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Kiara

"Ich bediene nur Leute, die freundlich zu mir sind.", lächle ich falsch und drehe mich dann um, um mir einen Tequila Shot fertig zu machen.
Ich brauche dringend Alkohol, sonst überlebe ich diesen Abend nicht. Sonst steche ich vermutlich noch jemanden ab und ich will wirklich jedem hier ein Blutbad ersparen.

Sein stechender Blick bohrt sich in meinen Rücken, während ich die Zitrone aufschneide und mir etwas Saft auf den Handrücken träufel, damit das Salz besser hält. Ich ignoriere seine vergeblichen Versuche, meine Aufmerksamkeit zu kriegen, drehe mich aber trotzdem wieder zu ihm um.

Sofort finden seine Augen mein Gesicht und auch ich kann meinen Blick nicht von ihm lösen.

Direkt schaue ich ihm in die bernsteinfarbenen Augen, während ich provokant mit meiner Zunge über das Salz auf meinem Handrücken lecke. Ich beobachte, wie er versucht unauffällig nach Luft zu schnappen, bevor ich das Shotglas leere und ohne mit der Wimper zu zucken in die Zitrone beiße.

Der Fremde befeuchtet seine Unterlippe, während er seinen Kopf senkt und schnaubend auf den Boden schaut.
"Jetzt hätte ich gerne zwei Whiskey."

Zufrieden stelle ich das leere Glas hinter mir auf die Theke und greife nach der großen Whiskeyflasche.
"Geht doch."

"Nein, nein. Nicht den.", unterbricht er mich und macht eine verneinende Handbewegung.

Schnaubend setze ich die Whiskeyflasche ab und schaue ihn an.
"Der andere kostet das vierfache."

Der schwarzhaarige Kerl verschränkt seine Hände auf der Theke und schaut absichtlich auffällig auf sein Handgelenk, an dem die teure Uhr sitzt.
"Dann habe ich ja Glück, dass ich mir das gerade noch so leisten kann."

Kurze kneife ich die Augen zusammen, dann klettere ich auf die Theke, um den teuren Whiskey von dem obersten Regal zu holen. Mir ist klar, dass sein Blick auf meinem Hintern liegt, aber für einen 200$ teuren Whiskey, lasse ich das über mich ergehen.

"Dein Kleid ist ziemlich kurz, du solltest-"

"80 Real.", unterbreche ich ihn und knalle ein Whiskeyglas und die teure Flasche vor seine Nase.

"Schreib's an.", erwidert er und greift nach der Flasche.

Meine Hand umklammert den teuren Whiskey so stark, dass er es nicht schafft ihn mir aus der Hand zu nehmen. Jedenfalls scheint er sich keine Mühe zu geben, mir den Whiskey abzunehmen, denn ich bin mir sicher: Wenn er wollte, könnte er.

"Hier wird nichts angeschrieben. Entweder du bezahlst oder du gehst.", brumme ich und ziehe den Whiskey zurück.

Er schaut mich einen Moment an, bevor er sein Portemonnaie aus der Anzughose fischt.
"80 sagst du?"

Nickend schraube ich die Flasche auf und gieße ihm etwas ins Glas, während er mir 100 Real auf den Tresen legt.
"Passt so."

"Wie großzügig.", provoziere ich ihn und blicke auffällig auf seine glänzende Uhr.
Ich werde in meinem ganzen Leben nicht so viel verdienen, dass ich mir eine Rolex kaufen kann. Wenn ich Glück habe, kann ich gerade mal für meine Beerdigung Geld ansparen, damit sich niemand verschulden muss.

Er ext den Whiskey, dann schiebt er mir das Glas zu.
"Bist du nur hinter der Theke oder hast du auch was anderes drauf?"

Seine Frage lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Es ist nicht so, als hätte ich nicht mit dieser Frage gerechnet, aber bereit bin ich dafür nicht. Tevez hat mich heute zum ersten Mal auch im "Kundendienst" eingetragen und ich hatte bereits die ganze Woche gebetet, dass mich niemand darum bittet.

Langsam verstecke ich meine zitternden Hände hinter meinem Rücken und weiche seinem durchdringenden Blick aus.
"Was soll ich denn noch drauf haben?"

Meine Stimme klingt bei weitem nicht mehr so selbstsicher wie vor ein paar Minuten noch. Er hat meinen Schwachpunkt getroffen und das merkt er. Deshalb wendet er seinen Blick nicht ab. Deshalb mustert er mich und versucht meine Reaktion zu deuten.

Er zuckt mit den Schultern.
"Sag du es mir."

"Ich kann gute Cocktails mischen.", räuspere ich mich und wische meine schwitzigen Handflächen unauffällig an meinem Satinkleid ab.

Mein Satz entlockt ihm tatsächlich ein raues Lachen, bevor er sich über die Bartstoppeln an seinem Kinn fährt.
"Ich mag Pina Colada."

"Kostet 35 Real.", flüstere ich.
Er hat sich vorgelehnt und trägt ein leichtes Lächeln auf seinen rosigen Lippen. Seine Augen glitzern, obwohl es düster ist in dem großen Raum. Und auch wenn es unfassbar laut ist, nehme ich nur ihn wahr.
Ich kenne ihn nicht, doch irgendwie fühlt es sich an, als wäre ich sicher bei ihm. Als könnte mir niemand etwas tun, wenn ich heute Abend mit ihm verschwinde. Hinzukommt, dass er nicht übel aussieht.

Im Gegenteil sogar.

Das schwarze Haar, die gebräunte Haut. Die glitzernden, bernsteinfarbenen Augen, die mich fesseln.
Er weiß über seine Wirkung auf Frauen Bescheid, denn ich werde nicht die einzige sein, die ihn anhimmelt. Und er würde hier nicht so selbstbewusst und arrogant sitzen, wenn er sich über seinen Einfluss nicht im klaren wäre.

"Andere Frage. Was kostet eine Nacht mit dir?"

Seine Direktheit jagt mir einen Schauer über den Rücken und ich glaube zu wissen, dass dieser Mann Fluch und Segen zugleich ist.

"Das ist unbezahlbar.", schüttel ich langsam meinen Kopf. Es wundert mich, dass er mich überhaupt noch versteht, so leise wie ich spreche. Je mehr er fragt, je mehr er flirtet, desto mehr verliere ich meine Stimme.

"Ich mag Herausforderungen.", zwinkert er mir zu.
"Los, zeig mir was du noch so drauf hast."

Er klopft zweimal auf die Theke, bevor er federleicht vom Barhocker hüpft. Erst jetzt merke ich, wie groß er tatsächlich ist. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto schneller wird mir bewusst, dass ich hier nicht ewig herumstehen kann.

Entweder ich lasse mir von ihm meine Jungfräulichkeit nehmen oder von einem alten Sack, der tagsüber in einem der Luxusbüros sitzt und seinen jungen Sekretärinnen hinterher gafft.

"Entspann dich.", flüstere ich mir zu und laufe ihm hinterher.

Schwarz wie die NachtWhere stories live. Discover now