Kapitel 5

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Scott

Ich zuckte überrascht zusammen, als sich aus dem Nichts ein Gewicht an mein Bein klammerte. Als ich nach unten sah, erblickte ich das kleine Mädchen aus dem Krankenhaus. Ich fragte mich gerade, wie sie um diese Uhrzeit hierherkam, als ich die Lösung hinter mir hörte. Zuerst waren es nur Schritte, bis eine schüchterne Stimme die Nacht durchbrach. »Es tut mir unglaublich leid Sir. Normalerweise überfällt sie nicht einfach fremde Leute«, nuschelte sie eine leise Entschuldigung. Statt jedoch auf die Worte der Frau hinter mir einzugehen, löste ich das kleine Mädchen von meinem Bein und ging vor ihr in die Hocke.

»Ich übernehme die volle Verantwortung. Aber bitte tun Sie ihr nichts. Sie ist doch noch so klein«, verfiel das erwachsene Mädchen wahrlich in Panik. Aber wahrscheinlich konnte sie sich denken, wen sie vor sich hatte, da sie die Geschichten ebenfalls kannte. »Du sprichst wohl immer noch nicht?«, wandte ich mich dem Kind zu. »Sie wird Ihnen nicht antworten Sir. Sie kann nämlich nicht sprechen«, versuchte die Krankenschwester das Verhalten des Mädchens zu rechtfertigen.

»Sie lässt euch alle in dem Glauben, dass sie nicht sprechen kann. Nur ist das nicht die Wahrheit. Stimmts?«, sah ich dem kleinen Mädchen in die Augen, während ich ihr eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht strich. »Wie bitte? Woher wollen Sie das wissen?«, klang ihre Stimme ziemlich hoch. In dem ich mich mit dem Mädchen auf dem Arm umdrehte, offenbarte ich ihr, wer ich war. Naja. So halb. Denn meine Kapuze war immer noch weit in mein Gesicht gezogen. Ich sah trotzdem, wann das braunhaarige Mädchen mich erkannte.

»Sie sind der Mann aus dem Krankenhaus«, fing sie an zu stottern. »Abstreiten wäre wohl sinnlos. Oder?« »Ähm...«, wusste sie nicht so recht, was sie dazu sagen sollte. Der Unglauben in ihren Augen verwandelte sich schnell in Wut. »Dann sind sie der Typ, der mich zu einem Quickie überreden wollte, als Gegenleistung für ein paar Informationen.« »Erwischt«, stellte ich kühl fest. »Sie...sie...«, kam sie nicht dazu ihren Satz zu beenden, da ich auf sie zustürmte, ihren Mund zuhielt und sie an die nächstgelegene Wand drückte. »Ich würde den Satz an Ihrer Stelle lieber nicht beenden«, knurrte ich bedrohlich.

Was ich allerdings nicht kommen sah, war die schallende Ohrfeige, die sie mir verpasste. Voller Zorn drehte ich meinen Kopf wieder in ihre Richtung, wobei mir nicht entging, dass sie schwer schluckte und die pure Angst sich in ihrem Gesicht breit machte. Sie wusste also genau, was sie gerade getan hatte. Nur besann ich mich darauf, sie nicht vor den Augen des kleinen Mädchens zu verprügeln. »Es tut mir leid... Ich... ich...«, brach das braunhaarige Mädchen gleich in Tränen aus. Sie wollte erneut ansetzen etwas zu sagen, als ich ihr meinen Zeigefinger auf die Lippen hielt und ihr mit einem: »Sh« zu verstehen gab, dass sie leise sein sollte.

Sie sah mich aus großen Augen an, widersetzte sich mir aber nicht. »Du nimmst jetzt das Mädchen und gehst mit ihr dort rein«, deute ich auf die dunkle Gasse neben uns. »Auf gar keinen Fall...«, sah sie angsterfüllt in den stinkenden Spalt. Himmelherrgott! Wo war ich da nur wieder reingeraten? »Tu einfach, was man dir sagt, wenn dir dein Leben lieb ist. Und jetzt Abmarsch«, ordnete ich harsch an, dass sie sich nicht nochmal traute zu widersprechen.

Nachdem sie mit der Kleinen verschwunden war, wandte ich mich wieder der Richtung zu, aus der die Stimmen kamen. Ich wusste, wer das war. Immerhin hatte ich dieses Treffen vereinbart. Es hätte ja keiner ahnen können, dass diese nervige Krankenschwester mit dem kleinen Mädchen hier auftauchte. »Devon!«, rief Java aus einiger Entfernung meinen Namen. »Java«, kam ich ihm ein paar Schritte entgegen, um ihn möglichst weit von der Gasse wegzulocken, in der wahrscheinlich zwei völlig verängstigte Mädchen saßen.

»Hast du meine Drogen?«, wollte er sofort von mir wissen. »Ja. Die bekommst du aber erst, nachdem ich meine Informationen habe«, erinnerte ich ihn daran, wer hier das Sagen hatte. Denn das war garantiert nicht er. »Was hast du herausgefunden?«, wurde ich langsam ungeduldig. »Soll ich ehrlich zu dir sein«, bedachte er mich mit einem aufmerksamen Blick. »Natürlich«, schnaubte ich genervt, weil ich nicht fassen konnte, was er mir gerade für eine äußerst dumme Frage gestellt hatte.

»Absolut gar nichts. Ich hab überall nachgefragt. Selbst eventuelle Verdächtige festgenommen und verhört. Niemand hat von diesem Kinderhändlerring auch nur das Geringste gehört«, offenbarte er mir genau die Worte, die ich nicht hören wollte. »Dann grab weiter und verpiss dich«, warf ich ihm seine Drogen entgegen. »Verstanden Boss.« »Das will ich für dich hoffen«, grinste ich ihn boshaft an. Weshalb er sofort seinen Schwanz einzog, sich aus dem Staub machte und seine Handlanger gleich mitnahm.

Danach machte ich mich daran in die Gasse zu kommen. Im ersten Moment dachte ich die beiden hätten nicht auf mich gehört, bis ich sie in der dunkelsten Ecke hinter einem Müllcontainer entdeckte. »Ihr könnt wieder rauskommen. Die Luft ist rein. Noch dazu glaube ich, dass es langsam Zeit wird zurückzugehen«, erinnerte ich sie erneut daran, dass sie hier nichts zu suchen hatten. Vor allem nicht um diese Uhrzeit. Das große Mädchen erhob sich mit dem Kleinen auf den Arm.

»Danke Devon.« »Scott«, korrigierte ich sie. Hätte mir im nächsten Moment aber schon am liebsten die Hand vor den Kopf geschlagen, da ich ihr meinen richtigen Namen verraten hatte. »Okay«, nickte sie schwach. »Ich bin übrigens Alena.« »Ich weiß«, antwortete ich nüchtern, obwohl es mich ehrlich gesagt ein wenig überraschte. George hatte mir zwar erzählt, dass sie die beiden Kinder übernommen hatte, aber so richtig glauben wollte ich es nicht. Alena sah mich zwar verwirrt an, fragte aber nicht, woher ich ihren Namen kannte. Sie konnte wahrscheinlich eins und eins zusammenzählen und wusste, dass ich meine eigenen Kontakte hatte.

»Wir sollten wohl langsam gehen«, versuchte sie sich der Situation zu entziehen. »Gleich. Ein was will ich noch herausfinden«, hielt ich sie auf. Dann sah ich das kleine Mädchen aufmerksam an. »Jetzt musst du uns nur noch deinen Namen verraten.« »Hast du vergessen, dass sie nicht sprechen kann?« »Vertrau mir. Sie spricht. Ziemlich gut sogar, für ihr Alter«, wimmelte ich Alena ab, während ich mich wieder dem Kind widmete. »Also? Wir warten auf eine Antwort«, musterte ich sie eindringlich. Ihr Blick huschte von mir zu Alena, bevor sie schließlich den Mund öffnete, um mir zu antworten.

»Lia«, klang ihre Stimme kindlich zart. »Ist das dein richtiger Name?«, kam es diesmal von Alena. Nur antwortete Lia nicht, sondern schüttelte lediglich den Kopf. »Gib mir drei Versuche, um deinen richtigen Namen zu erraten und du sagst mir, wenn ich richtig liege. Einverstanden?«, streckte ich ihr meine Hand entgegen, in die sie einschlug. »Gut«, musterte ich sie aufmerksam von oben bis unten. »Wie wärs mit Aurelia?« Stilles Kopfschütteln. »Giulia.« Erneutes Kopfschütteln. »Gut. Einen Versuch noch«, legte ich meine Finger an mein Kinn und tat so als würde ich angestrengt grübeln.

Meine Geste ließ Lia leise kichern und entlockte sowohl Alena als auch mir ein mildes Lächeln. »Emilia«, sagte ich nach einem letzten Blick in ihre braunen Augen. »Ja«, nickte die Kleine schüchtern. »Wusste ich es doch, dass ich deinen Namen errate«, grinste ich verschmitzt. »Wie sollen wir dich nennen?«, dachte Alena schon einen Schritt weiter. »Lia.« »Okay«, lehnte das große Mädchen erschöpft ihren Kopf an den des Kleinen. Alena wirkte völlig ausgelaugt und übermüdet, weshalb ich, ohne groß darüber nachzudenken, begann zu sprechen. »Ich fahr euch noch zurück ins Krankenhaus«, gab ich Alena mit einem Blick zu verstehen, dass sie mir gar nicht erst widersprechen brauchte. Das würde eh nichts bringen. Da ich sowieso gewann. Immer!
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Es tut mir wirklich leid😪, dass erst jetzt ein neues Kapitel kommt. Ich hab momentan Praktikum und die Tage sind wirkich anstrengend, weshalb ich abends immer zeitig ins Bett bin und nicht mehr daran gedacht habe.

Ich hoffe ihr seid nicht allzu enttäuscht.😅

A/N: Ich bemühe mich ab jetzt immer pünktlich ein neues Kapitel hochzuladen. Bei 5 🌟 und 3 Kommentaren gibt es das Nächste. 😇

Chicago BastardKde žijí příběhy. Začni objevovat