Capitulo 140

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Kiara

Manuel steht auf der anderen Straßenseite und diskutiert mit zwei Männern, die in einem pechschwarzen Geländewagen von Mercedes sitzen. Der Lack glänzt so stark, dass ich mich selbst aus 30 Meter Entfernung noch darin spiegeln kann.

Der Typ, der hinter dem Steuer sitzt, nickt in meine Richtung und sagt irgendetwas, dann dreht Manuel sich um.

Ertappt schaut er mich an, während ich ihn mindestens genauso ertappt ansehe. Er wendet seinen Blick von mir ab, sagt noch etwas unverständliches zu den beiden Männer, bevor er dann zweimal gegen die Autotür klopft, um sich zu verabschieden.

Mit großen Schritten kommt er über die Straße gelaufen; seine Hände vergräbt er in den Taschen seiner teuren Anzughose.
Das schwache Licht der alten Straßenlaternen fällt auf seine gebräunte Haut, während er immer näher kommt und mich nicht aus den Augen lässt.

Er ist sauer.

Sicher ist er das.

"Ich-"

"Ich dachte du schläfst, entschuldige, Pequenina. Ich wäre sonst nicht hier runter gegangen. Verzeih mir.", entschuldigt er sich entgegen meiner Erwartungen und küsst meine Stirn flüchtig, während er mir seine Hand um den Rücken legt, um mich schnell in den dreckigen Flur des Wohnhauses zu schieben.

Noch einige Male drehe ich meinen Kopf in die Richtung des teuren Wagens, bis Manuel sich mir in den Weg stellt und mir ganz absichtlich die Sicht versperrt.

"Wer sind diese Männer?", frage ich und versuche über seine Schulter zu schauen.

Vergeblich.

Er ist zu groß und zu breit - sehen tue ich nichts.

"Julio hatte mich nur wegen einer dämlichen Sache angerufen. Es war wirklich unnötig. Aber ich habe alles geklärt, jetzt können wir beide schlafen.", übergeht er meine Frage und schiebt mich die Treppen hoch.

"Manuel.", beschwere ich mich und bleibe stehen.

Er seufzt.
"Kiara. Keine Fragen bitte. Es ist halb zwei in der Nacht. Keine Fragen, por favor."

Bevor ich Einspruch einlegen kann, küsst er meine Lippen zwei mal hintereinander. Dann zieht er mich hinter sich her zu meiner Wohnung.

"Du hast aber nicht schlecht geträumt und bis deshalb aufgewacht, oder?"

Anstatt ihm zu antworten, schließe ich meine Wohnungstür auf und werfe den Schlüssel achtlos auf das Sideboard an der Wand.

"Kiara.", flüstert Manuel angesäuert, damit er meine Schwester nicht weckt.
"Hör auf damit."

"Dann beantworte meine Frage.", erpresse ich ihn und laufe ihn mein Schlafzimmer.

Ich höre, wie er die Wohnungstür abschließt und anschließend quer durch die Wohnung zu mir ins Schlafzimmer kommt. Erst als die Tür ins Schloss gefallen ist und er sich zu mir ins Bett gelegt hat, antwortet er mir.
"Das war geschäftlich. Das geht dich nichts an, tut mir Leid. Es ist für deine Sicherheit."

"Pf. Für meine Sicherheit.", äffe ich ihn nach und drehe mich von ihm weg.

Eigentlich will ich, dass er mir weiterhin Aufmerksamkeit gibt und sich zu mir dreht. Mich in den Arm nimmt und mich lieb hat.
Aber das tut er nicht.

So ist er nicht.

Er gibt mir meine Freiheit; er will auf keinen Fall eine Eskalation. Er geht dem Konflikt lieber zunächst aus dem Weg, bis wir uns beruhigt haben, um es dann ganz sachlich zu klären.

Es ist der richtige Weg, das weiß ich.

Aber trotzdem gefällt es mir nicht, auch weil ich mir eingestehen muss, dass er definitiv der Erwachsenere von uns beiden ist.

