Der Neue

8 4 5
                                    

Gerade als Emiliana die Tür zu ihrer Wohnung aufschloss, hörte sie ihre Mutter kichern. Sofort runzelte sie die Stirn, denn ihre Ma war außergewöhnlich früh zuhause und dann lachte sie auch nicht einfach so. Sie betrat die Wohnung und kickte sich die Schuhe von den Füßen, während Jo ihre Hand auf den Arm von Conny legte und lauschte. Er war der erste Mann seit der Trennung vor gut einem Jahr, den sie Emiliana vorstellen wollte und darum war sie echt aufgewühlt.

„Emi? Bist du das?", rief sie und schluckte, während sie Conny einen unsicheren Blick zuwarf.

„Wer sonst?", erwiderte Emiliana, rollte mit den Augen und ging den vollgestopften Flur entlang, in dem sie neben Jacken und Schuhen auch noch mit Büchern vollgestopfte Regale beherbergten.

„Sei nicht so nervös, Jo. Sie will bestimmt, dass du glücklich bist. Ich sollte nervös sein. Sie ist der wichtigste Part in deinem Leben", erklärte Cornelius gerade, als Emmy um die Ecke bog und ins Wohnzimmer lugte.

Josephine nickte, als sie ihre Tochter entdeckte, und schluckte sofort trocken, ehe sie ein Lächeln aufsetzte, das Emi sofort als falsch identifizierte. Ihre Augen blieben an dem hochgewachsenen Mann hängen, der neben ihrer Mutter auf dem Sofa in dem kleinen aber heimeligen Wohnzimmer saß und sie anlächelte. Immerhin war sein Lächeln echt, dachte Emi und hob fragend die Augenbrauen, ehe sie ihre Hände in die Gesäßtaschen ihrer Jeans steckte.

Doch Jos Herz klopfte unterdessen, als wolle es ihren Brustkorb brechen. Tausende Gedanken flitzten durch ihren Kopf und sie versuchte herauszufinden, wie sie nun ihren Freund vorstellen sollte. Sie strich sich unsicher durch ihr langes Haar und räusperte sich, weil sie das Gefühl hatte, unter dem fragenden Blick ihrer Tochter zu erröten, der immer wieder zwischen ihr und Conny hin und her wanderte.

„Emi, das ... also ... äh. Darf ich vorstellen? Das ist Cornelius ... Conny ... hm, äh, mein ... hm ... Freund. Conny, das ist Emi ... ich meine Emiliana, meine Tochter, äh...", brachte Jo mühsam hervor und bemerkte im Augenwinkel, wie Connys Lächeln sich vertiefte.

Er stand auf und stellte sich vor Emiliana, die mühsam ein Augenrollen unterdrückte. Sie war doch kein Kind mehr und dementsprechend hatte sie sich schon gedacht, dass ihre Mutter jetzt nicht mit jedem Hinz und Kunz turtelnd auf dem Sofa saß. Oder dass ihre auffallend gute Laune in den letzten Monaten von ungefähr kam. Genauso wie die Telefonanrufe, bei denen sie mit einem verträumten Blick im Nebenzimmer verschwand.

Sie schaute den Mann namens Cornelius an und ergriff seine dargebotene Hand, während er erklärte: „Freut mich, Emiliana. Deine Mutter redet ständig von dir."

Jo beobachtete die Szene und merkte, wie ihre Hände immer schwitziger wurden, während Emi ihren Blick suchte, dann wieder Conny ansah und meinte: „Das kann ich jetzt nicht behaupten. Aber ich hab mir schon gedacht, dass sie verliebt ist oder so."

„Emiliana!"

„Alles gut, Jo."

„'Tschuldigung. Ich wollte nicht unhöflich sein. Kam nur überraschend, dass Sie plötzlich mit meiner Ma auf dem Sofa sitzen und sie so komisch kichert und so."

„Du kannst mich gerne duzen, Emiliana."

„Joa. Ok."

„Emiliana!"

Die Verzweiflung ging in Wellen von Jo aus, weil ihre Tochter sich so benahm. Sie hätte doch vorher mit ihr darüber sprechen sollen, dachte sie und hoffte, dass Emi sich schnell an die Situation gewöhnte. Denn sie hatte sich ernsthaft in Conny verliebt und wenn es jetzt an Emiliana scheitern sollte, wusste sie nicht, wie sie damit umgehen sollte.

Emi starrte unterdessen auf ihre Füße und wusste ebenfalls nicht, wie sie sich verhalten sollte. Eine Vorwarnung wäre echt nett gewesen. Jetzt wirkte sie so unhöflich und dabei war sie doch nur überrumpelt. Im Grunde wartete sie schon seit ein paar Wochen darauf, dass ihre Mutter sie beiseitenahm und mit ihr über ihren Kerl sprach. Doch stattdessen brachte sie ihn einfach hierher in ihre Wohnung und sie sollte so tun, als wäre das ok. War es aber nicht.

„Wenn deine Mama dir nichts erzählt hat, willst du denn dann irgendwas von mir wissen?"

„Haben Sie ... äh ... du Kinder?"

„Ja, ich habe einen Sohn."

„Wie alt?"

„Er ist 16. Du bist also nur zwei Jahre jünger als er."

„Wie heißt er?"

„Sein Name ist Thore."

„Wohnt er bei Ih ... äh ... dir?"

„Nein, er wohnt bei seiner Mutter, aber wir sehen uns regelmäßig."

„Hm. Weiß er schon von Ma?"

„Ja, ich habe mit ihm über deine Mutter gesprochen. Auch darüber, dass sie dich hat."

Emiliana schaute bedeutungsvoll zu ihrer Mama, die daraufhin ein bisschen kleiner auf dem Sofa wurde, obwohl es im Grunde gar nicht so schlecht lief. Trotzdem fühlte es sich irgendwie schräg an. Sie hatte das vollkommen falsch angepackt, aber sie hatte auch nicht gewusst, wie sie es richtig machen sollte. Immerhin war Cornelius der erste Mann gewesen, den sie gedatet hatte, der wirklich interessant gewesen war.

Jetzt fühlte sie sich in der Situation gefangen, denn sie konnte nur still beobachten, wie sich ihre Tochter mit dem Mann bekanntmachte, der in ihr die Hoffnung auf die große Liebe nochmal geweckt hatte. Emiliana schaute sich den Freund ihrer Mutter nochmal genau an: Er war jetzt kein Schönling. Aber hässlich fand sie ihn auch nicht. Er war normal. Hatte braune Augen, trug ein Hemd zu einer Jeans und seine Haare waren so typisch für Männer in seinem Alter. Und er wirkte freundlich und schien ihre Mutter gut zu behandeln.

„Lerne ich Thore denn dann auch bald kennen?", brach Emi das Schweigen und bemerkte, wie Conny sie verschmitzt anlächelte.

„Kann schon sein. Möchtest du ihn kennenlernen?"

Emi seufzte und sah ihre Mutter an, die sie hoffnungsvoll anschaute und ihre Hände knetete. Das machte sie immer, wenn sie nervös war. Das war echt eine doofe Nummer gewesen. Aber das Kichern hatte ihr gefallen, als sie in die Wohnung gekommen war.

„Ja, aber dann vielleicht mit Vorwarnung", entschied sie und rollte doch mit den Augen, als ihre Mutter erleichtert ausatmete und Conny ihr leise lachend zustimmte.

Wenn Gedanken Flügel wachsen...Onde as histórias ganham vida. Descobre agora