Kapitel 56

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Alena

Sie waren weg. Einfach verschwunden. Dabei dachte ich wirklich, dass sie hier bei uns, weg von Chicago, in Sicherheit waren. Falsch gedacht. Es hatte alles nichts gebracht. Lia und Sam waren weg. Ich hatte sie nicht beschützt. Ich war nicht dazwischen gegangen als die Männer die beiden gepackt und mitgenommen hatten. Obwohl das nicht ganz stimmte. Ich wollte dazwischen gehen, aber Heaven hatte mich zurückgehalten. Sie meinte ich sollte es nicht riskieren, dass er auf mich schoss und damit vielleicht mich und mein... unser Baby tötete. Denn die beiden waren bewaffnet gewesen. Aber das wäre mir egal gewesen verdammt. Ich wäre gern für die beiden gestorben. Hauptsache sie hätten nicht wieder an diesen grauenvollen Ort zurück gemusst, wo sie herkamen.

Aber jetzt war es zu spät. Ich hatte versagt. Die panische Angst in ihren unschuldigen Kinderaugen zu sehen, hatte mir das Herz gebrochen. Und ich war mir sicher, dass mich diese Bild bis zu meinem Tod in meinen Träumen verfolgen würde. Seitdem geisterte mir nur ein Gedanke durch den Kopf. Es war allein meine Schuld. Wenn ihnen etwas zustieß, war es allein meine Schuld. Weil ich Feigling mich hatte von Heaven zurückhalten lassen. »Verdammt!«, sackte ich einfach auf den Boden. »Es ist meine Schuld. Es ist allein meine Schuld«, schlug ich mir gegen den Kopf. Ich konnte keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Wäre Scott mitgekommen, wäre das alles vielleicht nie passiert. Die Kinder wären noch bei uns und hätten nicht solch panische Angst, was ihnen als nächstes passierte.

»Alena! Sieh mich an«, hob Heaven mein Kinn an. »Es ist nicht deine Schuld hörst du. Du darfst dir daran nicht die Schuld geben«, konnte ich ihr Gesicht vor meinen Augen nicht sehen. Mir liefen Sturzbäche von Tränen über die Wangen, dass ich alles nur sehr vage und verschwommen wahrnahm. »Doch. Es ist alles meine Schuld«, schluchzte ich, wie ein verwundeter Schlosshund. »Nein«, schlug sie mir leicht gegen die Wange. Erschrocken hob ich meine Hand und hielt sie mir an mein Gesicht. »Du hast mich geschlagen«, wurden meine Sorgen mit einem Mal von dieser Erkenntnis überlagert. »Nein. Ich habe dir einen leichten Klaps gegeben. Und jetzt steh auf, die Leute schauen schon alle ganz komisch«, zog sie mich an meinem Arm auf die Beine.

Mir war vollkommen egal gewesen, dass ich mitten auf dem Gehweg in der Stadt zusammengebrochen war. Meine Gedanken waren einfach so laut und düster, dass ich mich nicht dagegen wehren konnte. Ich hatte einfach nicht die geringste Chance. Den Rückweg über klammerte ich mich wie eine Ertrinkende an Heavens Arm fest. Sie gab mir den nötigen Halt, um nicht sofort wieder zusammenzubrechen. Rosalie, die die ganze Situation ebenfalls mitbekommen hatte, war kreidebleich geworden. Und ich war gerade so froh darüber, dass Susan und Darleen sich vorhin in ein Café gesetzt hatten und von all dem nichts mitbekamen. Sawyer hatte mir eine Hand auf den Rücken gelegt und dirigierte uns durch die belebten Straßen.

Ich gab im Moment einen Scheiß darauf, wie ich aussah. Verquollene Augen, aus denen noch immer unaufhaltsam Tränen flossen, verschmiertes Make-Up, verwuschelte Haare und am ganzen Leibe zitternd. Mit einem Mal überkam mich der Drang, dass ich zurück musste, weshalb ich mich losriss, und die andere Richtung einschlug. »Wo willst du hin Alena?«, rief Heaven mir noch hinterher. Doch ich machte mir gar nicht erst die Mühe mich umzudrehen, sondern rannte, von ungeheuren Kräften angetrieben, einfach weiter. »Hier geblieben«, packte mich ein Arm an der Hüfte und stoppte mich. »Lass mich los. Ich muss zurück«, wehrte ich mich gegen meinen Angreifer. »Alena. Ganz ruhig«, legte sich ein zweiter Arm um meine Taille und zog mich an einen harten Körper hinter mir.

»Sh«, strich mir eine große Hand meine verschwitzten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Kaum hatte mich meine unvorhergesehene Kraft wieder verlassen, sackte ich erneut zusammen. »Sie sind weg«, schüttelte ich ungläubig den Kopf. Ich drehte mich in Sawyers Armen um und drückte mich an seine Brust. »Sh. Ist schon okay. Beruhig dich Alena«, legte er eine Hand schützend an meinen Hinterkopf. »Gehen wir nachhause«, löste Sawyer sich nach einer Weile, in der ich mich allmählich wieder beruhigt hatte, von mir, um mich vorwärtszuschieben. Heaven trat erneut neben mich und hakte sich bei mir unter, während ich meinen Kopf auf ihre Schulter legte. So liefen wir, jeder in seinen eigenen Gedanken gefangen, zum Haus der Devons zurück.

Chicago BastardDonde viven las historias. Descúbrelo ahora