Das Nachtlied

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"La, le, Lu, nur der Mann im Mond hört zu, wenn die kleinen...", hallte sanft von den Wänden zurück, während er genoss, seine Tochter im Arm zu halten, mit ihr zu kuscheln und in ihr schläfrig werdendes Gesichtchen zu sehen.

Er wusste genau, wie sie sich fühlte, denn er konnte sich noch erinnern, wie es ihm gegangen war, als seine Mama bei ihm das gleiche gemacht hatte. Auch sie hatte ihn damals warm und geborgen in ihren Armen gehalten, hatte durch sein Haar oder über seinen Rücken gestreichelt und das Gute-Nacht-Lied für ihn gesungen, nachdem sie ihm vorgelesen hatte.

Er hatte diese Momente geliebt, erinnerte sich noch heute gerne zurück an das wohlige Gefühl, einfach Anzukommen. Wie die Entspannung langsam in ihn sickerte, egal, wie aufreibend oder aufregend der Tag gewesen war. Wie seine Muskeln schwerer wurden, aber sein Kopf leichter, während der Atem seiner Mutter an seiner Wange kitzelte, ihre Stimme jedoch bis in den letzten Winkel seiner Seele drang und dort schlichtes Wohlbefinden hervorrief.

Auf eine Einfachheit und Klarheit reduziert, wie er das nur noch selten empfunden hatte. Abgesehen von jetzt, wo die ruhigen Atemzüge seiner Tochter verrieten, dass sie endgültig eingeschlafen war. Ihre kleinen Fingerchen hatten sich um das Band seines Hoodies geschlungen und ihr Kopf ruhte da, wo sein Herz gerade einen Tacken schneller schlug. Dieses kleine Wesen hatte seine Welt vollkommen auf den Kopf gestellt, als er sich Hals über Kopf in es verliebt hatte.

Im Grunde schon, als seine Tochter nur ein für ihn nicht fassbares, aber faszinierendes Wesen im Bauch ihrer Mutter gewesen war. Doch jetzt spürte er die Verbindung, die langsam entstanden war, als er die Tritte seines Kindes im Bauch der Mutter gefühlt hatte, noch mehr. Jetzt war sie für ihn greifbar.

Er würde sein Leben für sie geben, alles was er hatte, um sie jeden Abend so friedlich schlafen zu sehen, schwor er sich, bevor er sich behutsam regte, um seine Tochter in ihr Bettchen zu tragen. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken erhob er sich und überbrückte die kurze Distanz zwischen Schaukelstuhl und Babybett in dem kunstvoll dekorierten Raum zu überbrücken. Das Licht hatte er bereits vorab gedimmt, noch bevor er ihr das Fläschchen gegeben hatte.

Jetzt blieb ihm nur noch, das Winnie-Pooh-Nachtlicht anzumachen und den Raum zu verlassen. Doch er konnte sich noch nicht loseisen. Still beobachtete er seine Tochter beim Schlafen und hörte, wie sie leise selig seufzte. Er vermisste seine Frau. Sie würde jetzt neben ihm stehen und ebenfalls das Wunder beobachten, das sie beide geschaffen hatte. Doch seine Tochter würde ohne Mama aufwachsen.

Wieder krampfte sich sein Herz zusammen, als diese Erkenntnis ihn erneut zusammenzucken ließ. Und aufs Neue schwor er sich, dass er seiner Tochter erzählen würde, dass ihre Mama ein Engel gewesen war, dessen Zeit auf Erden abgelaufen war.

Wenn Gedanken Flügel wachsen...Where stories live. Discover now