte. Einen Vorsatz den wir immer einhielten. Außer es ging um Heaven. In dem Fall verlor unsere ungeschriebene Abmachung ihre Wirkung.

Chicago BastardWhere stories live. Discover now