Spieglein, Spieglein

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Es war einmal ein Virus – Theoretikern zufolge möglicherweise im Labor gezüchtet – das auszog, um in der Welt größtmöglichen Schaden anzurichten. Aufgrund seiner Neuartigkeit zog es schnell die Aufmerksamkeit aller Menschen in seinen Bann, denn es verschaffte sich geschickt mit einigen Todesopfern Gehör.

Zutiefst getroffen und kalt erwischt, begannen die Machthaber der einzelnen Länder sofort, die Schlausten der Schlauen in ihren Ländern mit der Forschung zu beauftragen. Währenddessen versuchten sie, geeignete Gegenmaßnahmen aufzubieten, um das Virus in seine Schranken zu verweisen. Doch so leicht wollte sich das Virus nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, weswegen es immer wieder in einer seiner chamäleongleichen Art die Herrschaft über die Menschheit zurückerlangte. Die Verzweiflung und die Hilflosigkeit der regierenden Damen und Herren stiegen, da alle bisherigen Maßnahmen das Virus nicht wirklich beeindruckt hatte.

So trug es sich zu, dass sie sich zu einem ganz besonderen innerdeutschen Gipfel trafen. Auf dem das Virus – wie in den beiden Jahren zuvor - und dessen Bekämpfung abermals zur Tagesordnung ernannt worden war. Sie hatten das Virus mittlerweile untersuchen und kategorisieren lassen, so dass es auf den Namen Covid-19, SARS-CoV-2 oder Corona hörte. Zudem war auch kräftig geforscht worden, um dem Widersacher mit einer Impfung den Garaus zu machen. Doch nichts schien zu helfen.

Es war laut im Raum und alle Länderchefs sprachen durcheinander, als die Führungsriege eintrat und sofort wurde die Unruhe noch lauter. Die Vertreter der einzelnen Länder versuchten, sich Gehör zu verschaffen, um die Lage in ihrem Bundesland und ihre Maßnahmen zu erläutern, doch die Führungsriege ignorierte dies vorerst und nahm an dem langen Tisch Platz. Die höchsten Regenten des Landes besahen sich das Chaos, das so ein kleines Wesen wie der sogenannte Corona-Virus verursacht hatte. Als sie in stiller Übereinkunft entschlossen, dem Treiben ein Ende zu setzen, hob der Vorsitzende die Hand und brachte mit dieser schlichten Geste die Anwesenden zum Schweigen.

Erst als Ruhe den Raum erfüllte, erhob der Ranghöchste seine Stimme und sagte: „Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wie so oft in der letzten Zeit haben wir uns hier heute erneut eingefunden, um - unter Berücksichtigung der gängigen Hygienestandards - zu beraten, wie wir bezüglich der Corona-Pandemie weiterverfahren. Wir, das heißt, die restliche Führungsriege und ich, sind zu dem Entschluss gekommen, dass wir keinen Schritt weiter sind und wir mit aller Härte und Möglichkeiten unserer Macht den Virus in seine Schranken verweisen müssen. Dazu ist es nötig, die mächtigste und erfolgreichste Person hier im Raum zu ermitteln und dieser die Befugnis zu geben, die geeignetesten Maßnahmen gegen den Covid-19-Virus zu erarbeiten und durchzusetzen..."

Sofort brandete wieder Stimmengewirr im Raum auf, denn wie die Herren und Frauen Politiker nun einmal sind: Sie hielten sich alle für mächtig und erfolgreich – böse Zungen würden es gleichfalls als geltungssüchtig bezeichnen –, weswegen auch jeder von Ihnen sich lautstark für diesen Posten nominierte. Doch so hatte sich das die Führungsriege nicht vorgestellt. Warum der Vorsitzende nochmals die Hand hob und wartete, bis sich der Tumult im Raum etwas legte.

„Wir wissen natürlich, das jede und jeder von Ihnen – werte Kolleginnen und Kollegien – diesen Posten mit seinen Stärken und Schwächen nur zu gerne ausfüllen würde. Darum haben wir einen unabhängigen Sachverständigen aufgetan, der diese Entscheidung für uns fällen wird. Denn das Volk möchte Antworten auf die Frage, wie wir gedenken, es vor dem Virus zu schützen", erklärte dieser und ein Raunen ging durch die Reihen der Länderchefs.

„Was zeichnet diesen Sachverständigen denn aus? Welche Diplome und Fähigkeiten besitzt er, dass er eine solche weitreichende Entscheidung treffen kann?", erkundigte sich der bayrische Landesvorsitzende und der Ranghöchste der Führungsriege nickte, während – ganz untypisch für ihn – ein Lächeln seine Mundwinkel umspielte.

Wenn Gedanken Flügel wachsen...Where stories live. Discover now