Abspann

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Der Abspann flackerte über den Bildschirm und ich wusste, ich sollte nach der Fernbedienung greifen und die Stop-Taste drücken. Ich wusste, ich sollte Eject wählen, aufstehen, die DVD zurück in ihre Hülle tun und mich von Dag verabschieden. Aber ich rührte mich nicht. Die Musik von Hans Zimmer spielte einfach immer weiter und ich blieb liegen, atmete gleichmäßig ein und aus, während Dag mich im Arm hielt und sog mit jedem tiefen, ruhigen Atemzug seinen Duft ein.

„Schade, dass es keine Tetralogie ist", sagte er auf einmal leise und seine Brust vibrierte dabei angenehm unter mir, was den Bienenschwarm in meinem Bauch wieder aufscheuchte. Der Klang seiner Stimme zählte zu den angenehmsten Dingen, die ich je gehört hatte, stellte ich heimlich fest. Ich räusperte mich.

„Tetralogie? So heißt das?", hakte ich ein und richtete mich ein Stück neben ihm auf, doch mein gesamter Körper flehte mich an, die Berührung noch nicht aufzulösen, und Dag hatte seinen Arm auch noch nicht von meinen Schultern runtergenommen.

„Geht nach den griechischen Zahlwörtern. Quadrologie klingt auch scheiße, findest du nicht?" Er grinste und seine blauen Augen leuchteten. Ich ließ mich von seinem Lächeln anstecken und fuhr mir durch die Haare, die nun auf einer Seite etwas geplättet aussahen, weil ich mich die ganze Zeit über an ihn gekuschelt hatte. Dag beobachtete mich dabei, wie ich meine Frisur in Ordnung brachte.

„Schon ein bisschen", hauchte ich und beging wieder den Fehler, ihn anzuschauen. Sofort war ich aufs Neue hypnotisiert. Sein Blick flirrte für einen Sekundenbruchteil zu meinen Lippen, dann hoch zu meinen Augen. Er sah mich fragend an, aber ich war mir nicht sicher, welche Frage er hatte. Ob es okay wäre, mich jetzt zu küssen? - Auf gar keinen Fall. Ob ich wollte, dass er mich küsste? - Und wie. Mit jeder Faser meines Seins.

„Ich ... räume mal kurz auf." Ich zog die Beine für den Fersensitz an und griff nach den Schälchen auf meinem Nachttisch, lehnte mich dafür an ihm vorbei. Doch ich erstarrte urplötzlich mitten in der Bewegung. Mein Top war beim Liegen wohl irgendwie hinten aus meinem Rock rausgerutscht und legte einen Streifen nackter Haut frei, direkt über meinem Po. Genau dort fühlte ich seine Fingerspitzen. Sein Arm war von meiner Schulter geglitten, als ich mich leicht über ihn gebeugt hatte, um an unser Geschirr ranzukommen.

Mit den Schalen in der Hand drehte ich ihm den Kopf zu. Unsere Gesichter waren sich wahnsinnig nah und schon wieder huschte sein Blick zu meinen Lippen. Ich spürte seine Finger nach wie vor auf und lodernde Hitze in mir, vom Kopf bis in die Zehen. Er sah mir erneut in die Augen und nahm langsam Finger für Finger weg. Ich rückte mit den Schälchen, die ich fest umklammerte, ein Stück von ihm ab.

„Entschuldige", murmelte er und ich gluckste nervös. Statt ihn mithilfe von Worten zu beruhigen, flüchtete ich aus meinem Zimmer in die Küche. Ich stellte das Geschirr am Rand der Spüle ab und nahm mein Handy vom Küchentresen. Iaras Nummer hatte ich auf Kurzwahl.

„Ist was passiert?", fragte sie mich alarmiert, ohne mich zu begrüßen.

„Würde ich dich sonst anrufen? Ja! Also, nein. Also ... Ach, keine Ahnung", flüsterte ich verzweifelt und versuchte meine Schnappatmung unter Kontrolle zu kriegen.

„Ist er noch da?"

„Ist er", bestätigte ich.

„Und da telefonierst du mit mir? Ihr habt ein Date, Pari. Was machst du denn nur? Geh zurück zu ihm."

„Ich glaube, er will mich küssen."

„Dann lass ihn. Er will dich wahrscheinlich wirklich nur küssen und der Rest hängt von dir ab. So ist er."

„Kerle, die einen so angucken, wie er mich anguckt, wollen nicht nur harmlos rumknutschen, Iara", erklärte ich frustriert.

„Mein Gott, Pari, sind deine Kondome alle, oder was? Bei Mika liegen doch welche."

Wenn Gedanken Flügel wachsen...Where stories live. Discover now