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Manuel

"Oh Gott.", schreit Kiara, als wir in ein Luftloch fallen, und entlockt mir ein kehliges Lachen.

"Es ist alles gut. Das passiert manchmal.", beruhige ich sie und streiche ihr über die pechschwarzen Haare.

"Ich will hier raus.", erklärt sie mir panisch.

"Hey. Schau mich an. Guck mich an. Ich bin da, dir passiert nichts. Ich verspreche dir das.", werde ich ernst, weil sie wirklich Angst hat.

"In Culiacan gibt es das beste Eiscafe auf dem Kontinent. Wollen wir da hin?", versuche ich sie abzulenken.

Sie runzelt ihre Stirn, dann nickt sie.

"Was ist dein Lieblingseis? Sie haben dort alle Sorten, die du dir vorstellen kannst.", fahre ich fort.

"Ich habe nur Erdbeereis gegessen. Bis jetzt. Das war immer am günstigsten.", murmelt sie.
Ich sehe die Traurigkeit in ihren Augen, sodass mir klar wird, dass sie bei weitem nicht so behütet aufgewachsen ist wie ich.

"Erdbeereis haben sie dort auch.", zwinge ich mir ein Lächeln ins Gesicht.

"Ich mag Erdbeereis.", nickt sie langsam und hat sich tatsächlich beruhigt. Kurz schaue ich über sie hinweg, um festzustellen, dass Julio schläft.

Gott sei Dank.

"Komm her. Wir sind oben. Du kannst jetzt die Stadt sehen.", wechsel ich das Thema und schnalle sie ab.
Sie beobachtet meine Hände, die ihre Hüfte umfassen und sie auf meinen Schoß heben, sodass sie durch das kleine Fenster rausschauen kann.

"Da ist die Kathedrale. Siehst du?", deute ich mit dem Finger gegen das Fenster.

Interessiert schaut sie sich alles an.
"Wow. Ich hätte es mir nicht so schön vorgestellt.", schwärmt sie begeistert.

"Und da ist das Fußball Stadion.", fahre ich fort.

Sie drückt ihr Gesicht fast vollständig gegen die Scheibe.
"Ist das das Martinelli-Gebäude?"

Ich nicke.
"Ja, richtig. Das ist es.", gebe ich ihr Recht.

"Und siehst du auch die Rennstrecke?", frage ich sie anschließend.

Sie überlegt einen Augenblick und lässt ihren klaren Augen über die beleuchtete Stadt fliegen, bis sie ihren Finger auf die kalte Scheibe legt.
"Da?"

"Ja. Richtig.", nicke ich.
"Sollen wir da mal hin?"

"Man kann da doch gar nicht einfach so rein.", runzelt sie die Stirn und setzt sich aufrecht hin. Ihre Beine hängen links von meinem Schoß, sodass sie mich ansehen kann.

Ich entschließe mich dazu, nichts zu sagen, sondern sie einfach nur anzuschauen. Irgendwann wird sie merken, wie überflüssig ihre Frage ist. Sie knabbert nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum, bis sie letztendlich versteht, was ihr sagen will.

"Achso."
"Verstehe. Natürlich kommst du da einfach so rein.", stellt sie fest.

Bestätigend lächle ich ihr zu und lehne mich dann zurück gegen den Sitz. Auch Kiara will zurück auf ihren Sitz, doch ich halte sie fest.
"Bleib hier."

Ihre Wangen werden rot, sodass sie schnell ihren Kopf senkt und ihn gegen meine Brust legt. Zufrieden lege ich meine Arme um sie und schaue nach draußen.


21:46 Uhr

Während ich arbeite, spielen Julio und Kiara Karten. Immer wieder schaue ich zu den beiden herüber, wenn Julio sich auf der Sitzbank bewegt.

"Ich geh kurz auf Toilette. Und dann muss ich schlafen.", lacht Julio, nachdem er schon wieder gegen Kiara verloren hat.
Als Antwort kichert Kiara leise und kommt dann zu mir herüber.

"Hey.", murmelt sie leise und bleibt vor mir stehen.

Ich schaue von meinem Laptop hoch und lächel ihr kurz zu.

"Hast du viel zu tun?", fragt sie und setzt sich letztendlich neben mich.

Ich nicke.
"Ja. Muss einige Sachen noch beenden vor dem Wochenende.", erkläre ich ihr und tippe die Mail weiter, die ich gerade angefangen haben.

"Darf ich dich fragen, was du heute gemacht hast, als du weg warst?"
Ihre Stimme ist zaghaft und sanft - unsicher und nervös.

"Darfst du.", beginne ich.
"Aber ich werde es dir nicht beantworten.", füge ich nach einer kurzen Atempause hinzu und schicke die Mail ab.
Sie lässt sich enttäuscht gegen den Sitz fallen, während ich meinen Laptop schließe und auf den kleinen Tisch vor mir lege.

"Kiara.", seufze ich über ihre Reaktion und lege meine Hand auf ihr Knie, nachdem ich mich zu ihr gedreht habe.

"Du hattest Blut an den Händen, Manuel.", wirft sie mir fast schon empört vor und schiebt meine Hand von ihrem Bein.

Kurz presse ich meine Lippen aufeinander und verschränkte meine Arme vor der Brust.
"Ja. Das hatte ich. Und damit wirst du klar kommen müssen, Kiara. Es kann und es wird vorkommen, dass ich Blut an mir habe, wenn ich heim komme."

"Du könntest auch einfach aufhören Leute zu töten?", fängt sie an zu diskutieren.

"Wer sagt denn, dass ich jemanden getötet habe?", stelle ich ihre eine Fangfrage und beobachte ihren sprachlosen Gesichtsausdruck.

"Auf jeden Fall hast du dich geprügelt. Sonst wären deine Fingerknöchel nicht so blutig.", stellt sie brummend fest.

Ich nicke.
"Ja. Ich habe jemandem eine runter gehauen. Und du hast keine Ahnung weshalb und warum, deshalb werde ich mit dir nicht weiter darüber reden, Kleines.", beende ich das Thema.

"Ich will aber darüber reden. Manuel, du bist verletzt. Du hattest Blut an deinem Hemd!", hört sie nicht auf.

"Kiara, ich weiß. Okay? Ich weiß es, du musst es mir nicht sagen.", erwidere ich energisch.
"Ich habe dir vor einigen Tagen gesagt, wie mein Job läuft. Ich verlange nicht von dir, dass du das gut heißt. Aber ich verlange Akzeptanz."

Ohne etwas zu erwidern, dreht sie sich von mir weg und starrt gerade aus den Gang entlang. Mit verschränkten Armen ignoriert sie mich.

"Ignorier mich nicht, bitte. Hör auf damit.", bitte ich sie seufzend und lege erneut meine Hand auf ihr Bein. Diesmal allerdings auf ihren Oberschenkel und nicht mehr auf ihr Knie. Zum zweiten Mal will sie meine Hand entfernen, aber diesmal mache ich nicht mit.

Ich verstärke den Griff um ihren Oberschenkel, sodass sie meine Hand diesmal nicht mit Leichtigkeit herunter schieben kann.

Schwarz wie die NachtWhere stories live. Discover now