Ein Wunder

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„Aaaaargh, ich ... kann ... nicht ... mehr!"

„Doch, das kannst du. Hey, schau mich an! Du schaffst das!"

„Nein! Ich kann nicht mehr. Ich bin so müde..."

„Ich weiß, Liebling. Doch du schaffst es, ich bin mir sicher. Du bist fast fertig..."

Eine erneute Welle erfasste sie, brachte alles in ihr zum Explodieren, während sie sich haltsuchend an ihn klammerte, um dem standzuhalten. Sie konnte nicht mehr, sie war völlig erschöpft. Der Schweiß rann ihr in Sturzbächen übers Gesicht, die Haare klebten an ihrem Kopf und sie wollte nur, dass es aufhörte. Doch sie nahm nochmal alle Kräfte zusammen, hörte auf das, was zu ihr gesagt wurde und tat, wie ihr geheißen. Sie zitterte vor Anstrengung, während sie alles mobilisierte, was sie noch aufbieten konnte und aufschrie.

Es musste aufhören, es war so laut in ihr, alles wollte bersten und es jagte ihr Angst ein, während Welle um Welle sie ergriff und unter Schmerz begrub. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen? Wie konnte man so etwas ertragen, ohne zu sterben? Matt sank sie zurück und spürte aufs Neue diese unfassbare Erschöpfung, die sich durch jeden Winkel ihres Körpers zog, gepaart mit einer eigentümlichen Leere. Sie konnte das nicht schaffen. Niemals. Wie konnte irgendwer das aushalten?

„Ich bin so stolz auf dich, Liebling. Du machst das so toll..."

Ihre Augen suchten seine und sie wollte ihm einen bissigen Kommentar entgegenschleudern, doch nicht mal mehr dazu reichte ihre Kraft. Auch zu einem Schnauben war sie nicht fähig. Sie wollte einfach nur schlafen und ihre Ruhe haben und...

Aufs Neue baute sich Druck in ihr auf und sie keuchte automatisch. Sie merkte, wie sich ihr Körper wieder gegen den Schmerz aufbäumte, der sie wie eine Monsterwelle erfasste und dem sie nicht entkommen konnte. Wieder brach ihr der Schweiß aus und sie gab sich geschlagen, indem sie tat, was ihre Instinkte ihr sagten. Mit all der Kraft, die sie aufbieten konnte - und wie viel das war überraschte sie immer wieder - presste sie.

Plötzlich ließ der Druck abrupt nach und sie fragte sich gerade, was das nun bedeuten sollte, als sie ein leises, krächziges Weinen hörte. Unvermittelt wurde sie mit Erstaunen geflutet, das in Ehrfurcht umschlug, als es zu einem lautstarken Gebrüll wurde. Im Augenwinkel bemerkte sie, dass ihm nun Tränen über die Wangen liefen. Immer wieder hauchte er einen Kuss in ihr Haar, während ihr nun das kleine Bündel Leben auf die Brust gelegt wurde.

Sie schaute auf das bläulich-rosige Wesen, das ganz verschmiert war und sie anblinzelte. Ihr Sohn. Ihr Baby. Sie hatte es geschafft. Und er war wunderschön. Wahrscheinlich das Schönste, was sie je gesehen hatte. Bestimmt das Schönste, was sie je gesehen hatte. Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden, während sie schlagartig mit Liebe geflutet wurde, genauso wie mit dem Wissen, dass sie alles tun würde, um ihr Baby zu beschützen, das sie ebenfalls interessiert musterte.

Alles, was vorher war, verblasste. Energie strömte zurück in ihren Körper und die Erschöpfung verschwand. Sie spürte es förmlich, während sie in seine Augen starrte, wahrnahm, dass er ihre Nase und das Kinn seines Vaters hatte. Tränen liefen ihr ungehindert übers Gesicht, doch sie scherte sich nicht darum. Endlich war er da.

Wenn Gedanken Flügel wachsen...Where stories live. Discover now