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Das wars dann. Meine Augen schlossen sich, als mich die Verzweiflung überholte. Evin würde mich zu Damian bringen. Von da aus ohne irgendeinen Plan war meine Chance zu siegen, so ungefähr bei null. Womöglich würde ich nicht mal Jimin und die anderen retten können. Warum war Damian mir immer einen Schritt voraus?

Langsam stand ich auf und bewegte mich von der Leiche weg. Meine Hände hoben sich in die Höhe und ich starrte den Weißhaarigen ausdruckslos an. „Ich werde mich nicht weigern mitzukommen, wenn du sie gehen lässt." Evin folgte meinem Blick auf das rothaarige Mädchen. Falls ich zuvor geglaubt hatte, Ruby wäre kühl gewesen, so wurde ich bei seinem Anblick eines Besseren belehrt. Über die Jahre hatte ich beinah vergessen, wie wenig sich meine Brüder um mich kümmerten.

„Ich befürchte, dass wird nicht möglich sein." In seinen Augen lag nichts als dieses blaue Eis. Selbst das wirkte blass an ihm. Er war der einzige von uns, der helle Haare hatte. Witzig, dass ausgerechnet ich derjenige war mit einem anderen Vater.

„Sie hat mit dem ganzen nichts zu tun. Lass sie gehen, dann komme ich mit." Der Mann, der Ruby festhielt, machte einen glucksenden Laut. „Du wirst auch so mit uns kommen." Ich begab mich in Kampfhaltung. Mir stand keine Waffe zur Verfügung, doch am besten war ich sowieso ohne. Gegen Evins Hilfsmann hatte ich einen Chance, gegen meinen Bruder selbst- bezweifelte ich. Er wurde recht früh in ein Trainingslager geschickt, weg vom Hoff. Nach Aussagen der Angestellten seines eigenen Wunsches nach. Er hatte nicht nur mehr Wissen sondern auch mehr Erfahrung.

Aufgeben würde ich trotzdem nicht.

Evin wandte seinen kühlen Blick zurück zu mir und zog langsam das Schwert an seiner Seite. Meinen Bogen schmiss er irgendwo hinter sich, weswegen sich meine Augen verfinsterten. Es war ein Geschenk gewesen.

Dann mit einer viel zu schnellen Bewegung verschwand die Klinke in der Kuhle eines Halses. Ein Ruck ging durch den Mann, als ihm sein Kopf gewaltvoll von den Schultern gerissen wurde. Rote Flüssigkeit tropfte auf das Gesicht des Mädchens, das mit aufgerissenen Augen stumm da stand. Der Unbekannte fiel hinten über, wo er still liegen blieb. Kopflos.

Der Anblick brannte sich in mein Gedächtnis, sodass ich meine Umgebung für kurz nur verschwommen wahrnahm. Ruby blinzelte zu mir, als hätte sie Angst, sich umzudrehen und sich dem Geschehen zu stellen. Der dritte meiner Brüder strich das Blut an der Kleidung des Toten ab und ließ die Waffe anschließend wieder einrasten. Angst flatterte in den Augen des Mädchens. Sie lauschte nur auf die Geräuschkulisse hinter ihr.

„Komm." Der Weißhaarige nickte mir zu und verdeutlichte, ihm zu folgen. Zuerst langsam, dann schneller kam ich auf ihn zu. Ich griff mir Ruby, legte eine Hand über ihre Augen und zog sie von ihm weg. Soweit wie möglich, würde ich verhindern, dass sie den am Boden-liegenden betrachten musste.

Ich einer beiläufigen Geste strich ich ihr die Blutspritzer vom Gesicht. Für ihr weißes Kleid war es leider schon zu spät.

Sie zitterte.

Ich schliff sie mit mir weiter in den Raum hinein, weg von dem Mann. Schlussendlich drückte ich ihr ganzes Gesicht an meine Brust und hielt sie fest. Eifrig umschlang sie meine Hüften mit ihren dürren Armen. Finger krallten sich an den Stoff meines Shirts. Meine Jacke auf ihren Schultern rutschte gemächlich nach unten.

„Warum hast du das getan?", wollte ich von dem Ausdruckslosen wissen. Dieser blickte hinab, so gefühlskalt, dass mir beinah noch übler wurde. Evin betrachtete sein Opfer wie Kinder eine Ameise. Teilweise neugierig aber größtenteils distanziert. Als wäre alles was er sah eine Leinwand und kein echtes Bild. Ich verzog mein Gesicht.

„Er wäre im Weg gewesen."

Ich zischte durch meine Zähne. „Für was im Weg?!" Mir war immer noch ein wenig schummrig von dem Benutzen meiner Fähigkeit. Kurz meinte ich, meine Beine würde nachgeben, doch dann festigte sich mein Stand wieder. Diesen Moment nutzte er und kam uns unfassbar nah. Ich riss meine Augen auf. Er hatte Jimins Geschwindigkeit, mit der ich nicht mithalten konnte. Ein wenig drückte ich Ruby näher zu mir. Ich spürte ihren Herzschlag, was mich zumindest ein wenig beruhigte.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt