Kapitel 8

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Alena

Erstaunlicherweise lag Lia ruhig auf ihrem Bett, während Scott sich auf die Bettkante gesetzt hatte. Ich stand auf der anderen Seite und leitete ihn an, bis er die Schnitte und Kratzer komplett desinfiziert und versorgt hatte. Dabei musste ich leider feststellen, dass seine großen Hände in den Latexhandschuhen wirklich gut aussahen. Noch dazu stellte er sich gar nicht so dumm an, wie befürchtet. An ihm war ein wahrer Arzt verloren gegangen.

Das Einzige, was mich störte, war seine noch immer verhüllte Gestalt. Weil ich es unfair fand, dass er mich komplett sah, ich aber nicht die geringste Ahnung hatte, wie er aussah. Doch ich war mir sicher, dass es einen Grund dafür gab, warum er sich nicht ganz zeigte. Es wurde zwar ständig in den Nachrichten von ihm und seiner Gang berichtet, aber es gab keine Bilder. Nicht ein einziges von ihm. »Hast du hier noch mehr Kratzer?«, zeigte ich bei mir selbst auf meinen Schambereich, nur um sicherzugehen, dass ich nichts übersah. Es dauerte einen Moment, doch dann nickte Lia schüchtern.

»Darf ich es mir ansehen?«, wollte ich sie nicht verschrecken, da ich dafür ihren Slip runterziehen musste. Die Kleine sah zu Scott, als würde sie nach seiner Erlaubnis fragen. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, was es mir sehr schwer machte, einzuschätzen, was er dachte bzw. versuchte ihr mitzuteilen. Doch ihr schwaches Nicken reichte mir. Ich holte mir ebenfalls Handschuhe, zog diese an und setzte mich auf Lias andere Seite. »Du musst keine Angst haben. Ich seh es mir nur mal kurz an«, erklärte ich ihr meine nächsten Absichten, damit sie sich darauf vorbereiten konnte.

Als ich meine Finger zu ihrem Slip wandern ließ, sah ich ihm Augenwinkel, wie das Kind nach Scotts Hand langte und diese fest drückte. Überraschenderweise hob dieser seine freie Hand, legte sie an die Wange des Mädchens und fing mit seinem Daumen an sanft darüber zu streicheln, während er seine Augen nicht von ihrem Gesicht nahm. In leiser Vorahnung, was mich erwartete, schloss ich kurz meine Augen, bevor ich sie erneut öffnete und ihren Slip herunterzog.

Genau wie vorhin, sog ich zischend die Luft ein, als ich ihren Schambereich sah. Er war nicht so zugerichtet, wie ihre Oberschenkelinnenseiten, aber die Kratzer und blauen Flecken in Form einer Hand, verhießen nichts Gutes. Und auch, wenn ich versucht hatte die Realität zurückzudrängen, schlug sie mir jetzt mit voller Macht entgegen. Ich sprach es aber nicht an, während die Kleine noch wach war. Da würde ich nachher mit Scott nochmal in Ruhe drüber sprechen. Vorausgesetzt er verschwand nicht sofort wieder.

»Ich mach es ein bisschen sauber und danach wird es langsam Zeit fürs Bett. Okay?«, richtete ich meinen Blick auf Lia. »Ja«, rieb sie sich die müden Augen. »Okay«, lächelte ich sie mild an, um ihr keine unnötige Angst einzujagen. Dann griff ich mir das Desinfektionsmittel, machte etwas davon auf ein Stück Watte und tupfte vorsichtig die Kratzer ab. Zum Schluss zog Scott ihr einen neuen Slip und eine frische Hose an. Danach brachte ich sie noch ins Bad, um ihr die Zähne zu putzen. Kurze Zeit später schlief sie bereits, weshalb Scott und ich das Zimmer verließen, um den beiden etwas Ruhe zu gönnen.

»Was glaubst du, was mit ihnen passiert ist?«, fragte ich geradeheraus. Doch er schwieg und sagte rein gar nichts. »Du kannst mich nicht mit Schweigen strafen. Bitte. Ich habe eine Vermutung. Aber du musst mir sagen, ob ich richtig liege.« »Und was wäre deine Vermutung?«, wirkte er scheinheilig, als hätte ich eh keine Ahnung von nichts. »Es...«, begann ich zu stottern, weil ich eine solche Angst hatte es auszusprechen und vor allem, dass meine Gedanken der Wahrheit entsprachen. »Kinderhändler, oder?«

Es war frustrierend, dass ich nicht wusste, was er dachte und ob ich richtig lag. Deshalb sagte ich schnaubend: »Kannst du mich nicht wenigstens ansehen, wenn wir miteinander sprechen. Bitte«. »Das würdest du nicht sagen, wenn du wüsstest, warum ich die Kapuze immer trage«, drängte er mich an die Wand hinter mir, damit die Leute an uns vorbeikamen. »Das glaub ich dir nicht«, spürte ich eine Bewegung unter meiner Hand. Als ich auf diese herunterblickte, stellte ich mit Entsetzen fest, dass meine Hand auf seiner breiten Brust lag.

»Entschuldige bitte«, zog ich meine Hand sofort zurück, wobei diese mit voller Wucht gegen die Wand hinter mir knallte. Es tat fruchtbar weh, hoffte aber, dass ich mir davon nichts anmerken ließ. Falsch gedacht. Mit einer solchen Sanftheit griff Scott nach meiner Hand und zog sie vor unsere Körper auf Brusthöhe. Mein Handrücken blutete ein wenig, da die Wand im Krankenhaus Raufasertapete war. »Wie gut, dass ich jetzt weiß, wie man Leute verarztet«, konnte ich sein Grinsen förmlich spüren. »Das geht schon. Du solltest mir lieber meine Frage beantworten«, entzog ich ihm meine Hand.

Ich würde mich erst von ihm verarzten lassen, wenn er mir sein Gesicht zeigte. »Okay. Schön. Ich fürchte du hast recht. Zufrieden?« »Natürlich nicht. Was unternehmen wir dagegen?« »Du unternimmst gar nichts dagegen. Du kümmerst dich um die beiden Kinder und ich erledige das«, ordnete Scott mit strenger Stimme an. Und da ich keine Lust hatte, mit ihm mitten auf dem Gang einen Streit anzufangen, nahm ich seine Worte einfach so hin. »Sieh mal einer an. Wo ist deine große Klappe hin?«, klang er belustigt. »Ich hab für diese unlustigen Witze gerade wirklich keine Nerven. Deshalb wäre ich dir dankbar, wenn du es einfach lassen könntest«, machte sich mit einem Mal meine extreme Müdigkeit bemerkbar.

»Geh nachhause und hau dich eine Runde aufs Ohr«, schlug er ernsthaft vor. »Würde ich gern, aber ich muss arbeiten. So wie die meisten normalen Leute, die ihr Geld nicht mit zwielichtigen Geschäften verdienen«, schleuderte ich ihm entgehen, obwohl ich keine Gewissheit hatte, dass meine Worte wirklich der Wahrheit entsprachen. »Stimmt. Deshalb bin ich ein sehr schlechter Umgang für dich und du solltest dich in Zukunft von mir fernhalten«, schimmerte bei seinen aggressiven Worten, sein wahrer Charakter, so wie ich ihn kennengelernt hatte, durch. »Wahrscheinlich hast du sogar Recht. Aber...«, wurde ich mitten im Satz unterbrochen.

»Cooper! Herkommen!«, brüllte mein Chef durch den ganzen Flur. »Das war dann wohl mein Stichwort«, drehte ich mich gerade von ihm weg, um zu verschwinden, als er mich am Arm zurückhielt. »Lass dir von George meine Nummer geben. Und meld dich, wenn der Junge aufgewacht ist. Am besten, bevor die Polizei oder das Jugendamt hier aufschlagen.« »Warum?«, fragte ich nichts verstehend nach. »Ich benötige noch ein paar Informationen von ihm«, war alles, was er noch hinzufügte, bevor er sich abwand und mich verdattert im Flur stehen ließ.
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Auch wenn es heute schon ziemlich spät ist, wollte ich euch nicht länger ein neues Kapitel vorenthalten.😅

Ich hoffe es gefällt euch.😇

Chicago BastardWhere stories live. Discover now