Das Tänzchen

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Er grinste, als das Lied aus den Boxen dröhnte und ließ den Blick über sein Gegenüber gleiten, das auch nicht dem üblichen Schönheitsideal entsprach. Schon hob sie eine Augenbraue und rollte mit den Augen, ehe sie mit dem Kopf schüttelte.

Er konnte nur zustimmen, wenn er sich den Text so anhörte. Ihn hatte es auch nie gestört, wie seine Frau gebaut war und er fand es oft unerträglich, weil sie immer wieder vor dem Spiegel stand und sich mit abschätzenden Blicken bedachte. Weil er einfach nur eine schöne, weibliche Figur sah, wo sie überzählige Pfunde bemäkelte.

Automatisch fing er an, im Takt zu wippen und wieder sah sie ihn nur skeptisch an, also stand er auf und zog sie auf die Beine, um sie zu sich zu ziehen. Er hatte Lust mit ihr zu tanzen, obwohl sie ihn ansah, als hätte er nicht alle Tassen im Schrank. Trotzdem passte sie sich automatisch seinen Bewegungen an und sein Herz klopfte schneller, als sie ihre süße Figur an seinen Körper schmiegte.

Er würde wahrscheinlich nie genug von ihr bekommen oder davon, ihre herrlichen Rundungen zu erkunden. Sie machte ihn atemlos und seine Finger wurden wieder schwitzig, weil sie nochmal die Augen verdrehte und sich trotzdem Belustigung in ihre Augen schlich, um sie zum Strahlen zu bringen.

„Du siehst gut aus, du bist mein Topmodel, du kommst groß raus, du ziehst dich an und ich - ich zieh dich aus...", erklärte er zum Song und sie schnaubte.

Aber trotzdem spielte jetzt ein Lächeln an ihrem Mundwinkel und er strich mit seiner Hand ihre wunderschöne Silhouette nach, was ihr doch ein Lächeln entlockte. Nochmal machte sein Herz in seiner Brust einen Hüpfer: Sie war so schön, wenn sie so strahlte. Schönheit lag im Auge des Betrachters und seine Frau war unwahrscheinlich attraktiv. Er hatte nie die Zahl auf der Waage gesehen, sondern hatte die Wärme in ihren braunen Augen anziehend gefunden.

Überhaupt war ihr Gesicht ausdrucksstark und er mochte es, ihre Emotionen dort ablesen zu können. Also zumindest meistens, wenn er kein Brett vor dem Kopf hatte oder mit den Gedanken woanders war. Er würde wahrscheinlich nie müde werden, sich an diesem Schalk in ihrem Blick zu ergötzen, der sich nun auch in ihren Augen zeigte. Da wurden ihm die Knie auch nach all den Jahren noch weich und sein Herz pochte heftig gegen seine Rippen, als würde es die Knochen brechen wollen.

„Mach den Döner warm, komm, mach ihn heiß, Baby. Scheiß auf die Schönheitsfarm, du bist so nice, Baby..."

Jetzt drang ein leises Kichern über ihre Lippen und er merkte, wie sie sich noch ein bisschen enger an ihn schmiegte. So langsam hatte sie Spaß an ihrer Tanzeinlage, das war deutlich spürbar. Sie ließ ihre Hände an seinem Oberkörper nach oben wandern, ehe sie die Arme um seinen Nacken schlang. Er mochte es wirklich, wie sie sich bewegen konnte und genoss das Gefühl, welche Wärme sie abstrahlte, während ihr Geruch ihn einhüllte.

Das alles zählte so viel mehr, als ein Idealgewicht, oder nicht? Zu seiner Frau passte ihre Figur, er würde nichts an ihr ändern wollen. Gar nichts, auch wenn sie noch so sehr bemängelte, dass ihre Hüften zu breit waren und ihre Beine zu kurz. Jeder Mensch war zum Glück anders und er mochte es, wie weich ihre Haut war und wie sie duftete. Er liebte den Klang ihres dreckigen Lachens und wie ihr Tränen über die Wangen liefen, wenn sie so herzhaft lachte, dass sie den Kopf in den Nacken warf. Da zuckten Energieblitze durch seinen Körper und er hatte nach wie vor ein Kribbeln in der Magengegend.

Er merkte, wie sich langsam Erregung in ihm breitmachte und ein Blick in ihre Augen bestätigte, dass sie genau wusste, was er dachte. Denn sofort hoben sich ihre Mundwinkel noch mehr, während sie sich auf ihre Unterlippe biss und sie diese in ihren Mund zog. Er schluckte hart, sie könnten doch vielleicht ins Schlafzimmer tanzen?

„Mama... Oh Gott, seid ihr peinlich!"

„Was? Wieso sind wir peinlich?", fragte er und wandte sein Gesicht notgedrungen seiner Tochter zu, die ihn anblitzte.

„Könnt ihr euer Vorspiel irgendwohin verlegen, wo nicht ahnungslose Teenager-Töchter über euch stolpern, während ihr schräge Songs aus einem vorigen Jahrhundert hört? Fehlt nur noch, dass ihr euch ableckt."

„Vor... Ableckt? Was?"

„Ach kommt schon. Ich bin doch kein Kind mehr. Aber egal, ich füge dieses Bild einfach der Sammlung hinzu, die ich schon habe: Eindrücke, die du bekommst, wenn deine Eltern nach all der Zeit noch sexuell aktiv sind..."

„Sexu... Was?"

Seine Tochter schaute ihn mit hochgezogener Braue an und in diesem Moment sah sie wie ihre Mutter aus, bevor er sie auf die Beine gezogen und mit ihr zu tanzen begonnen hatte. Im Augenwinkel bemerkte er, wie seine Frau versuchte, ihr Grinsen zu verbergen. Sobald ihre Tochter wieder im Haus verschwunden war, würde sie zu lachen anfangen. Ihre Schultern bebten schon leicht.

„Du bist ziemlich frech..."

„Du kommst drüber weg, Papa. Ich wollte eigentlich fragen, ob ich mit Kim ins Kino und danach da übernachten darf."

„Oh, aha, äh, ja, hm, wieso nicht?!?"

„Ok, super. Bis dann und äh... noch viel Spaß bei ... was auch immer..."

Er starrte seiner Tochter ungläubig hinterher, die es tatsächlich geschüttelt hatte, und kaum schloss sich die Terrassentür hinter ihr, fing seine Frau zu lachen an. So, dass sie den Kopf in den Nacken warf und ihr Tränen über die Wangen liefen. Er schüttelte nur den Kopf, er fühlte sich wie ein ertappter Schuljunge und seine Frau lachte sich kaputt über die Feststellungen ihrer Tochter, die ziemlich unverfroren seine Absichten darstellte.

„Oh, jetzt guck nicht so, Schatz. Sie ist selbstbewusst...", giggelte seine Frau und er nickte.

„Ein bisschen sehr..."

„Sei doch froh, sie schämt sich nicht, Wahrheiten auszusprechen und sich so zu akzeptieren, wie sie ist. Also ist doch alles gut, oder?"

„Hm, ja, vielleicht."

„Ich bin mir ziemlich sicher. Und jetzt zurück zu dir..."

„Zu mir?"

„Ja, zu dir. Was machen wir heute noch?"

Sofort sprang sein Kopfkino wieder an und ihm entglitt das Gesicht, als seine Frau mit amüsiert blitzenden Augen meinte: „Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich hab jetzt echt Hunger auf Döner."

„Auf Döner?!?"

„Ja, den mach ich zuerst heiß und dann ... mal sehen...", entschied seine Frau und er musste grinsen.

Dann drückte sie ihm ihre Lippen auf seine und wieder wurden seine Hände schwitzig. Sie löste sich von ihm und schüttelte den Kopf, ehe sie murmelte: "Also komm, du Modelscout. Topmodel, dass ich nicht lache. Wenigstens war es nicht ‚Schüttel deinen Speck' von Peter Fox."

„Das könnten wir ja später hören... Also nach dem Döner... Wenn wir uns praktisch gestärkt haben...", schlug er hoffnungsvoll vor und grinste wieder, als sie die Augen verdrehte.

Dann griff sie nach seiner Hand und zog ihn nach drinnen. Er hatte gesehen, was er wissen musste. Wie er diese Frau liebte, egal, ob sie Idealmaße hatte oder nicht...

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Wenn Gedanken Flügel wachsen...Where stories live. Discover now