Sternenhimmel

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"Sieht das nicht wunderschön aus", flüsterte sie und starrte in das Dunkel der Nacht, an deren prächtigem Umhang die Sterne glitzerten.

"Ja, sehr schön."

"Finde ich auch. Manchmal habe ich das Gefühl, sie leuchten nur für uns hier unten. Für uns beide, weißt du?", erkundigte sie sich und hörte die Grillen in dieser warmen Juni-Nacht zirpen.

"Ja, ich weiß."

"Das machen wir jedes Jahr. Dass wir an unserem Hochzeitstag hierherkommen, uns ins weiche Gras legen und in die Sterne sehen. Selbst wenn es regnete, haben wir uns hierhergelegt und geguckt, ob nicht doch irgendwo in der Wolkendecke ein Sternchen für uns leuchtet. Erinnerst du dich?", wisperte sie und dachte an all die Jahre zurück, in denen sie diese besondere Nacht so verlebt hatten.

"Natürlich erinnere ich mich."

"Sogar, als die Kinder noch klein waren, haben wir uns immer einen Babysitter gesucht, damit wir eine Stunde oder zwei hier sein konnten. Umgeben von der Stille der Nacht, den Geräuschen der Natur und dem Licht der Sterne. Ein paar Mal haben wir Sternschnuppen gesehen und uns etwas gewünscht. Meine sind in Erfüllung gegangen. Deine auch?", fragte sie erneut ehrfürchtig und beobachtete, wie eine Sternschnuppe wie auf Kommando ihren Weg über das nächtliche Dunkel aufnahm.

"Ja. Meine auch."

Sie lächelte und hauchte: "Ich weiß noch jeden Wunsch, den ich ausgesprochen hab. Ok, nicht alle. Aber die meisten. Aber ich kann mich an die erste Nacht erinnern, wo wir nach dem ganzen Stress und Trubel hierher kamen und uns vom Sternenhimmel bezaubern ließen. Das war eine ganz besondere Nacht..."

"Das war es."

"Ich muss immer noch darüber lachen, wie ärgerlich meine Mutter war, als wir in den frühen Morgenstunden zurückkamen und sie gesehen hat, wie mein Brautkleid aussah. Aber es war mir egal. Ich war mir ja sicher, dass du der Einzige bist, den ich jemals heiraten würde und außerdem hätte ich diese Nacht um nichts in der Welt eintauschen wollen. Damals hatte ich das Gefühl, uns kann alles gelingen. Gemeinsam. Ich war eine ziemliche Träumerin", gab sie schulterzuckend zu und grinste automatisch.

"Das bist du noch."

"Oft dachte ich später, es würde mir nicht gelingen. Dass ich unter dem Druck der Außenwelt zusammenbrechen würde. Aber immer wenn es zu schwer wurde, hast du mich eingepackt, jemanden für die Kinder verpflichtet und bist mit mir hierher zu unserem Platz. Du hast mir eins ums andere Mal versprochen, dass du mir die Sterne vom Himmel holst und alles gut wird. Das hast du. Ich bin sehr glücklich", flüsterte sie und schloss die Augenlider, als sich Tränen darin sammelten.

"Ich würde es immer wieder so tun."

"Ich kann kaum glauben, dass ich heute hier alleine liege. Mit dir in meinen Gedanken. So hätte das nicht sein dürfen, verstehst du? 50 Jahre und jetzt bin ich allein. Du bist fort. Du kommst nicht wieder", wisperte sie und merkte, wie ihre Stimme brach.

"Ich bin nicht weg."

"Es ist schwer ohne dich. Die Kinder sind außer Haus und leben ihre eigenen Leben an verschiedenen Ecken der Welt, die Enkel sehe ich oft nur auf Bildern. Als du noch bei mir warst, kam ich besser damit zurecht. Du würdest mich jetzt mit sanften Lächeln auf den Lippen tadeln und mir sagen, dass aus mir nie eine feine Dame wird, weil ich jetzt sage, wie scheiße sich das anfühlt", sagte sie unter Tränen und musste doch lächeln, als sie sich das geliebte Gesicht vorstellte, das sie so lange Jahre begleitet und das sie so geliebt hatte.

"Das würde ich sagen. Aber ich bin nicht weg. Ich bin da. Genau jetzt. Immer, wenn du in den Sternenhimmel siehst, wirst du mich dort entdecken können. Da werde ich sein, bis wir wieder vereint sind. Ich warte auf dich. Das hab ich doch immer", hallte es in ihrem Kopf und sie nickte.

"Das hast du. Es sind nur so viele am Himmel. Ich weiß nicht, welchen ich ansehen muss, um dich zu sehen", stellte sie fest und sah, wie ein Stern heller zu leuchten begann als alle anderen.

Ihr Herz machte einen Hüpfer in der Brust und sie lächelte unter Tränen, als in ihrem Kopf hallte: "Siehst du mich?"

"Ja. Ich sehe dich", flüsterte sie und spürte, wie die Unruhe in ihr in sich zusammenschrumpfte, als sie hauchte: "Ich sehe dich. Du bist noch da."

"Und das werde ich immer sein."

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Wenn Gedanken Flügel wachsen...Where stories live. Discover now