𝐓𝐡𝐢𝐫𝐭𝐲 𝐟𝐨𝐮𝐫

253 32 28
                                    

„Konzentrier dich, Taehyung!"
„Was genau - denkst du - versuche ich gerade!? Aber da ist ja dieser Typ, der mir ständig sagen muss, was ich zu tun habe!" „Das du mit deinem Kopf mal wieder auf Wanderschaft bist, ist ganz gewiss nicht meine Schuld! Such dir ne bessere Ausrede."

„Dämlicher Bastard", zischte ich in seine Richtung mit zusammengekniffenen Augen. Meine Arme schmerzten, meine Beine taten es ihnen gleich und selbst mein kleiner Zeh zitterte vor Anstrengung. „Dafür bleibst du noch weiter fünf Minuten da oben.", meinte der großspurige Mann, ohne einmal von seiner Arbeit aufzusehen. Jedesmal wenn er mit dem Stein über sein Schwert strich, um die abgestumpfte Klinge zu schärfen, durchzuckte mich eine Gänsehaut.
„Das ist nicht fair!", schrie ich zu ihm rüber und hob dabei etwas zu ruckartig meine Augen, weshalb ein weiterer Stein von meinem Haupt purzelte. Mein lauter Atem machte meine strapazierten Nerven erkenntlich. Plötzlich wurde es mir zu viel und Wut übermannte mich. Ich missachtete seine Befehle und schmiss zuerst die Gegenständige in meinen Händen ins Wasser, dann griff ich mir die auf meinem Kopf, um sie ebenfalls laut plumpsend ins Nasse zu werfen.

Jac sah das erste Mal, seit er mich auf diesen kleinen Vorsprung abgesetzt hatte, zu mir hoch. Ein Fluss lief unter mir hindurch. Ich könnte ihn berühren, wenn ich mich danach ausstreckte. Deutlich unbegeistert stand ich mit gestemmten Händen in der Seite und sah zu ihm. Unbekümmert blickte er mir in die Augen und schliff über sein Schwert. Leicht zuckte ich zusammen, hoffte jedoch darauf, dass die Bewegung zu klein war, um für seine Augen ersichtlich gewesen zu sein. Diese Hoffnung war nicht besonders groß.

„Was soll das überhaupt bringen? All diese dämlichen Übungen?! Es ist jedes Mal das selbe. Du setzt mich irgendwo ab, damit ich meine 'innere Mitte' finde." Ab der zweiten Hälfte des Satzes hauchte ich meiner Stimme eine Menge Ironie ein. Doch ich klang weiterhin mehr sauer, als annähernd belustigt. „Was soll es bringen, wenn du mich über den Wasser baumeln lässt und mir Steine in die Hände und auf den Kopf legst?! Verdammt noch Mal, ich will lernen, wie ich meine Kräfte kontrollieren kann, nicht wie man einen auf Yogameister macht!"
Ich kam mir selbst vor, wie ein wütender Drache, der seinen Zorn durch die Nüstern ausspie. Durch diese Vorstellung machte ich mich selbst zu einer Witzfigur und meine Worte verloren ihre Stärke, noch bevor sie bei Jac ankamen.

„Es bringt, dass du lernst, dich zu konzentrieren, was ganz offenbar nicht deine Stärke ist! Es ist gar, als würdest du es nicht mal versuchen! Du ignorierst meine Worte komplett und auch wenn es so aussieht, als würdest du meinen Befehlen folge leisten, wehrst du dich dagegen. Wie soll ich dir etwas beibringen, wenn du nicht mal fähig bist, die simpelsten Dinge zu lernen?"

Ich ließ mich wieder auf den Stein fallen. Die Wut war verpufft, als hätte sie der vorbeifliegende Vogel aus der Luft geschnappt. Ich war nicht sauer auf Jac, ich war sauer auf mich. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit dem wir angefangen hatten, zu trainieren, doch ich wusste, dass es viel gewesen war. Und immer noch fehlte mir jede Art von Können. Ich war immer noch genauso nutzlos. Wie konnten das Jac und Jk so gut? So ruhig bleiben, immer alles im Blick haben, allem Beachtung schenken?

Allein der tobende Wind reichte, um das Todesurteil meiner Konzentration abzugeben. Aus meiner Mundhöhle dran ein Seufzen. Meine Stirn wurde von meiner Hand abgefangen, als ich mich vorbeugte. Es war frustrierend. Es war, als hätte man mich am Boden festgebunden. Als hätte man einen Käfig um meine Beine gebaut, sodass ich nichts tuen konnte, als meine Kraft fürs Hinfallen zu verschwenden. Enttäuschung und Erschöpfung zogen gleichermaßen an meinen Nerven.

Abermals dachte ich ans Aufgeben. Einfach aufhören, Flair, meine Pferdestute, nehmen und damit verschwinden. Ohne Ziel losreißen und sich glücklich schätzen, dass ich zumindest das Reiten in dieser Zeit von Jac gelernt hatte. Keinen Blick zurück, nur nach vorne schauen und die Welt hinter mir lassen. Meinen Bruder, den Krieg, diese Kräfte, die Erinnerungen, die mich nachts plagten: Das könnte ich alles weggeben, ganz einfach. Ich könnte es aus meinem Verstand verbannen und nie wieder zurückschauen, doch es gab ein etwas, das ich nicht einfach so zurücklassen konnte. Und auch wenn ich wünschte, behaupten zu können, ein ehrenwerter Mann zu sein, war mir das nicht gegönnt. Denn der einzige Grund, warum ich blieb und mich durch diese Strapazen kämpfte waren nicht die unglücklichen, hungrigen Menschen, die durch jahrelange Kriege ihr Zuhause in Schutt und Asche vorfanden, nein, das war es nicht, auch dann nicht, wenn ich es mir wünschte. Es war dieser eine Mann, der die Wolken meiner Gedankenwelt nicht mehr verlassen wollte.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Där berättelser lever. Upptäck nu