"Ich hab dich lieb, schlaf gut, Kiara.", beendet er die Diskussion und dreht sich dann ebenfalls von mir weg.

Es ärgert mich, dass ich seine Aufmerksamkeit will. Und es ärgert mich noch viel mehr, dass er nicht nachgibt. Während ich hier liege und nachdenke, ist er vermutlich schon eingeschlafen.

7:46 Uhr

In meinem Zimmer ist es warm, als ich aufwache. Blinzelnd versuche ich mich an die hellen Sonnenstrahlen zu gewöhnen, nur um festzustellen, dass ich alleine bin.

Nicht nur die rechte Betthälfte ist leer - nein. Auch Manuels Sachen fehlen.

Ich lasse mich zurück in mein Kissen fallen und lege meine Hände auf mein Gesicht.
"Wie naiv kann man nur sein?", frage ich mich.

Es war klar, dass er abhaut.

Er wollte mit Sicherheit schon gestern Nacht abhauen, aber ich habe ihn gestört.

Während ich mich aus dem Bett quäle, merke ich meinen Unterleib, der höllisch schmerzt. Das ist die Strafe für meine Naivität, da bin ich mir sicher.

"Isabella, du musst aufstehen.", rufe ich durch die Wohnung, bevor ich mir einen Kaffee mache und für meine Schwester Milch aufsetze.

"Isabella.", rufe ich erneut, weil sich nichts tut.
Normalerweise ist sie immer vor mir wach. Außerdem sind wir heute spät dran. Wir müssen in 15 Minuten an der Bushaltestelle sein.

Stirnrunzelnd werfe ich einen Blick durchs Wohnzimmer und bleibe an der offenen Zimmertür hängen.
Ist sie schon aufgestanden?

Ihr Rucksack steht nicht mehr in der Küche, ihre Müslischale steht benutzt in der Spüle.

Ist sie schon los?

Mit pochendem Herzen laufe ich zu ihrem Zimmer.

Leer.

"Scheiße.", fluche ich.
Wann zur Hölle ist sie los gegangen und warum habe ich das nicht mitbekommen?

Als ein Schlüssel in die Wohnungstür gesteckt wird, erschrecke ich. Manuel schaut mich irritiert an.
"Ist was passiert?"

"Was?", fiepse ich mit einer viel zu hohen Stimme, weil ich überfordert bin mit seiner Person.

Ich dachte er sei abgehauen?

"Du siehst nervös aus. Ist es etwas passiert?", wiederholt er sich stirnrunzelnd und tritt in die Wohnung.
In seiner Hand hält er eine Einkaufstüte. Oben auf liegt ein Blumenstrauß.

Hellrosa Pfingstrosen, weißer Schleierkraut.

"Wo ist Isabella?", versuche ich meine Stimme zu kontrollieren.

Seine plötzliche Anwesenheit macht mich nervös.

"Ich habe sie in die Schule gebracht, nachdem wir einkaufen waren. Julio holt sie später ab und bringt sie zu eurer Oma. Ich habe alles geregelt.", teilt er mir mit.

"Was hast du?"
Meine Stimme ist hoch. Viel zu hoch. Doch das scheint ihn nicht zu interessieren. Vielleicht nimmt er es auch gar nicht war. Ich weiß es nicht.

Perplex stehe ich im Wohnzimmer herum, kann mich kaum bewegen, während er die Tüte in die Küche stellt.
"Ich habe dir Blumen gekauft. Ich hoffe, die Farbe gefällt dir. Wo hast du denn Vasen?"

Er hat was?

Mein Ohr piept, während ich nichts mehr wahrnehme außer das kräftige Schlagen meines Herzens in meiner Brust.

"Kiara?"

"Oben rechts auf dem Schrank.", deute ich rechts neben ihn.

Zufrieden dreht er sich um und nimmt sich ganz selbstverständlich die Vase vom Schrank, um die Blumen ins Wasser zu stellen.

Schwarz wie die NachtOnde histórias criam vida. Descubra agora