𝐅𝐢𝐯𝐞

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Wir wurden durch die langen grauen Gänge des Kerkerbereichs geführt. JK lief neben mir her. Als ich in sein Gesicht schaute, runzelte er die Stirn. Kurz meinte ich Sorge darin zu erkennen, doch wahrscheinlich war er nur genauso verwirrt wie ich. Hatte mein Bruder endlich eine Möglichkeit gefunden mich los zu werden? Waren das auch meine letzten Tage gewesen?

Die Treppe, die uns an die Oberfläche führen sollte, kam ans Licht. In Reihen stiegen wir die Stufen hoch und blieben vor der verriegelten Tür stehen. Mein Herz flatterte nervös. Drei Jahre war es her, seit dem ich das letzte Mal da oben war. Wenn heute mein letzter Tag sein sollte, konnte ich zumindest ein letztes Mal das Gefühl von Sonne auf meiner Haut auskosten.

Der Bärtige schloss die Tür auf und gab den Blick frei auf die altbekannten Mauern meines „Zuhauses". Die frische Luft schlug mir quasi ins Gesicht. Die vielen großen Fenster waren weit geöffnet und ließen die Außenwelt ins Innere scheinen. Meine Laune machte einen kurzen Bogen nach oben, bevor die Ernüchterung zurückkehrte. In meiner Zelle gab es zwar auch ein kleines dauer-offenes Fenster, doch es rettete mich nicht vor dem Gestank, der sich in diesen Bereich des Schlosses befand. Das lag an den ganzen Abfällen, die man nicht weit entfernt von mir, einfach ablagerte und erst wegbrachte, wenn sich jemand dazu freiwillig erklärte. Also so gut wie gar nicht.

Die Wachen drängten mich und JK heraus und liefen mit zügigen Schritten über den mit Teppichen belegten Boden. Verwirrt folgte ich ihnen. Wenn sie uns auf den Hof bringen wollen würden, hätten sie längst abbiegen müssen. Doch das taten sie nicht. Sie liefen mit uns einfach weiter gerade aus, immer weiter ins Schlossinnere. Da war ich mir sicher. Meine Kenntnisse vom Schloss waren zwar eingerostet, aber vorhanden. Als letzter der Prinzen, gab es so gut wie keine Wahrscheinlichkeit jemals König zu werden. (Besonders mit meiner Vorgeschichte.) Deshalb gab es für mich nicht viel zu tun, außer zu lesen und das Schloss zu erkunden.

Auf unserer Wanderung begegneten uns einige Angestellte. Die Diener schritten ehrfürchtig zur Seite und verbeugten sich. Früher hatten sie es für mich getan, heute für den Mann, der an der Spitze lief. Es war der mit dem Bart: Offenbar ein hohes Tier unter den Soldaten. Wieso kümmerte sich jemand mit seinem Rang um Gefangene? Es passte alles nicht zusammen. Auch die Tatsache, dass wir die privaten Zimmer erreicht hatten, zu denen nur wenigen der Zutritt erlaubt war, verwirrte mich. Wollten die mich in meinem alten Schlafsaal umbringen oder was sollte das werden?

Sie liefen wirklich mit uns zu meinem ehemaligen Schlafsaal und öffneten die Tür. Ohne etwas zu sagen, zogen mich zwei der Wachen in den Raum. Verdattert sah ich zurück und erblickte JKs Gesicht. Er starrte einfach nur zurück und zeigte keine Gefühlsregung. Die zwei Soldaten lösten meine Fesseln und ließen mich mitten im Raum stehen. Dann schlossen sie die Tür unter sich und unterbrachen somit JKs und meinen Augenkontakt.

Was sollte das den jetzt? Wo brachten sie ihn hin? Bringen sie mich doch nicht um? Warum haben sie mich hierher gebracht? Was passiert mit ihm?

Auf einmal öffnete sich die Tür zu dem anliegenden Bad. Heraus trat ein Mann im mittlerem Alter, der auch schon vor meiner Kerkerzeit hier gearbeitete hatte. Er war immer nett zu mir, doch konnte ich steht's die Angst in seinen Augen erkennen. Die Leute hier hatten schon immer mehr Angst vor einem kleinen Jungen, als vor den restlichen Adeligen, die sich nicht scheuten Köpfe abzutrennen.

„Eure Hoheit, ihr Bad ist hergerichtet."
Ach du scheiße, wie sehr ich diese Anrede nicht vermisst hatte. Das Gegenteil traf auf das angesprochene Bad zu. In unregelmäßigen Abständen war es mir erlaubt, mich mit einem Eimer Wasser zu waschen, aber das konnte man natürlich nicht mit einem echten Bad vergleichen. Also marschierte ich, mit JK im Hinterkopf, in den angrenzenden Raum.
Der Diener kündigte an, dass in einer Stunde jemand vorbei kommen würde, um sich um mein Aussehen zu kümmern, dann schloss der die Tür hinter mir.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Where stories live. Discover now