Wenn Gedanken Flügel wachsen...

Das Abenteuer

Es war einmal eine Frau, die sich ganz klein fühlte, obwohl sie schon eine winzige Ahnung davon hatte, wie groß sie eigentlich war. Doch es war schwer für sie, an diesem Wissen festzuhalten, weil eine große, dicke, fette Wolke sie erdrücken wollte. Nichts lief so, wie sie geplant hatte: Ihre Ehe kränkelte immens, im Job lief es nicht so und ihr Vertrauen in die Welt - und die Menschen -hatte gelitten.

So trug es sich zu, dass sie für sich beschloss - nachdem sie von ihrer Tochter immer wieder dazu gedrängt wurde - auf ein Abenteuer zu gehen. Sie war fest davon überzeugt, dass es nur scheitern konnte, denn wer würde ihre Gedanken und Geschichten schon lesen wollen und das auch noch in den Weiten des Internets, auf einer sozialen Plattform, wo oft so viel Ungutes passierte?

Trotzdem trug sie ihre neue E-Mail-Adresse mit den beiden Namen, die für ihre Geschichten und fortan auch für sie standen, in das dafür vorgesehene Feld ein und suchte sich ein Passwort. Sie füllte mit rasendem Puls ihr Profil aus, suchte Bilder, die sie repräsentieren würden und lud die ersten Kapitel zwei ihrer Bücher hoch. Das Schreiben - und Lesen - vermochte sie stets in neue Welten zu katapultieren und erfüllte sie mit Zufriedenheit. Und die konnte sie in jenem Moment brauchen.

Während sie schon studierte, wie sie mit anderen Menschen auf der Plattform in Kontakt kommen konnte, traf sie auf einen User, der mit seinem Projekt unbekannte Autoren vorstellte. Sie bewarb sich dort um einen Platz und stellte einen Haufen dummer Fragen, weil sie im Grunde gar nicht wusste, wie die Plattform anzuwenden war. Schon da stutzte sie zum ersten Mal: Es wurde nicht gelacht über ihre Ahnungslosigkeit, sondern ihr wurde ohne großen Wirbel geholfen.

Das überraschte sie, doch je mehr sie in die Plattform eintauchte, umso mehr wurde ihr der Zauber eben jener bewusst: Hier herrschte ein ganz anderer Umgang untereinander, als sie das von anderen Social Media kannte. Man half sich gegenseitig mit Kommentaren zu den Werken der anderen, hatte freundliche Worte und nützliche Tipps füreinander übrig und schätzte den Mut jedes einzelnen, seine Gedanken und Storys zu teilen.

Schon bald stellte sie fest, dass andere ihre Geschichten sogar mochten, auch, wenn sie von perfekt weitab waren und genoss auch selbst immer mehr, in die Zeilen der Fremden einzutauchen, denen sie sich schon wenig später immer näher fühlte. Immer öfter schlich sich ihr Lächeln zurück auf ihr Gesicht, wenn sie die Nachrichten der User las, die sich in den Kommentaren oder auch in ihrem privaten Posteingang häuften.

Die Wolke über ihr wurde zusehends kleiner, jeden Tag ein bisschen mehr, je mehr Menschen sie in der Community begegnete. Viele wuchsen ihr ans Herz, weil sie mit ihnen reden, lachen, scherzen und diskutieren konnte, wie selten zuvor in ihrem Leben. Zusammen mit ihren neugewonnenen Freunden machte sie sich auf den Weg in ein anderes Abenteuer. Dabei stieß sie auf viele offene Ohren und noch mehr wohlwollende, bekräftigende Worte.

Und sie wuchs! Aus der kleinen, unsicheren Frau war eine geworden, die wieder wusste, was sie wert war und auch dafür einstehen konnte. Das empfand und empfindet sie auch heute noch als riesiges Geschenk. Drum sitzt sie genau jetzt vor ihrem Monitor und ihre Fingern fliegen über die Tastatur, während ein Lächeln auf ihren Lippen liegt. Damit sie ihren Gefühlen und Gedanken ein weiteres Mal mit eben jenen teilen kann, in dem sie folgendes schreibt: Die letzten 365 Tage waren...

D urchgeknallt
A nders
N euland
K omisch
E hrfurchtsvoll

E inmalig
U nfassbar
C haotisch
H armonievoll

und noch viele andere Dinge mehr, die ihr jetzt nicht einfallen.

Und wenn sie nicht gestorben ist - was irgendwie offensichtlich ist, weil sie weiterhin grinsend Text eingibt - dann wird sie euch auch die nächsten 365 Tage und hoffentlich noch ein paar mehr, immer wieder sagen, wie glücklich sie ist, dieses Abenteuer bestritten und Freundschaft gefunden zu haben.

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