Quälender Lichtschein

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Sie lief durch die kalte Nacht, in der noch alles nach Regen roch und schlang die Arme um sich. Es war trocken jetzt, doch die Kühle legte sich wie ein Verband um ihr Innerstes, das weiterhin brannte. Darum war sie losgelaufen, einfach raus aus der Wohnung, wo das Kissen noch nach ihr duftete und die Fotos an den Wänden sie verhöhnten. Wobei ihr Geruch langsam verflog, egal, wie sehr sie ihn versuchte festzuhalten, indem sie ihr Deo auf das Kissen sprühte, um überhaupt schlafen zu können.

Sie waren ein schönes Paar. Leyla war nach wie vor ihre Traumfrau. Doch nun war sie weg. Der Schmerz über diese Tatsache ätzte weiterhin Löcher in ihre Eingeweide. Wie so oft fragte sie sich, ob sie es hätte erahnen müssen. Dass Leyla die Welt zu klein geworden war, die sie um sie beide herum gebaut hatte.

Doch alles, was ihr Hirn flutete, waren die schönen Erinnerungen, die in denen Leyla sie anstrahlte, als wäre sie die Welt. Als wäre sie genug für immer und für ewig. Doch dem war nicht so. Sonst würde sie nicht alleine durch diese Nacht laufen, sondern Leylas warme Hand in ihrer fühlen, während die Kälte vor ihren Mündern kondensierte zu kleinen Wölkchen.

‚Schnuffelwölkchen', dachte sie automatisch und ein Stich durchfuhr sie, als sie sich daran erinnerte, dass Leyla die so nannte.

Ein Lachen ertönte in der Nähe und ihr Herz krampfte sich aufs Neue schmerzhaft zusammen, schnürte ihr die Luft ab, nur, weil es so ähnlich klang, wie das von Leyla. Leylas klang einen Ticken heller, aber ansonsten war es das gleiche Hihihahahuhihi. Sie hatte zuvor noch nie so ein schönes Lachen gehört, wie das von Leyla. Es hatte sie von Anfang bezaubert, als sie die hübsche Brünette zum ersten Mal gesehen hatte.

Ihr Herz hatte einen Schlag ausgesetzt, als diese sich zu ihr umgedreht hatte, mit ihren wunderschönen grünen Augen, die sie sofort an duftendes Moos erinnert hatten. Die verschmitzt gefunkelt hatten und die leichte Bräune ihrer Sommerhaut so leuchten lassen hatten. Sie roch so gut. Sie hatte ihren Geruch immer mit Freiheit assoziiert, vor allem im Sommer, wenn sie am See gewesen waren und der leicht süßliche Geruch des Wassers mit Leylas Eigenduft verbunden hatten.

‚Hör auf, dich zu quälen! Hör schon auf!', hallte es durch ihren Kopf, doch dann blieb ihr Blick an zwei Mädchen hängen, die sich immer wieder zärtlich küssten.

Sofort prickelten ihre Lippen und der Kummer formte einen dicken Kloß in ihrem Hals. Sie vermisste ihre Leyla so sehr. Wie sie ihr Gesicht in ihren filigranen Händen gehalten hatte, als sie sich zum ersten Mal geküsst hatten, wie ihre Augen gefunkelt hatten, als sie ihr gesagt hatte, dass sie sich das schon lange gewünscht hatte.

Schwerfällig wandte sie sich von dem sich küssenden Pärchen ab und stampfte weiter. Sie wünschte, sie könnte dieser Sehnsucht davonlaufen. Doch die klebte an ihr wie der Verteidigungsgestank von Charlie, dem Frettchen, das sie mal versehentlich erschreckt hatte. Leyla hatte sich so kaputtgelacht und in den nächsten Tagen trotzdem immer die Nase gerümpft, obwohl sie sich gleich eine Stunde in der Wanne einweichen lassen hatte.

Was Leyla trotzdem nicht davon abgehalten hatte, in jener Nacht erstmals auf Tuchfüllung mit ihr zu gehen, erinnerte sie sich schmerzlich und nun liefen wieder Tränen über ihre Wangen. Noch nie zuvor hatte sie sich so besonders gefühlt, wie in diesen Momenten, in denen Leyla sie zärtlich geküsst und sie mit sanften Streicheleinheiten in den Himmel gehoben hatte, nur um dann zu erkennen, dass sie die gleiche Macht über Leyla hatte. Sie wollte sie zurück, sie hatte sich lange nicht mehr so schlecht gefüllt wie in den letzten 60 Tagen. So lange war es her, dass Leyla gegangen war.

Ihr Telefon vibrierte und sie war versucht, es zu ignorieren, doch letztlich überwand sie sich, wischte die Tränen vom Gesicht und krächzte: "Hi, Ley."

„Hey, Kittikat. Wie geht es dir?"

„Gut", log sie automatisch und schaute ihrer großen Liebe in die Augen.

„Hm, wenn du so aussiehst, wenn es dir gutgeht, Kittykat, weiß ich nicht, was das war, als ich noch in Deutschland war."

„Ich vermisse dich."

„Ich vermisse dich auch. Sehr. Manchmal möchte ich nur noch heulen und dann denke ich mir, dass wir uns so lieben, dass wir die restlichen 305 Tage auch noch schaffen, bis mein Auslandsjahr rum ist. Oder?"

„Ja, natürlich. Aber es tut weh. Ich dachte nicht, dass es so hart wird, Ley."

„Dann ist es ja gut, dass ich gerade jetzt anrufe, hm?"

„Ja, das ist es. Deine Stimme zu hören tut so gut."

„Ich bin bald wieder da, weißt du? Und du besuchst mich doch auch in den Semesterferien, oder?"

„Wenn ich das Geld zusammenbekomme, ja."

„Das bekommst du sicher zusammen. Du bist doch die Sparsame von uns beiden und ich das verwöhnte Luxusweibchen."

Es tat so gut, ihr Lachen zu hören und zu fühlen, wie ihre Stimme in ihr Bewusstsein sickerte und sich wie Balsam um ihr schmerzendes Herz schmiegte. Sie wünschte, sie könnte sich beamen, nur einmal durch ihr Haar streicheln und ihr nahe sein.

„Kittykat, ich liebe dich sehr und wenn ich wieder da bin, werden wir zusammenziehen. Einfach so obwohl deine Eltern immer noch nicht verwunden haben, dass ich dich zu einer Lesbe gemacht hab."

„Hast du nicht."

„Weiß ich doch. Ich wollte dich nur aufziehen. Was hältst du von der Idee? Dann, meine Kittykat, weiche ich nie wieder von deiner Seite."

„Versprochen?"

„Versprochen. Du hast mich nämlich echt verzaubert, weißt du?"

Sie merkte, wie sich die Wunde in ihrem Innern ein bisschen schloss, je mehr sie Leylas Geplapper lauschte. Sie würde wieder aufreißen, immer wieder, dessen war sie sich bewusst. Bis zu dem Augenblick, an dem sie ihre Leyla endgültig wieder in ihre Arme schließen konnte und dann würde sie sie tatsächlich nie wieder loslassen, dachte sie und merkte, wie sie zu lächeln anfing, weil Leyla ihr erzählte, wie sie die Wohnung einzurichten gedachte.

Wenn Gedanken Flügel wachsen...Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin