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Mit leuchtenden Augen sah ich auf den Ort vor mir herab. Eine kleine Erbhebung grenzte die Stadt von der Umgebung ab. Häuser lagen zwischen Wasserquellen und Flüssen. Es gab kaum Straßen, aber die Häuser waren so gradlinig an einander gebaut worden, dass Wege auf ihren Dächern verzeichnet waren.

Wir eilten hinab. Sofort erreichte uns der Trubel. Mit schnellen Schritten nahmen wir den Steg, der uns auf die Dächer der Häuser führte. Unter unseren Füßen floss Wasser vorbei, hin und wieder entdeckte man Boote vorbei schwimmen. Ich erkannte, weswegen manche Menschen die Stadt als Labyrinth beschrieben. Wenn man von oben herabschaute, waren die Wasserstraßen unübersichtlich. Als wären sie dafür gemacht, sich zu verlaufen. Und trotz dieser Verwirrung bemerkte ich die Genauigkeit mit der gearbeitete wurde. Alles war aufeinander abgestimmt, alles auf einer Ebene, kein Hausdach ragte heraus. Ein geordnetes Chaos. Es war erstaunlich anzusehen, hatte aber nicht die Schönheit von Ardjile mit seinen Rosen oder die von Sopua mit der lebenden Nacht.

Langsam gingen wir schweigend neben einander her. Wir stachen aus der Menge heraus. Besonders Ruby mit ihrem roten Haar und Evins Erscheinung schien die Leute zu interessieren. Selbstbewusst liefen sie Seite an Seite. Die Menschen spalteten sich um sie. Jk und ich blieben etwas zurück. Ich hörte das Gemurmel von den Anwohnern um uns herum. Erst nach einer Weile stellte ich fest, dass sie Evin erkannten. Daran hatte ich zuvor nicht einmal gedacht. Dabei kannte selbst ich die Gerüchte um ihn. Damals als ich noch im Schloss lebte, hatte ich davon Wind bekommen. Von dem farblosen Prinzen mit dem erkalteten Herz.

In meinen Gedanken versunken, bemerkte ich die Bewegung vor mir nicht. Evin zog etwas aus seiner Tasche und warf es auf die Menge zu. Ich riss meine Augen auf, während ein Messer knapp über den Kopf eines älteren Mannes die Wand einschlug. Vor Schock wurden die Knie des Fremden weich. Er fiel in einer unterwürfigen Geste auf den Boden und flehte meinen Bruder um Vergebung an. Verwirrt beobachtete ich die Szene. Ich hatte keinen blassen Schimmer was soeben passiert war. In diesen Moment wünschte ich mir Jimin und Jac herbei. Aus irgendeinen Grund wussten die beiden immer, wann Erklärungsbedarf bei mir bestand.

Der Weißhaarige kniete sich elegant zu dem anderen herab. Seine behandschuhte Hand legte er auf die Schultern des Mannes, der geradezu in den Boden hinein starrte. Dennoch war Evins Handlung kein Akt der Freundlichkeit, nein, seine Berührung war eine leise Warnung. Man sollte besser nicht mit dem Eis spielen.

„In Zukunft hältst du deinen Mund verschlossen.", gab der Prinz den Untertan zu verstehen. „Natürlich Sir. Entschuldigen Sie Sir. Das wird nie wieder vorkommen!" „Gut.", seine Stimme war so kalt wie der Ausdruck in seinen Augen. Dann stellte er sich wieder an den Anfang unserer kleinen Gruppe. Wir liefen weiter. Ich warf einen Blick zurück auf das Geschehen. Die Menschen, die sich zuvor ihrer Neugierde hingegeben hatten, verschwanden nun eilig. Kleine Leitern an der Seite führten jeweils nach unten. Türen wurden aufgerissen und zugeschlagen, Fenster unter uns geschlossen, Lichter erloschen. Als versuchten sie, ihre bloße Existenz zu verbergen. Der Mann kniete noch immer in derselben Position auf dem Boden und zitterte. Über die ganze Situation konnte ich nur meine Stirn runzeln.

Ruby ließ sich auf der nun freien Fläche etwas zurückfallen. Irgendwann lief sie nur knapp vor Jk und mir. Immer wieder umgingen wir das Zeug, das die Menschen einfach haben stehen lassen. „Habt ihr mitbekommen, was da passiert ist?", wollte das rothaarige Mädchen wissen. Verdutzt sah ich zu ihr. Ich ging davon aus, dass sie es besser wusste, schließlich stand sie direkt neben Evin und war somit auch dem Mann näher gewesen. „Nein.", antworte Jk ihr ehrlich. Erneut blickte ich verwirrt drein. Selbst Jk wusste es nicht? Das war ungewöhnlich. Nicht nur ungewöhnlich, das war so gut wie unmöglich.

„Was hat den der Mann gesagt?", fragte ich Ruby. Diese zuckte die Schultern. „Ich habe nicht mal gehört, dass er irgendwas gesagt hat, geschweige den was." Mit einem mulmigen Gefühl blickte ich auf Evins Rücken. Sein Gehör war doch nicht mehr normal oder?

𝐅𝐨𝐮𝐫 𝐒𝐲𝐥𝐥𝐚𝐛𝐥𝐞𝐬 (𝖳𝖺𝖾𝗄𝗈𝗈𝗄)Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum