Kapitel 55

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Scott

Es waren alle bis auf Atlas und ich mit in die Stadt gegangen. Wir beide hatten keine große Lust gehabt. Und da Mum heute so gute Laune hatte, erlaubte sie es uns sogar. »Dich hätte es wirklich schlechter treffen können«, begann er plötzlich zu sprechen. »Mit was?«, erwiderte ich ein wenig ahnungslos. »Ich meine mit Alena. Ich habe das vorhin ernst gemeint. Sie ist perfekt. Vor allem für dich. Sie widerspricht dir und tritt dich in den Arsch, wenn du Sturkopf mal wieder geradewegs mit dem Kopf durch die Wand willst«, schwärmte er von Alena, was mir ein wenig missfiel. Bei seinem Tonfall könnte man glatt denken, dass er auf sie stand. »Und ich hoffe für dich, dass du dich das nächste Mal ein wenig zurückhälst. Du hast Rosalie«, schnaubte ich.

»Jetzt halt mal die Luft an. Ich steh nicht auf deine Kleine. Du dafür aber umso mehr. Und sie hat auch nur Augen für dich. Du musst dir also keine Sorgen darüber machen, dass sie mich gut finden könnte. Außerdem würde ich Rosalie nicht verlassen. Niemals. Vielleicht denkst du später auch mal so«, goß er eine Tasse Kaffee ein, die er mir über die Theke schob. Ich nahm sie dankend entgegen und trank auch gleich einen großen Schluck. »Vielleicht irgendwann«, sah ich nachdenklich durch das Küchenfenster in den Garten. »Worüber denkst du nach?«, stieß er meine Hand mit seiner an. Atlas stand mir gegenüber auf der anderen Seite der Küchentheke und hatte sich dagegen gelehnt. »Wie mein Leben in 8 Monaten aussieht«, war ich so in Trance, dass ich, ohne nachzudenken sprach.

»Warum? Was ist passiert?«, stupste mein Bruder mich abermals an, als ich erneut kurz davor stand mit meinen Gedanken abzudriften. »Alena ist schwanger«, verließen die Worte unüberlegt meinen Mund. »Wie bitte?«, verschluckte sich mein Bruder an dem Kaffee, den er gerade getrunken hatte. »Alena ist schwanger und ich werde Vater«, wiederholte ich meine Worte. »Das ist wirklich lustig«, boxte er mir in den Oberarm. Doch als ich nicht zu lachen begann, erstarb seins ebenfalls. »Du meinst das ernst?«, fragte er entsetzt. »Sehe ich aus, als würde ich Witze machen?«, fuhr ich mir durch die Haare. »Nein«, antwortete mein Bruder sachlich nüchtern. »Wie ist das denn passiert?«, schwang er sich auf die Küchentheke. »Soll ich dir jetzt wirklich erklären, wie ein Kind gezeugt wird? Wo du doch schon selbst eins hast«, versuchte ich meine Überforderung gekonnt zu überspielen.

»Danke kleiner Bruder. Aber das musst du mir nicht erklären. Obwohl ich gern hören würde mit welchen Worten du das ganze umschreibst. Vielleicht mit Bienchen und Blümchen?«, wollte er die angespannte Stimmung auflockern. Was nicht wirklich funktionierte. »Aber jetzt mal ernsthaft. Wie konnte das passieren? Du bist sonst immer übervorsichtig, was Verhütung angeht. Normalerweise schläfst du mit keiner Frau, die nicht die Pille nimmt oder irgendwie anders verhütet. Hinzu kommt, dass du auch immer ein Kondom benutzt, damit sowas eben nicht passiert. Wieso dieses Mal nicht? Was war anders? Warum hast du deine strikten Regeln für Alena gebrochen?«, musterte er mich eingehend. »Ich hab sie nicht absichtlich gebrochen. Es ging alles einfach so furchtbar schnell, dass ich nicht mehr daran gedacht habe«, antwortete ich ihm ehrlich.

»Weißt du, was ich glaube?«, grübelte Atlas. »Was?«, durchbohrte ich ihn mit meinem Blick. »Vielleicht hast du daran gedacht, aber es nicht für so wichtig empfunden.« »Warum glaubst du das?«, runzelte ich nichts verstehend die Stirn. »Weil du viel zu ruhig reagierst. Du bist normalerweise so impulsiv und aufbrausend, wenn dir etwas nicht passt. Bei dieser Sache allerdings nicht. Du bist die Ruhe in Person. Und das passt eigentlich nicht zu dir. Außer...«, spannte er mich absichtlich auf die Folter. »Außer?«, wippte ich ungeduldig mit dem Fuß. »Du bist bereit dafür Vater zu werden und hast eigentlich nur darauf gewartet, dass du die Richtige findest. Ich glaube nämlich, dass sich der Gedanke, endlich sesshaft zu werden, in deinem Kopf eingenistet hat. Und es dir nicht mal halb so viel Angst macht, wie du eigentlich immer angenommen hast. Denn eins kann ich dir sagen. Es verändert einen. Komplett. Und du kannst dich nicht dagegen wehren. Egal was du denkst. Wie stark du sonst bist«, beendete er seine Rede.

Chicago BastardWhere stories live. Discover now