𝐓𝐰𝐞𝐧𝐭𝐲 𝐭𝐰𝐨

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Nachdem meine Tränen trockneten und lediglich ein Gefühl von Leere in mir hinterließen, brachte ich meine Beine wieder zum Zittern, indem ich meine ersten Versuche tätigte, aufzustehen. Meine Füße beklagten sich empört darüber, plötzlich wieder unter meinem Gewicht zu leiden.
Als würde ich mich selbst umarmen, legten sich meine Arme um meinen Körper. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte.

Noch wollte ich nicht zu den anderen gehen, doch wohin sonst? Mittlerweile müsste die Sonne den Tag vollständig begrüßt und sich einen Platz am Horizont gesucht haben. Trotzdem schaukelte das Boot noch immer bewegungslos vor sich hin.
Weitere Minuten verbrachte ich damit meinem Gehirn Freiraum zu geben, sich Lösungen auszudenken, doch immer wieder landete ich bei den selben Themen.
Das Monster in mir und Jk oder besser: Jk und Nils. Selbst die Namen schienen zu passen. Ich war mir nichtmal sicher, welches Thema das Schlimmere darstellte. Die eine Erinnerung führte zur nächsten und übergab mir keinerlei Erleuchtung. Gerade erst ebnete mein Weinen ab, da war mir gleich wieder danach zumute.

Es war bereits wenige Stunden vergangen, doch wiederholte sich das Geschehen in dem Hotel in so einer Vielzahl in meinem Kopf, dass es mir nicht mal mehr zu zählen fähig war. Was zur Hölle war das für ein Gefühl gewesen?

Es war immer noch da, unter der Oberfläche, hinter irgendwelchen Türen, doch schien es mir nicht greifbar. Es war wie die Gier, die ich längst aus den Augen verloren hatte. Dieses Gefühl griff nach mir und zog an meinen sinnvollen Gedanken. Wie sollte ich damit umgehen? War es das, wovor mich mein Brüder immer hat „warnen" wollen?

Erst da fielen mir meine Gedanken vor die Füße. Was wenn mein Bruder wirklich ... mehr wusste? Was wenn er es die ganze Zeit wusste? Immer mehr wurde mir bewusst, dass ich nicht in der Lage war, diesen Vorstellungen aus dem Weg zu gehen, doch selbst für eine kurze Zeit verdrängen ging nicht. Sobald sich meine Augen vor der Welt verschlossen, sah ich die Klinge, wie sie sich durch die Organe des Mannes bohrten. Sobald ich sie wieder öffnete, tröpfelte das rote Blut von der Waffe, die ein gewisser Dunkelhaarige geführt hatte. Ein durchaus gut-aussehender Dunkelhaariger, der sich das Zimmer mit der Quelle meiner Eifersucht teilte.
Stöhnend rieb ich mir mit den Fingern über das Gesicht. Meine Haut fühlte sich matt unter den Sensoren meiner Fingerspitzen an. Irgendwie fertig mit der Welt, müde. Und das war ich auch. Müde des Unwissens.

„Wer bist du den?!" Meine Augen rissen sich unverhofft sperrangelweit auf, um den Neuankömmling zu betrachten. Ein Mann mit einer Seemannsmütze auf den öligen Haaren, blickte zu mir herab. Sofort fühlte ich mich in seiner Gegenwart verunsichert und neigte meinen Kopf.

„Du musst der neue Aushilfsjunge sein! Nen hübscher für nen Aushilfsjungen bist de", meinte er erfreut, weshalb ich leicht meine Augenbrauen anhob. Mir war nicht sicher, was er mit mir tuen würden, wenn ich ihm mitteile, dass ich keineswegs der gesuchte Küchenjunge war, also ließ ich es bleiben. Ich lächelte ein gequältes Lächeln, bevor ich ihm ein Nicken schenkte. „Äh ja."
„Na dann komm mit!" Freudig pfeifend eilte er in eine Richtung. Mit viel Mühe konnte ich ihm folgen, ohne über meine eigenen Beine zu stolpern. Mir gefiel die Tatsache nicht, jetzt irgendwelche Aufgaben in die Hand gedrückt zu bekommen, besonders, da ich hier wahrscheinlich nur Anwesenheitsrecht hatte, weil ich mich als jemand anderes ausgab. Aber wahrscheinlich hatte es mehr Vorteile als Nachteile. Zumindest könnte mich das Erledigen von Haushaltsaktivitäten von meiner Situation ablenken und ihn meinen Kopf frischen Wind hauchen. Obwohl ich dennoch bezweifelte, Jks Anblick, vor allem den neben jemand anderen, je wieder aus meinen Erinnerungen gelöscht zu bekommen.

Der stämmige Mann klopfte an einer Tür, die wir durch ein paar Treppenstufen nach unten erreicht hatten. Sofort öffnete ihm eine pummelige missgelaunte Frau. Sie schaute erst ihn abschätzend an, dann mich, als ich auch schon versuchte, mich irgendwie an meinen Händen festzuhalten. Im Moment wäre ich lieber wieder in der Zelle. In einem unfassbar kalten einsamen Raum, in dem mich lediglich die Laute meines eigenen Gehirns einholen würden.
„Der ist ja schmächtig! Wie soll der mir den in der Küche helfen?!" Ängstlich drückten sich meine Fingernägel fester ins Fleisch, aber ich probierte mein Bestes, mir meinen Pein aus dem Gesicht zu wischen.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Where stories live. Discover now