Kapitel 64

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Alena

Nachdem ich die Wunden der Kinder versorgt und sie etwas gegessen hatten, brachten wir sie erstmal in Sams Kinderzimmer. Dort legten wir sie hin, ich erzählte ihnen noch eine schöne Geschichte und wartete, bis sie eingeschlafen waren. Bei Lia und Sam dauerte es ein wenig länger, bis sie endlich schliefen, weil ihnen Scotts Verlust sehr ans Herz ging. Die anderen Kinder kannten ihn nicht. Doch das war bei meinen beiden anders. Deswegen war es kein Wunder, dass ich mich zusammen mit ihnen ins Bett legte, sie in meine Arme zog und beruhigend über ihre kleinen Körper streichelte. »Was haben sie mit euch dort gemacht?«, flüsterte ich ihn die Stille. Mehr an Sam gewandt, weil dieser noch wach war. »Sie haben uns gefesselt und in eine Zelle zu den anderen Kindern geworfen. Zu mehr war zum Glück keine Zeit, weil Scott so schnell da war«, klang seine Stimme gebrochen.

»Es tut mir leid Sammy. Ich habe zugelassen, dass sie euch mitnehmen«, streichelte ich sanft über seine Schläfe. »Sie haben uns von dem Baby erzählt«, sah er nachdenklich auf meinen Bauch herunter. »Ich wollte es euch erzählen. Aber... es ist alles noch so frisch und ich wollte nichts überstürzen. Verstehst du?«, griff ich seine Hand, die unschlüssig über meinem Bauch schwebte und legte sie auf diesen. »Ja. Aber wir müssen nicht wieder ins Heim deswegen, oder?«, stoppte seine Hand abrupt. »Natürlich nicht mein Schatz. Wir sind in ein paar Monaten zwar zu viert. Aber ich würde euch deswegen niemals zurück ins Heim geben. Das verspreche ich dir Sammy«, zog ich ihn näher an mich heran, um ihn einen Kuss auf die Wange zu drücken. »Danke Alena«, kuschelte er sich fester an mich. »Nichts zu danken. Wir stehen das gemeinsam durch und halten zusammen. Egal, was kommt«, flüsterte ich ihm leise zu.

»Okay«, nickte er einverstanden. »Versuch jetzt ein bisschen zu schlafen. Wenn was ist, kommt ihr ins Wohnzimmer. Ich komme nachher mit zu euch, ja?«, streichelte ich ein letztes Mal durch seine Haare, bevor ich mich vorsichtig von ihm löste und aufstand. »Ja«, setzte er sich nochmal auf, um mir einen Kuss auf die Wange zu drücken. »Ich hab dich lieb«, wisperte er. »Ich euch auch«, gab ich ihm einen letzten Kuss, bevor ich mich vom Bett entfernte und das Zimmer verließ. Danach setzten wir uns zusammen ins Wohnzimmer und erlaubten uns um Scott zu trauern. Er hatte sein Leben für die der Kinder geopfert. Dabei war er immer davon überzeugt gewesen, dass er kein Herz besaß. Doch das genaue Gegenteil war der Fall. Er besaß nicht nur ein Herz. Seins war sogar so groß, dass ihm alle anderen wichtiger als er selbst waren.

»Was ist denn genau passiert?«, hatte sich Heaven an Sawyer geschmiegt, ihre Hand mit seiner verflochten und blickte fragend in die Runde. Ihre Augen waren verquollen und ihre Nase ganz rot vom Weinen. Ich hielt die heiße Teetasse fest umklammert und wartete gespannt auf die nächsten Worte, während ich immer noch verzweifelt versuchte die Fassung zu bewahren. Ich hatte mich vorhin auch sehr schwer getan vor Lia und Sam die starke, unerschütterliche Alena zu spielen. Das konnte ich nicht. Wenn man es nämlich genau nahm, war Scott nur wegen mir gestorben. Hätte ich die beiden Kinder nicht unbedingt zu mir holen müssen und Scott nicht dazu genötigt mir zu helfen, wäre er jetzt noch am Leben. Und Heaven und Atlas hätten nicht diesen Verlust zu ertragen.

Denn das schlimmste stand ihnen noch bevor. Immerhin hatten sie Susan noch nicht informiert. Das würden sie ebenfalls morgen machen, wenn wir alle eine Nacht darüber geschlafen hatten. Und natürlich hatten wir alle einen geliebten Menschen verloren. Die einen kannten ihn sein ganzes Leben. Ich Scott lediglich ein paar Monate. Aber diese kurze Zeit hatte ausgereicht, um meine Welt komplett auf den Kopf zu stellen. Inklusive dem Gefühlschaos und all den Ereignisse der letzten Wochen. Doch dieser ganze Scheiß, der mir passiert war, hatte sich gelohnt. Allein schon, weil Scott in mein Leben getreten war. Die paar schönen Momente, die wir hatten, machten all das böse wieder wett. Und jetzt war er einfach nicht mehr da. Und es war meine Schuld. Und die Tatsache, dass das Baby in meinem Bauch keinen Vater haben würde, der es aufwachsen sah und sich um unser kleinen Racker kümmerte, stimmte mich mehr als traurig.

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