Kapitel 41

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Alena

»Soll ich mit reinkommen?«, bot Scott fürsorglich am. Doch das wollte ich nicht. Wahrscheinlich würde die Frauenärztin eins und eins zusammenzählen. Und da lag es nah, dass sie eventuell die Theorie aufstellte, dass Scott mich vergewaltigt hatte und jetzt nur mitkam, damit ich nichts Falsches sagte. »Nein. Ich geh allein«, war meine Stimme noch nicht wieder so fest, wie ich mir das vorstellte. »Okay. Dann warte ich hier«, nickte Scott, ohne weitere Proteste. »Danke«, sah ich kurz zu ihm herüber. Trotz seiner Kapuze, die wieder mal sein Gesicht verdeckte, wusste ich, dass er mich besorgt musterte, jedoch nichts weiter dazu sagte. Ich griff nach dem Türgriff, öffnete diese und stieg mit zittrigen Beinen aus.

Nachdem ich die Tür wieder geschlossen hatte, atmete ich tief durch, straffte die Schultern und setzte einen Fuß vor den anderen, um diese Konfrontation so schnell, wie möglich hinter mich zu bringen. Je näher ich der Eingangstür kam, desto schneller schlug mein Herz. Denn in meinem Kopf kam plötzlich der Gedanke auf, was ich überhaupt sagen sollte. Die Wahrheit Alena!, wies ich mich selbst zurecht. Meine innere Stimme hatte recht. Was brachte mir es zu lügen? Gar nichts. Absolut nichts. »Miss Cooper. Haben sie einen Termin?«, sah die Empfangsdame fragend zu mir auf. Mein letzter Termin war nämlich erst zwei Monate her. »Nei...n. Es ist aber dringend«, stotterte ich nervös. »Ich seh mal nach, was sich machen lässt. Warten Sie kurz hier?«, lugte sie hinter ihrer runden Brille hervor.

»Danke«, nickte ich verhalten. »Ich bin gleich wieder da«, erhob sie sich von ihrem Platz und machte sich daran in Richtung Untersuchungszimmer zu gehen. Je mehr Zeit verging, desto nervöser wurde ich. Ich begann unruhig mit meinem Fuß zu wippen und meine Hände zu kneten. Es dauerte knapp fünf Minuten bis Mrs. Adams wiederkam. So hieß die nette Empfangsdame meiner Frauenärztin. Ich konnte schon an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass etwas nicht stimmte. »Tut mir leid, Ms. Cooper. Dr. Collins meint, dass sie nur warten können, bis die letzte Patientin von heute gegangen ist. Vorher hat sie keine Zeit. Wenn es also dringend ist, ist das der einzige Weg. Ansonsten kommen sie morgen wieder und wir schauen, ob wir noch einen Termin finden«, gab sie wieder, was meine Frauenärztin gesagt hatte.

»Es ist dringend. Ich werde also warten«, rang ich mich dazu durch, ihr ehrlich zu antworten. »In Ordnung. Dann nehmen Sie ruhig Platz. Ich sag Ihnen, wann Dr. Collins Zeit für Sie hat«, schob sie ihre Brille zurecht, durch welche sie mich mitleidig musterte. Sie ahnte wahrscheinlich, dass irgendwas ganz und gar nicht stimmte. Vielleicht sah man es mir auch noch an. Ich folgte Mrs. Adams Worten und setzte mich ins Wartezimmer. Dort zog ich mein Handy hervor und schrieb Scott eine Nachricht. »Warte nicht auf mich und fahr nachhause. Das dauert länger als gedacht.« Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. »Ich fahr nirgends hin. Sag einfach Bescheid, wenn du fertig bist, okay?« Ich haderte kurz mit mir, antwortete schlussendlich doch mit einem »Okay«. Bevor ich noch ein »Danke«, hinterherschickte.

»Nicht dafür Alena.«, war seine Antwort darauf. Da ich nicht wusste, was ich ihm noch schreiben sollte, schaltete ich mein Handy aus und schob es zurück in meine Tasche. Ich lehnte meinen Kopf hinter mir an die Wand, schloss meine Augen und versuchte Ruhe zu bewahren. Ich war hundemüde, kaputt und noch immer verstört. Doch das musste ich heute noch hinter mich bringen. Ansonsten könnte ich das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Obwohl mein Gewissen mir gerade eher sagte, dass ich Lia und Sam vernachlässigte. Doch das stimmte nicht. Oder? Arghh. Dieser Vorfall von heute brachte einfach alles durcheinander. Dabei dachte ich, dass alles nur noch besser werden konnte. Doch scheinbar hatte ich mich gewaltig geirrt. Das wäre ja auch zu schön gewesen.

»Miss Cooper?«, ließ mich das Aufrufen meines Namens aufschrecken. »Ja«, hob ich meinen Blick und sah Dr. Collins höchstpersönlich in der Tür zum Wartezimmer stehen. »Kommen Sie bitte mit«, deutete sie mit ihrem Kopf in Richtung Untersuchungszimmer. Ich sprang von meinem Stuhl und folgte der Ärztin durch die Praxis. Während ich etwas verwundert feststellte, dass noch weitere Patientinnen im Wartezimmer saßen. Die hatte ich anscheinend gar nicht für voll genommen. Dr. Collins öffnete die Tür und ließ mir den Vortritt. Ich trat ein und wartete auf ihre Anweisungen. »Setzen Sie sich doch«, deutete sie auf die Stühle vor ihrem Schreibtisch. Ich tat, wie geheißen und setzte mich. Dr. Collins nahm mir gegenüber Platz und faltete ihre Hände auf dem Schreibtisch.

Chicago BastardWhere stories live. Discover now