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Manuel

"Du musst fahren. Ich komme alleine klar.", will sie mich los werden.
"Ich gehe irgendwo hin, ich finde schon was.", spricht sie schnell und steht auf. Meine Jacke fällt von ihren Schultern, weshalb ich sie schnell aufhebe und mich ebenfalls hinstelle.

"Nein. Du gehst nirgendwo hin. Lass mich dich in den Club bringen.", lasse ich nicht zu, dass sie jetzt alleine irgendwelchen krummen Dinger dreht.

"Nein, nicht in den Club. Ich muss weg von dir. Du bist ein Mörder, du-"
Sie wird wieder hysterisch.

"Hey, hey. Beruhig dich. Ganz ruhig. Ich tue dir nichts, ich verspreche dir das. Ich werde dir niemals etwas tun.", versuche ich sie zu besänftigen.
"Zieh meine Jacke an, bitte. Du erkältest dich. Schau dich an, du bist völlig durchnässt."

Schweratmend lässt sie sich von mir die Jacke anziehen und nimmt dann Abstand von mir, als ich meine Zigarette zwischen die Finger nehme, weil sie die ganze Zeit zwischen meinen Lippen gesteckt hat.

"Du machst mich kalt, oder? Du nimmst mich jetzt mit und dann machst du mich kalt, so wie du es mit dem Polizisten gemacht hast. Richtig? Du tötest mich, weil ich weiß, wer du bist und was du machst. Ich bin eine Gefahr für euch. Das lässt du nicht zu, richtig?"
Es scheint, als würde sie mir gerade meinen Job erklären.

"Nein, das tue ich nicht. Ich will dich nur in den Club bringen, damit du dich ausruhen kannst. Mehr nicht. Über alles weitere können wir in Ruhe sprechen, aber ich werde dir nicht weh tun. Niemals. Das wollte ich nie und das werde ich nie.", versichere ich ihr wahrheitsgemäß.

Ich weiß nicht, was ich tun werde. Und das kann ich jetzt auch überhaupt nicht entscheiden. An erster Stelle steht jetzt, dass sie ins Warme kommt.

"Du musst mir nur versprechen, dass du mit niemandem darüber redest. Niemand darf wissen, dass du über mich Bescheid weißt. Das bringt dich in Gefahr. Aber von mir und meiner Familie geht keine Gefahr aus. Verstehst du? In Gefahr bist du nur, wenn andere wissen, das du Bescheid weißt.", erkläre ich ihr leise.

Sie muss verstehen, dass nicht ich die Gefahr bin, sondern meine Feinde.

"Und deshalb musst du mit mir mitkommen. Du musst nicht zu mir nach Hause, aber wenigstens in den Club.", fahre ich fort.

Ihr Atem geht unregelmäßig, während sie überall hinschaut, nur nicht in meine Augen. Sie kann mich nicht ansehen, sie kann mir nicht mehr ins Gesicht schauen.
Ich wusste, dass das passieren könnte - ja ich hatte mich drauf eingestellt. Aber jetzt wo es so weit ist, verletzt es mich. Es macht mich traurig und beginne tatsächlich mich zu schämen.

Was hat sie jetzt für ein Bild von mir?
Sie muss mich für einen Psycho halten.

Aber ich töte nur Leute, die eine Gefahr für uns sind. Die mich hintergangen haben oder mir und meiner Familie gedroht haben.

"Kommst du mit mir?", frage ich sie direkt und beuge mich etwas weiter vor, um ihr ins Gesicht zu schauen.
Mit den Augen weicht sie meinem Blick aus.

"Kannst du mich zu meinem Vater bringen?", antwortet sie flüsternd und schaut auf die Waffe in ihren Händen.

"Nein.", lehne ich direkt ab.
"Nein. Das werde ich nicht tun. Erschieß mich dafür, aber das werde ich nicht tun. Ich werde dich nicht diesem gewalttätigen Mistkerl ausliefern.", schüttel ich vehement den Kopf.

"Gewalttätiger Mistkerl?", zitiert sie meine Worte zischend.
"Gewalttätiger Mistkerl?"

Sie kann sich nicht beruhigen.

"Mein Vater tötet wenigstens keine Polizisten oder hat Leichen in seinem Keller liegen. Mein Vater vertickt keine Drogen und knallt willkürlich Leute ab!", schreit sie und schubst mich.

"Pass auf mit der Waffe, bitte.", erinnere ich sie, während sie mir gegen die Brust haut.

"Der einzige der hier ein gewalttätiger Mistkerl ist, bist ja wohl du!", spuckt sie mir hasserfüllt entgegen.

"Kiara, bitte. Du hast gar keine Ahnung von all dem hier.", erwidere ich ruhig.

"Keine Ahnung? Ich habe keine Ahnung? Ich verstehe sehr wohl, was hier abgeht!", schreit sie, bevor ich ihre Hände festhalte und ihr doch die Waffe abnehme. Es ist zu gefährlich, wenn sie damit vor meiner Nase rumfuchtelt.
Schnell drehe ich sie um und drücke sie mit ihrem Rücken gegen meine Brust.
"Komm runter, Kiara. Bitte. Komm verdammt nochmal runter.", werde ich energischer.

"Lass mich los!", kreischt sie und beginnt mich zu treten.

Kinderleicht hebe ich sie hoch und trage sie über den Friedhof zu meinem Auto.
"Beruhig dich. Por favor. Ich tue dir nichts.", wiederhole ich mich zum hundertsten Mal.

Immer wieder tritt sie mir gegen die Schienbeine oder gegen die Knie. Am Auto angekommen drücke ich sie gegen den Wagen, um kurz durchzuatmen.
"Hör auf mich zu treten, ich will dir nichts.", presse ich durch zusammengebissene Zähne hervor.

Mein Schienbein schmerzt wie sau.

"Du hast gesagt, dass ich die Waffe behalten darf.", beschwert sie sich schluchzend.

Ich kneife die Augen zusammen und atme tief durch. Dann drehe ich sie zu mir um, drücke sie aber trotzdem weiterhin gegen das Auto.
"Du musst dich beruhigen, Kiara. Ich gebe dir die Waffe gleich, aber du musst dich beruhigen. Das ist gefährlich, niemand soll hier verletzt werden, okay?"

Stumm laufen ihr die Tränen über die Wangen. Das Licht der Straßenlaternen scheint ihr ins Gesicht.
"Du hast mir so weh getan.", flüstert sie verletzt.

"Ich weiß, Kiara. Ich weiß. Und es tut mir Leid, es tut mir so unfassbar Leid. Deshalb musst du mich das erklären lassen. Bitte, lass es mich dir erklären."

"Ich möchte, dass du mich weg bringst und mich dann in Ruhe lässt. Du musst mir gar nichts mehr erklären. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.", schüttelt sie heiser den Kopf und wischt sich die Tränen aus dem feuchten Gesicht.

"Okay.", lüge ich.
Es ist nicht okay, weil ich ihrem Wunsch nicht nachkommen kann. Sie weiß Bescheid und sie ist in Gefahr. Wir werden immer in Kontakt bleiben müssen und wir werden auch darüber reden müssen.

Alleine schon wegen ihrer Sicherheit.

Ich öffne mit der rechten Hand die Beifahrertür und schiebe sie dann ins Auto. Auch wenn sie sich alleine anschnallen kann, übernehme ich es für sie. Ihr Duft nach Vanille steigt mir in die Nase und lässt mich an ihre zarte Haut erinnern, die ich vor wenigen Stunden noch unter meinen Fingen spüren durfte.

Schwarz wie die NachtWhere stories live. Discover now