Nine

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...

Langsam testeten meine Finger die Tasten des Klaviers. Noch immer klangen sie, wie in meiner Erinnerung. Dieser ganze Ort klang wie in meinen Erinnerungen.
Schrill, dumpf manchmal beides zugleich.
Ich wollte nicht hier sein. Ich sollte nicht hier sein.

Schritte aus dem Nebenraum. Ich stand auf. Ich hatte das Können fürs Pianoforte bereits verloren.
Mit einer Verbeugung begrüßte ich den Prinzen. „Da bist du ja! Ich habe dich bereits gesucht." Leicht, bedeutungslos, blickte ich in das dunkle Nichts seiner Augen. „Was kann ich für dich tun, mein Prinz?" Mir war danach Ironie in meine Stimme zu legen, doch ich machte diesen Fehler nicht. Ich machte schlichtweg keine Fehler - nicht mehr.

„Wieso hast du mich zurückgerufen?" Zwei starre Augenpaare blinzelten einander an, in keinem lag die Zuwendung, die aus dem Begriff unserer Beziehung fließen sollte. „Ich habe eine Aufgabe für dich." Interessiert hob sich meine Augenbraue. Es kam nicht selten vor, dass er mich etwas für ihn erledigen ließ, doch bisher zitierte er mich dafür nicht ins Schloss - in mein ehemaliges Zuhause. „Was kannst du über unseren zweiten Bruder sagen? Wie lebt er sich in Nanadin ein?" „Gut."
Ich war ganz sicher nicht hier, um über meinen älteren Bruder zu reden. Trotzdem schnitt er immer wieder solch ein Thema an, als würde er sich kümmern, als hätte er Gefühle.

„Ach, so eine kurze Antwort? Mehr habe ich nicht verdient? Dabei sorge ich so gut um euch und ihr tut mir nichts im Gegenzug." Mit einer ausschweifenden Bewegung durchkreiste er den Raum, um sich schlussendlich auf den Thron niederzulassen. Den Sitz, den er unseren Vater gestohlen hatte. Der daneben - leer - eine Erinnerung an unsere Mutter.
„Komm zum Punkt, Damian. Was willst du von mir?", fragte ich erneut, als er mich mit seiner üblichen Miene ansah. Mir war sie so leid. Diese Person, die ich unmöglich meinen Bruder betiteln konnte. Dieses Gesicht, mit diesen unterkühlten Augen als Mittelpunkt.

Meine Zähne pressten auf einander, bis mein Kiefer schmerzte.

„Was hast du es den immer so eilige?" Er lehnte sich zurück. „Nun gut, ich habe dich persönlich auserwählt, um unseren Bruder wieder einzufangen. Unseren Jüngsten."
Ich schnaufte beinah, doch stoppte mich noch rechtzeitig. Eine weitere dieser Missionen, deren Sinn ich nicht erkennen konnte. „Es ist Monate her, seit seinem Ausbruch und du hast bisher keinerlei Anstalt gemacht, ihn zurückzubringen. Nicht eine Wache hast du ihm hinterhergeschickt. Warum jetzt?" Ja, Damian, warum jetzt erst?

Wie gerne würde ich seinen Kopf gewaltsam aufschneiden, um hinter all seine Machenschaften sehen zu können. Darin verhielt es sich vermutlich wie auf einen Spielplatz für Zahnräder, nicht möglich zu überblicken, sollte man sie nicht erschaffen oder studiert haben. Ich kannte meinen Platz. Ich wusste zu gut, dass ich nur einer seiner Figuren war, die er beliebig übers Brett schob. Niemals unentbehrlich, niemals mehr als das.

Seine Lippen hoben sich, ich beobachtete es mit einer gewissen Spannung. Keine seiner Handlungen war ungefährlich oder gar ein Ereignis des Moments. Er tat sie schlichtweg, um menschlicher zu wirken. „Na na lieber Bruder. Das klingt ja fast wie eine Anschuldigung. Dabei solltest du mich doch besser kennen, nicht?" Er hatte recht. Wenn er Dinge tat oder sie nicht tat dann aus einen gestimmten Grund: Es nutze ihm etwas.
Aber was würde ihm Taehyungs Ausbruch für Vorteile bringen? Seit jeher fragte ich mich das. Taehyung war Damians strengst bewachtes Eigentum. Wie die Puppe meiner Kindheit, die er mir damals stahl und nur so lange behielt, wie ich mich dafür interessierte.

Deswegen wurde mein Verstand nicht müde, die Überlegungen in meinem Gehirn stetig anzutreiben. Was für ein Spiel trieb er dieses Mal? Am liebsten würde ich mich daraus-halten, aber ihm war daran gelegen, mich mit hineinzuziehen.
„Du hast recht. Ich kenne dich besser. Ich verstehe nur deine Beweggründe hierfür nicht." „Es gibt eine Menge Dinge, die du nicht verstehst und es womöglich nicht mal kannst." Der Muskel in meiner Wange zuckte, während ich von einem Bein zum anderen trat.

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang