𝐓𝐡𝐢𝐫𝐭𝐲 𝐨𝐧𝐞

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Unsicher faltete ich meine Hände. Es waren fünf Minuten vergangen und ich wusste immer noch nicht, was ich war - wer ich war. Unentwegt geisterte der Einundzwanzigjährige in meinem Kopf herum. Er begrub sinnvolle Überlegungen unter einem Schwall aus Gefühlen. Flatternde Viecher erlaubten es sich, auf meinem Herzen zu tanzen. Kribbelig stupsten sie es an, doch mit jeder Minuten, die verstrich, wurden ihre Flügelschläge schwerer - immer mehr Gewicht lastete auf meinem blutenden Organ. Mit jeder Minute entfernte er sich weiter.

Das war auch dem Fremden bewusst. Ich bin sicher, er nutze diesen Fakt als Absicherung. Ich konnte nicht einfach gehen - das wusste ich, das wusste er und wahrscheinlich auch die Flatterlinge in mir, nur fiel es diesen schwere, es zu akzeptieren.
Gemütlich und ruhig bereitete der großgebaute Mann etwas zu essen vor. Ich hinterfragte lieber nicht, wie lange die Suppenzutaten bereits hier lagerten. Mit der Flamme hatte er eine kleine Feuerstelle entzündet, die die unangenehme Kälte etwas vertrieb.

Ich nutze den Moment, um ihn etwas genauer zu betrachten. Der Mann schien in den späten Dreißigern, obwohl sein Aussehen zu einem anderen Schluss verleiten ließ. Seine Arme waren kräftig und mit trainierten Muskeln versehen, die Wangenknochen spitz und seine Haare frisch und dunkel. Das einzige, was mich sein Alter erraten ließ, war die Art wie er sprach. Er schien resigniert und wahrte stets einen angemessenen Abstand zu mir.

Von der Angst, die ich zum Beginn dieses Tages noch gespürt hatte, war kaum noch etwas übrig. Doch auch der klägliche Rest bezog sich nicht auf den Mann selbst, sondern auf das, was in seinem Gehirn lauerte. Er war harmlos, das hatte ich mittlerweile begriffen und innerlich hatte ich ihm längst mein Vertrauen geschenkt.

Ich erwachte aus meinem Tagtraum, als er mir die Schalle hinhielt, in der eine unbekannte Flüssigkeit schwamm. Zumindest waren darin keine Bestanteile eines Fuchses - vermutlich.
Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich, während er auf den anderen verwies. Doch ich blieb stehen - mitten im Raum, völlig fehl am Platz und hielt mich an dem rundlichen Teller fest. Schlussendlich sank ich auf den Boden und drückte mich an die Wand. Der Fremde seufzte so, als hätte er meine Reaktion bereits vorausgesehen.
„Und du bist dir sicher, dass du es wissen willst?"

Empört blinzelte ich ihn an, bereit von meiner Stimme gebrauch zu machen, doch er kam mir zuvor. „Schon gut. Ich wollte- Ich werde das dann nicht mehr zurücknehmen können und auch ich werde dir nicht alles anvertrauen können. Es wird etwas mit dir machen... sicher das du das willst? Das du bereit bist?"
Böse sah ich ihn an - diesen Fremden, der soviel von seinen Worten hielt. Als wäre ich ihm gefolgt, gäbe es nicht die Aussicht auf Antworten. Lächerlich.
„Ich bin vor zwei Monaten jemand anderes gewesen als jetzt. In drei Jahren, wenn noch lebend, werde ich jemand anderes sein als jetzt. Also..."

Skeptisch sah er mir in die Augen. „Ich möchte es wissen, okay? Vielleicht wird dieses Wissen mich verändern," Meine Augen verdrehten sich. „aber wenn es mir weiterhin vorenthalten wird, drehe ich durch. Das ist mein Leben - kann ich nicht wenigstens darüber mitbestimmen?"
Ich hörte meine Worte erklingen, sie fühlten sich an wie ein Flehen.
„Okay.", meinte der Mann, bevor er verstummte. „Ich bin Jac im Übrigen."
„Taehyung."
„Hast du den irgendwelche Fragen?"

Innerlich gluckste ich. Denn davon gab es genug. „Konkrete Fragen, die du zu Beginn wissen willst, meine ich." Kurz verschwand ich in meinem Kopf, bevor ich einfach die Frage aussprach, die sich zuerst in den Vordergrund drängte. „Wer bin ich?"
„Prinz Taehyung." „Dann kennst du mich?" Mein Kopf legte sich schief. „Du meinst, so wie jeder in diesem und in einem der anderen Königreiche? Ja, ich denke schon." Beschämt wendeten sich meine Augen von seinen ab. „Wieso kennen mich den alle?" „Du hast deine Mutter getötet, sowas spricht sich rum."

Ich zuckte bei seinen Worte zusammen. Ich wusste das, doch schmerzte es weiterhin. „Außerdem war euer Ausbruch legendäre. Aber keine Sorge niemand hat dich je gesehen. Es flattern nur die Gerüchte umher."
„Es sind keine Gerüchte, wenn sie wahr sind.", flüsterte ich mit belegter Stimme. Damit bezog ich mich größtenteils auf meine Mutter. Mitleidig betrachte mich der Ältere.
Schnell sah ich auf und legte mir einen fröhlichen Ausdruck aufs Gesicht, der versuchte den Schatten zu überdecken. „Was bin ich?", fragte ich um vom Thema wegzukommen.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt