Kapitel 58

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Alena

»Atlas hat recht Scott. Alena braucht dich gerade. Sie schafft das sonst nicht allein«, tuschelte jemand leise neben mir. Hinzu kam der sanfte Druck den ich sowohl auf meinem Arm als auch an meinem Knöchel spürte. Aber konnte das sein, dass mich jemand berührte. Oder wollten sie mich so verwirren und ablenken, dass ich nicht mitbekam, wie sie mir Manschetten umlegten und mich am Bett festbanden. Allein der Gedanke machte mir Angst. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht, dass sie mich hier festhielten, damit ich nicht zurück zum Ort des Geschehens lief. Meinem dämmrigen Zustand war zuzuschreiben, dass ich mich nicht wehrte, sondern einfach still liegen blieb. »Meinst du wirklich?«, klang Scotts Stimme um einiges entfernter. Vielleicht war er es, der bei meinen Beinen saß und mich festhielt.

»Ich bin mir sicher. Du hast die ganze Scheiße, die Alena die letzten Wochen erlebt hat, mit ihr durchgemacht. Nicht Mum, Nana, Atlas, Rosalie oder ich. Du warst es. Und die einzige andere Person, die dafür höchstens noch in Frage käme, ist auf dem Weg nach Chicago, um Lia und Sam zu finden«, räusperte Heaven sich. Ich hingegen zuckte bei der Erwähnung von Lia und Sams Namen zusammen und stieß einen qualvollen Laut aus. »Sh Alena. Schon gut. Ist schon gut«, wurde der Druck auf meinem Arm stärker. Dann war es wohl wirklich Heaven, die neben mir saß. Die Berührung auf meinem Knöchel verschwand plötzlich, weshalb mir ein leises Wimmern entfuhr, weil ich nicht wollte, dass Scott wieder ging. Ich brauchte ihn. Er konnte nicht einfach wieder gehen. Er sollte mich in den Arm nehmen und mir sagen, dass alles wieder gut werden würde.

Doch das schien eine reine Wunsch-
vorstellung zu sein. Dachte ich zumindest, bis er mir das Gegenteil bewies. Als Bestätigung meinte Heaven noch: »Ich lass euch mal allein. Wenn ihr irgendwas braucht, lasst es uns wissen.« »Danke Schwesterherz«, wurde scheinbar jemand in den Arm genommen. Nur war diejenige nicht ich. Enttäuschung drohte mich zu überwältigen, als die Matratze hinter mir nachgab und mein Körper deswegen nach rechts kippte. Ich hatte einfach keine Kraft mehr. Es war im Moment einfach alles zu viel. »Hey«, legte sich eine Hand auf meinen Rücken, die mich so lange stabilisierte, bis ein warmer, kräftiger Körper hinter mich rutschte. Sich an mich schmiegte. Unaufhaltsam stahlen sich Tränen in meine Augen, als mir bewusst wurde, dass Scott wirklich hier war, um mich in den Arm zu nehmen und zu trösten.

Meine Stimme war im Moment so schwach, dass ich nur ein leises schniefen hervorbrachte. »Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Es ist alles meine Schuld«, brachen all die Vorwürfe, die ich mir selbst machte, ungehalten aus mir heraus. »Sh Alena. Ist okay. Schon okay«, legte Scott mir eine Hand auf den Rücken. »Nein ist es nicht. Ich stand einfach daneben und habe nichts unternommen. Gar nichts«, wurde meine Stimme brüchig. »Das ist auch gut so Alena. Was wenn dir oder dem Baby was passiert wäre?«, drückte sich sein Kopf von hinten gegen meinen. »Ich weiß es nicht«, war meine Stimme nichts als ein leises Hauchen. »Doch. Das weißt du. Das hätten Lia und Sam auch nicht gewollt«, versuchte er mir meine Schuldgefühle zu nehmen. Doch das funktionierte nicht. »Du hättest Lia und Sams Gesichter sehen müssen. Sie hatten solche Angst. Und ich konnte ihnen nicht helfen«, schluchzte ich verzweifelt.

»Vielleicht nicht. Aber ich hol sie wieder zurück und lass die Verantwortlichen leiden«, wirkte seine Wortwahl, als wäre er in Gedanken und würde vor seinem inneren Auge förmlich sehen, was er mit den Typen machen würde. Und verdammt ja. Ich hatte Angst. Als wären die Vergewaltigung und der Einbruch nicht schon genug, kam auch noch eine Entführung hinzu. Ich war das nicht gewohnt. Scott hingegen wirkte gelassen, während ich in Panik verfiel. »Alena«, schob Scott seinen Arm unter meinem Hals hindurch, weshalb ich meinen Kopf anhob und ihn auf seine warme Haut legte. Er hatte den Ärmel seines Pullovers nach oben geschoben, sodass mein Atem auf seine nackte Haut traf. Und scheinbar war ich nicht die Einzige, deren Körper verrückt-
spielte, wenn wir uns nah waren. Das schloss ich jedenfalls aus der Gänsehaut, die sich auf seinem Arm gebildet hatte.

Chicago BastardWhere stories live. Discover now