Kapitel 23

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Scott

Ich lag die halbe Nacht wach, während die beiden Kinder und Alena ruhig neben mir schliefen. Ich war es nicht gewöhnt mir mit anderen ein Bett zu teilen, um darin zu schlafen. Normalerweise assoziierte ich Betten immer mit einer Sache. Nämlich Sex. Und ich sprach ganz bestimmt nicht von Blümchensex oder sowas in der Art. Das war nichts für mich. Ganz im Gegenteil. Ich verabscheute es regelrecht. Denn jeder der ausschließlich diese Art von Sex praktizierte, konnte es auch gleich bleiben lassen. Jedenfalls ging es mir so. Das war nämlich auch der Grund, warum ich regelmäßig spezielle Studios aufsuchte.

Ich brauchte jemanden, der sich mir unterwarf und keine Gleichstellung. Dafür war ich viel zu dominant. Ich wusste genau, was ich wollte und wie ich bekam was ich wollte. Nanntet es Egoismus. Ich nannte es lieber jahrelange Lebenserfahrung und Unterdrückung. Dafür könnte ich meinen Vater, wenn er noch leben würde, heute noch umbringen. Ich wurde mein ganzes Leben lang unterdrückt und gedemütigt. Das war wahrscheinlich auch der Hauptgrund, warum ich so geworden bin, wie ich jetzt eben war. Sehr dominant, etwas herrisch und furchtbar impulsiv. Es reichte lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein, der das Ganze zum überkochen brachte.

Da ich es einfach nicht mehr aushielt weiter still liegen zu bleiben, schwang ich die Beine aus dem Bett. Ich warf noch einen letzten prüfenden Blick auf die drei friedlich schlafenden Gestalten, bevor ich mich daran machte, dass Schlafzimmer zu verlassen. Mit der Intension eine rauchen zu gehen, machte ich mich auf den Weg zum Balkon. Danach konnte ich mir immer noch überlegen, wie es weiterging. Entweder ich legte mich zurück ins Bett und provozierte damit, vollends durchzudrehen. Oder ich fläzte mich nach meiner Zigarette wieder aufs Sofa, damit ich allein schlafen konnte. Die dritte Möglichkeit, welche mir eigentlich am besten gefiel, kam nun mal nicht in Frage. Denn auch wenn ich Alenas überaus dummen Idee zugestimmt hatte, würde ich alles dafür geben, dass sich diese nicht bewahrheitete.

Mochte sein, dass sie sich Sex mit mir etwas weniger langweilig vorstellte. Aber für die Realität war sie keineswegs gewachsen. Das würde sie kaputt machen. Auch, wenn sie tapfer und mit größter Mühe versuchte, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
Auf dem Balkon angelte ich meine Zigaretten aus der Hosentasche. Ich musste mich dringend ablenken, bevor meine Gedanken noch weiter abdrifteten. Das durfte ich nicht zulassen. Das würde für uns alle böse enden. Ich stützte mich mit meinen Unterarmen auf dem kalten Geländer vor mir ab, während ich den giftigen Rauch meiner Zigarette inhalierte. Denn dies war eins der wenigen Dinge, die mich runterbrachten, wenn ich kurz vorm durchdrehen war. Neben einer Session Hardcore Sex. Und meiner Mum.

Auch, wenn das gerade nicht wirklich auf die jetzige Situation passte. Allein dieser absurde Gedanke ließ mich unwillkürlich schmunzeln. Mit zwischen den Lippen geklemmter Zigarette fuhr ich mir durch die Haare. Ich sollte meine Mum demnächst mal wieder besuchen. Am besten ich bestellte auch gleich meinen Bruder mit dahin. So würde ich jedenfalls zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Und das lag schon eher in meinem Interesse. »Scott?«, riss mich eine zarte Stimme aus meiner Planungsphase. Doch umso mehr ich darüber nachdachte, umso bewusster wurde mir, dass es überhaupt keine gute Idee war, dass Alena allein hier rausgekommen war. Ganz und gar nicht. »Was willst du?«, versuchte ich sie deshalb mit möglichst harschem und unfreundlichen Ton abzuwimmeln.

Sie schien den Wink mit dem Zaunpfahl nicht zu verstehen. Denn anstatt, dass sie sich wieder aus dem Staub machte, trat sie an mich heran und lehnte sich, noch immer in nichts als ihrem Satinnachthemd bekleidet, neben mich ans Geländer. »Als ich wach geworden bin, warst du nicht da. Ich dachte vielleicht, dass du gegangen bist«, verlor sich die Lautstärke ihrer Stimme beinah im nächtlichen Lärm der Stadt. Man hörte gedämpfte Musik, aus einigen Clubs, bei denen man sich sicher sein konnte, dass man nach einem dortigen Besuch schwerhörig sein würde. Der nächtliche Verkehr, welcher, trotz, dass es vier in der Früh war, dazukam, tat sein Übriges. »Ich wollte nur eine rauchen«, hielt ich ihr, ohne nachzudenken, meine Zigarette hin. »Nein danke«, schüttelte Alena den Kopf.

Chicago BastardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt