16

33 6 0
                                    

Beinah verschluckte ich mich an dem Inhalt meines Löffels. Ein wenig verschreckt, blickte ich zu Eugene. „Ich meine nur natürlich, wenn du bereits einen gefunden hast!", ergänzte er, als er meine Reaktion sah. Schnell setzte ich mich gerade auf. Die Aufmerksamkeit lag vollends auf mir, ansonsten war es still im Raum. „Nein, nein, schon gut!", meinte ich an den König gerichtet.

Ich weiß nicht, wann ich die Entscheidung getroffen hatte, aber es schien mir klar. Noch länger mit meiner Antwort zu warten, würde mir nichts bringen, am Ende würde ich sowieso darauf zurückkommen.

Ich sah den Mann mit dem sanften Lächeln im Gesicht an, seine Hände erneut unter seinem Kinn. „Ajey.", gab ich bekannt. Ein schepperndes Geräusch zog die Aufmerksamkeit von mir. Allesamt schweifte unser Blick zu dem Blonden am anderen Eck. Jimin hatte sein Glas umgeworfen. Ich runzelte die Stirn. Sein Gesichtsausdruck war eingefroren, es spiegelte Entsetzten wieder. „Alles okay, Jimin?", fragte ich schließlich. Dieser zerbrach seine Starre. „Natürlich. Sehr schöner Name, gute Wahl. Nette Bedeutung.", hektisch versuchte er, seinen Platz zu säubern. Die Bediensteten kamen auf ihn zu und übernahmen die Aufgabe für ihn, sodass er sich etwas zurücklehnte.

„Die Bedeutung?" Meine Lippen formten Worte ohne mein Zutun. Vermutlich hätte ich ohnehin gefragt. Er verhielt sich äußerst komisch. Ich kam nicht umhin daran zu denken, dass es etwas mit Jk zutun haben könnte.

„Er hat mehrere Bedeutungen, aber die meist verwendete ist Unbesiegbarkeit."

Woher wusste er das? Und wieso gab Jungkook mir gerade diesen Namen?

Jimin zerstörte erneut meine Gedanken, indem er schwungvoll aufstand. Mein Blick erhaschte das leichte Zittern seiner Hände. Der Anblick erschütterte mich. Ich verstand die Situation nicht. Überfordert beobachtete ich einfach nur, wie er sich entschuldigte und dann den Saal verließ.

Verdattert sahen wir ihm alle hinterher.

Mit Mühe brachte ich den Rest des Tages hinter mich. Mein Unterricht ging ewig, bis in die Nacht hinein, und als ich endlich entlassen wurde, brachen mir fast die Beine weg. Doch schlaf fand ich keinen. Ewig wälzte ich mich umher, bevor ich schlussendlich aufgab. In meiner wenigen Nachtkleidung und nackten Füßen verließ ich den Raum. Eine Kerze in der Hand.

Wie bereits die Nacht zuvor, befahl ich den aufspringenden Wachen, ihren Posten nicht zu verlassen. Und ebenfalls wie letzte Nacht schlich ich mich die Treppen unbemerkt hinunter, bis ich im Kerkerbereich ankam. Die Soldaten schenkten mir einen etwas überraschten Blick. Vermutlich sah man hier nicht ganz so häufig wiederkehrenden Besuch.

Aber sie ließen mich rein.

Wieder an der selben Kurve hielt ich an und atmete tief ein und aus, dann trat ich um die Ecke. Meine Kerze war das einzige, das den Flur erleuchtete. Die letzten Meter rannte ich und machte unnötig Geräusche. Sobald ich ihn sah, wurde etwas in mir leichter. Als wäre die ganze Welt eine Schattierung wärmer, heller - weniger grausam, fast sogar schaffbar.

Er setzte sich auf, sobald ich neben ihm stand. Meine Schritte mussten ihn geweckt haben. Ein wenig verschlafen, aber klar im Kopf starrte er gegen das Licht der Kerze. Seine Lippen schienen zu lächeln, als er mich erkannte. „Taehyung.", murmelte er. Mir fuhr es kalt den Rücken runter, als er meinen Namen mit seiner rauen Stimme formte. Schnell ließ ich mich auf die Stelle nahe der Zelle nieder, wie die Nacht zuvor.

Doch nicht wie zuvor griff diesmal ich an die Gitterstäbe. Ich presste meine Stirn gegen das Metall, als könnte ich damit den Abstand loswerden. Würde ich meinen Vater bitten, womöglich hätte er ihn für mich freigelassen. Doch dieses Eisen war das einzige, das mich noch bei Verstand hielt. Ich konnte ihm nicht noch mehr verfallen. Diesmal gab es Aufgaben, die ich zu erfüllen hatte. Den nach allem war er immer noch der Sohn eines verfeindeten Landes. Diese Welt war nicht für uns gemacht. Wir waren Bewohner von ihr, aber es war nicht unsere. Ich konnte das Eisen zwischen uns nicht verlieren, genauso wie ich ihn nicht verlieren konnte. Es war ein Packt mit dem Teufel. Keine Gewinner, nur Opfer.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt