Die Bürde der Krone

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„Prinzessin Alea!", hörte sie und beschleunigte ihre Schritte, während sie den lichtdurchfluteten Entrée ihres Stadthauses durchquerte, das von bodentiefen, mit schweren Samtvorhängen behängten Fenstern und als Auflockerung von modernen Kunstgemälden durchzogen war.

„Prinzessin Alea! Der Termin mit dem Premierminister..."

Sie ignorierte die fassungslose Stimme hinter sich und riss die doppelflüglige Tür auf, um ins Freie zu treten. Sie würde Chiara heute nicht schon wieder versetzen! Chiara - allein bei dem Gedanken an die kesse Frau Anfang 20 machte ihr Herz einen Hopser in ihrer Brust, während sie die Auffahrt hinabmarschierte, die von einem prächtigen Garten eingesäumt war.

Sie hatte sich wirklich ernsthaft in Chiara verliebt. Was sie auch vor ernste Probleme stellte. Immerhin war es in Adelskreisen weiterhin nicht gang und gäbe zur eigenen Sexualität zu stehen, sofern diese nicht heterosexuell hieß. Sie kannte viele Adlige auf der ganzen Welt, die ebenfalls homosexuell waren wie sie. Aber das trug man einfach nicht offen zur Schau. Immerhin musste doch für Erben und den Fortbestand der eigenen Blutlinie gesorgt werden, oder?

Sie unterdrückte das Seufzen und schritt hastig durch das Tor, nachdem sie den Sicherheitscode eingegeben hatte. Nicht zum ersten Mal verfluchte sie ihr „blaues Blut". Es gingen so viele Verpflichtungen damit einher und sie stand eigentlich immer im Fokus der Allgemeinheit - auch wenn ihr Adelshaus jetzt nicht so gehypt wurde, wie beispielsweise Harry und William und der Rest des englischen Königshauses. Doch im Grunde war sie sogar an der Uni mit ihren Leibwächtern unterwegs.

Was mir von Chiara einen ziemlichen schrägen Blick eingebracht hat, an dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, dachte sie augenrollend, als sie sich an jenen Moment zurückerinnerte. Sofort flatterten wieder Schmetterlinge in ihrem Bauch auf und ihre Hände wurden aufs Neue feucht, als sich das Gesicht ihrer Freundin vor ihrem inneren Auge aufbaute.

Sie hatte ein feines Gesicht: strahlende braune Augen, hohe Wangenknochen, eine Stupsnase mit leichten Sommersprossen darauf und einen wunderschön geformten Mund, der genauso weich war, wie er aussah. Wie froh sie doch gewesen war, als Chiara sie aus Versehen gerempelt hatte, sodass ihre Studienunterlagen zu Boden gesegelt waren...

Sofort wollten sich ihre zwei Gorillas dazwischenschieben, denn es hätte ja ein Anschlag sein können, doch sie hatte sie harscher als sonst zurückgepfiffen, nur um dann verlegen in Chiaras erstaunte Augen zu sehen. Dabei hatte sie sonst so taff gewirkt, in ihrer Lederjacke, den engsitzenden Jeans und dem Top, das einen Hauch Bauch freigab.

„Woah, krass. Als wärst du eine Prinzessin oder so", hatte die Austauschstudentin gemurmelt und sie hatte bloß gegrinst.

„Ich verrate dir ein Geheimnis - das bin ich", hatte sie erwidert und Chiaras Augen waren kugelrund geworden, während ihr Herz einen Satz verpasst hatte.

„Hm. Interessant. Dann kommt mich also endlich die Prinzessin in ihrer schimmernden Rüstung retten, von der ich immer geträumt habe?"

Da waren ihre Augen groß geworden und sie hatte geschluckt, ehe sie sich geräuspert hatte. Sie hatte gar nicht gewusst, was sie darauf antworten sollte, immerhin war ihr Chiara schon länger aufgefallen, doch sie hätte nie erwartet, dass diese ebenfalls lesbisch war. Na ja, das war ja jetzt auch selten ein Gesprächsthema - auch unter Normalsterblichen - wobei es da zumindest anerkannt war.

„Hey", sagte sie und nahm den Helm entgegen, während Chiara sie forschend musterte.

„Hey, Prinzessin. So schlimm?"

„Ja. Träum nie davon, von adligem Geblüt zu sein. Es ist nicht so toll, wie es sich anhört."

„Wenn ich deinen Gesichtsausdruck so sehe, glaube ich das sofort. Wofür hättest du mich denn heute versetzen sollen?"

Wenn Gedanken Flügel wachsen...Where stories live. Discover now