Kapitel 48

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Alena

Die Fahrt nach Lemont verlief den größten Teil still. Lia und Sam beantworteten Scotts Fragen, während ich schweigend aus dem Fenster sah. Glücklicherweise dauerte die Fahrt nur eine halbe Stunde. Länger hätte ich die unangenehme Atmosphäre auch nicht ausgehalten. Eigentlich war nichts Schlimmes daran, aber die Tatsache, dass Scott und ich über unseren Kuss nicht ein Wort verloren hatten, machte alles so viel komplizierter. Ich wusste nicht, was er dabei empfunden hatte. Von meiner Seite aus, musste ich leider zugeben, dass ich gerade dabei war, mich in den Mann neben mir zu verlieben. Und ich wusste genau, dass das nur auf Einseitigkeit beruhte. Denn die traurige Realität war, dass Scott diese Gefühle niemals erwidern würde. Scheinbar hatte ich wirklich ein Talent dafür mich in Männer zu verlieben, die es nicht ganz so ernst meinten.

»Alena?«, berührte mich eine Hand am Unterarm, was mich zusammenzucken ließ. »Was?«, richtete ich meinen Blick auf Scott. »Komm. Wir sind da«, deutete er auf das Haus vor uns. »Oh. Klar«, wurden meine Wangen vor Scham rot, weil ich völlig in Gedanken war. Noch dazu Gedanken, die Scott besser nicht hören sollte. Scott warf mir noch einen letzten Blick zu, bevor er sich daran machte auszusteigen. Ich folgte seinem Beispiel und stieg ebenfalls aus. Während Scott Sam herausholte, hob ich die schlafende Lia aus ihrem Kindersitz. Doch tragen durfte ich sie nicht. Schon im nächsten Moment stand Scott neben mir und nahm sie auf seine Arme. »Die Taschen hole ich später«, machte er sofort klar, damit ich ja nicht erst auf die Idee kam, sie selbst zutragen.

Anstatt erneut zu protestieren, brachte ich lediglich ein »Danke« heraus. »Los komm. Meine Mum drückt sich gleich die Nase an der Scheibe platt, wenn sie noch länger warten muss«, deutete er auf die wackelnden Gardinen. »Dann los«, nickte ich einverstanden und folgte ihm zur Tür. Wir setzten gerade den ersten Schritt auf die Veranda, als schon die Tür geöffnet wurde. »Hallo ihr vier«, bemerkte sie kurz, bevor sie sich ihrem Sohn widmete. Geistesgegenwärtig reichte er Lia doch an mich, denn schon im nächsten Moment lag Susan in seinen Armen. »Ich freu mich, dass du hier bist«, klang ihre Stimme zittrig. »Ich schätze das war mal wieder fällig«, hielt er seine Mum etwas hilflos in den Armen.

Nachdem sie sich von Scott löste, trat sie auf mich zu. »Ich freu mich sehr, dass ihr mit seid. Ich dachte eigentlich, dass wir uns nicht so schnell wiedersehen. Zum Glück hat sich das nicht bewahrheitet«, verfiel Susan in einen regelrechten Redefluss. »Ähm...Ja. Ich freue mich auch sie wiederzusehen. Und danke, für die Einladung«, senkte ich unsicher den Kopf. »Das ist doch kein Problem Schätzchen«, legte sie mir ihre Hand an die Wange, was sonst eine Mutter bei ihrem Kind tat. Nur das ich nicht ihre Tochter war. Trotzdem fühlte es sich im Moment so an, als wäre ich hier wirklich willkommen. Geradezu als freute sie sich die beiden Kinder und mich hier zu haben. Da Lia noch immer auf meinem Arm schlief, widmete Susan sich Sam. Sie ging vor ihm in die Hocke und begrüßte ihn herzlich.

»Na mein Großer. Ich freue mich, dass du und deine Schwester mit hergekommen seid. Ich glaube euch wird Weihnachten bei uns gefallen«, drückte Sam sich bei ihren Worten an meinen Oberschenkel. Er war mit der Situation ein wenig überfordert. Er verband mit Weihnachten nicht die gleichen Dingen wie wir. Deswegen war das alles neu für ihn und Susans Worte hörten sich dadurch etwas bedrohlich und weniger gut gemeint an. Beruhigend legte ich Sam eine Hand auf den Rücken und zeigte ihm damit, dass er Susan antworten konnte. »Ähm... Ich freue mich auch«, nuschelte er an meinem Bein. »Sind die anderen noch nicht da?«, lenkte Scott die Aufmerksamkeit zurück auf sich. »Nein. Atlas kommt erst gegen Abend und deine Schwester weiß ich nicht, Scott«, lächelte sie ihn warm an.

Bevor der Mann neben mir überhaupt die Chance hatte zu antworten, erklang aus dem Wohnzimmer eine mir unbekannte Stimme. »Hast du gerade Scott gesagt?«, hörte man eilige Schritte und kurz darauf erschien eine alte Frau in der Tür. »Was macht Grams hier?«, klang Scott nicht sonderlich begeistert. »Als ich erzählt habe, dass du Weihnachten herkommst, wollte sie es mit eigenen Augen sehen«, zuckte seine Mum lediglich mit den Schultern. Kaum hatten die Wort ihren Mund verlassen, stürzte sich die alte Frau auf Scott. »Mein kleiner Bengel, du bist aber groß geworden. Wie viele Jahre ist es her?«, kniff sie ihren Enkel in die Wangen, wie bei einem kleinen Kind und ich konnte mir ein leises grunzen nicht verkneifen. Es sah schon irgendwie ulkig aus, wie ein fast 30-jähriger Mann von seiner zwei Köpfe kleineren Grandma geneckt wurde.

Chicago BastardWhere stories live. Discover now