𝐓𝐰𝐨

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Ich musste wohl nach einiger Zeit eingeschlafen sein, denn das Erste woran ich mich erinnern konnte, war der nächtliche Ruf einer Eule. Ich beschloss, meine Augen noch für eine Weile der Dunkelheit hinter meinen Liedern zu überlassen. Mit der Sicht würde auch der vorige Tag zurückkommen. Ob er bereits Tod war? Hatte man ihn schon umbringen lassen? Ich gab ein kleines frustriertes Stöhnen von mir. Wieso machte ich mir so viele Gedanken?

„Oh gut, du bist wach."

Ich riss meine Augen auf und saß von einer Sekunde zur nächsten kerzengerade. Mein Rücken presste sich gegen die Wand. Blind versuchte ich, die Gestallt in der Dunkelheit auszumachen. Etwas bewegte sich mir gegenüber. Ich spannte mich kampfbereit an.

„Ich hatte - ehrlich gesagt - nicht mehr damit gerechnet." Meine Augenbraue hob sich, während mein Kopf sich leicht zur Seite lehnte. Ich wusste nicht, wer er war oder über was er sprach. Einzig seine Stimme ließ mich wissen, dass er sich nur wenige Meter von mehr entfernt aufhalten konnte. Langsam gewöhnten sich meine trockenen Augen an den wenigen Lichteinfall und erschrocken erkannte ich ihn wieder.

„Wer bist du? Worüber sprichst du?" meine Stimme zitterte und glich einem kleinen Erdbeben, ob aus Angst oder Nervosität war noch unsicher. Die hochgewachsene Silhouette lehnte gegen die Wand und starrte mich ohne jegliche Emotionen an.

„Du hast so lange geschlafen, dass ich mir Sorgen gemacht habe, ob du überhaupt wieder aufwachst." Ich horchte auf. „Du hast dir Sorgen gemacht?" Etwas mehr Hoffnung als geplant schwang in dieser Aussage mit. „Nein, ich wollte nur nicht neben ner Leiche liegen. Die stinken so schnell." Enttäuschung durchfuhr mich, doch musste ich leicht grinsen. Meine Lippen pressten sich zusammen, in einer Art peinlich berührten Ausdruck. Sein Gesicht zeigte weiterhin keinerlei Regung, weshalb ich eingeschüchtert damit aufhörte.

Es herrschte wieder Stille in der vielleicht 12 Quadratmeter großen Zelle. Er sah mich ununterbrochen an, während ich mich nicht entscheiden konnte, welche Wand ich interessanter fand. Ich versuchte immer wieder einen unbemerkten Blick auf ihn zu erhaschen, aber seine Augen fingen meine jedes Mal ab.

Ich hatte niemals jemanden mit solch einem Gesicht gesehen, als hätte sich ein Künstler sich ihm angenommen. Sein Haar hatte einen dunklen Ton, doch dieser könnte auch vom tagelangen Dreck stammen. Sie waren etwas zu lang, was ihn einen gefährlichen Ausdruck verschaffte. Seine Lippen sahen selbst von der Entfernung sündhaft weich aus, weshalb meine Augen schnell wieder die Wand aufsuchten.
Doch am meisten faszinierten mich dieser Blick. Etwas schwamm in den Quellen dieses Ausdrucks, was es schwer macht, wegzusehen.

Er wurde und wurde nicht müde mich anzustarren und nach einer Zeit fasste ich den Mut, ihn erneut anzusprechen.
„Wie lange starrst du mich schon so an?" Er ließ sich mit seiner Antwort Zeit. „Seit sie mich hierher gebracht haben." Nun etwas mutiger fragte ich weiter: „Und wie lange ist das?" Er zuckte genervt die Schultern. „Sehe ich so aus, als hätte ich ne Uhr bei mir?" Meine kurz zuvor entdeckte Willensstärke verließ mich auch schon wieder. Peinlich berührt starrte ich abermals in der Luft herum. Die unangenehme Stille frass an meinem Denkvermögen.

Ich überlegte lange, ob ich meinen nächsten Satz wirklich aussprechen sollte, entscheid mich aber dafür. Meine Neugier überragte kurzzeitig mein sonst so bedachtes Feingefühl. „Was passiert nun mit dir?" Sein Gesichtsausdruck änderte sich von gleichgültig zu überlegend, doch er erwiderte nichts. Ich startete einen neuen Versuch, in der Hoffnung diese unangenehme Stille zu brechen. „Ich meine, offensichtlich haben sie dich nicht umgebracht." Ich quetschte mir ein Lach-ähnlichen Laut aus, um die Situation zu retten, machte es dadurch aber nur schlimmer. „Natürlich nicht. Erst wenn sie alles nötige versucht haben, um Informationen aus mir rauszubekommen. Zudem meinte einer der Wachen, dass sie daraus irgendein großes Event rausmachen wollen."

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Where stories live. Discover now