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Manuel
17:26 Uhr

"Möchtest du noch in den Zoo?", frage ich Kiara, während wir auf einer Parkbank sitzen und Tacos essen.

"Ich war noch nie in einem.", gesteht sie mir etwas peinlich berührt und beißt schnell in ihren Taco.

"Dann wird es Zeit, oder?"

"Ist es schön da?", stellt sie mir eine Gegenfrage und sieht mich interessiert an, nachdem sie gemerkt hat, dass ich mich nicht lustig mache.

"Hm. Der in Sao Paulo ist schöner. Vielleicht sollten wir lieber dort hin.", überlege ich laut und führe meinen Daumen an ihre Unterlippe, um ihr etwas Käsesauce aus dem Mundwinkel zu wischen.

"Okay. Und wo gehen wir jetzt hin?"
Kiara hat ihren Kopf leicht schräg gelegt und schaut mich mit glänzenden Augen an.

"Zurück ins Hotel? Du kannst baden, wenn du magst. Und dann darfst du entscheiden, ob wir Essen gehen, ob wir Essen bestellen oder ob wir zu meiner Familie fahren.", schlage ich ihr ein paar Optionen vor, obwohl ich eigentlich hoffe, dass sie sich für das Bett und den Lieferservice entscheidet.

"Wir können gerne zu deiner Familie, wenn du das möchtest.", nickt sie.

Mierda - verflucht.

"Wir sind aber morgen und übermorgen schon dort.", erinnere ich sie und nehme ihr die Cola aus der Hand, um meinen Durst zu stillen.

"Also willst du nicht hin?"

Ich schüttel den Kopf.
"Eigentlich möchte ich mich mit dir ins Bett legen, einen Film gucken und Essen bestellen."

"Okay. Das ist auch gut.", stimmt sie mir zu.

"Dann komm. Es ist gleich halb fünf und es wird früh dunkel. Ich möchte im Urlaub ungerne von meiner Waffe gebrauch machen.", witzel ich und greife nach ihrem Handgelenk, um ihr hochzuhelfen.

"Ist es hier so gefährlich?"

"Ja. Du hast die ausgebrannten Autos gesehen oder? Fast wöchentlich gibt es Kämpfe zwischen verfeindeten Gangs. Aber im Augenblick kann ich mich darum nicht kümmern.", zucke ich mit den Schultern und ziehe sie neben mir her.

"War es auch schon so, als du noch hier warst?"

"Ja. Aber nicht so oft. Ich hatte überlegt ob ich einigen Leuten mal einen Besuch abstatte, damit sie mein Dasein nicht vergessen. Aber ich will mich hier nicht um die Arbeit kümmern. Oder was meinst du?"

"Ich weiß nicht. Ich kann das nicht richtig einschätzen. Du bist hier wegen deiner Familie. Ich kann verstehen, wenn du dich darum nicht kümmern willst. Aber vielleicht wird es dann weniger, wenn du mit ihnen sprichst. Vielleicht können sie sich dann aussprechen.", schlägt sie vor.

Ihr Vorschlag ist gut - keine Frage.
Nur merkt man, dass sie keine Ahnung hat.

"Solche Leute reden nicht, Princesa."

"Wieso nicht?", kann sie meine Aussage nicht hinnehmen.

"In diesen Kreisen redet man nicht. Eher schießt man. Eher nimmt man den Tod eines anderen in Kauf, als das man vorher redet.", erkläre ich ihr einige Dinge aus diesen Sphären.

"Das ist dumm."

Ihre simple Aussage bringt mich zum Lachen.

"Was?"
"Warum lachst du? Ist doch wahr. Es ist doch dumm, nicht zu reden.", wiederholt sie sich irritiert.

Belustigt lege ich meinen Arm um ihre Schultern und ziehe sie näher an mich heran.
"Herzlichen Glückwunsch. Du hast gerade jedes Problem auf diesem Planeten gelöst"

"Du kannst nicht leugnen, dass ich recht habe."

"Natürlich hast du recht. Aber so läuft das hier nun mal nicht.", mache ich ihr einen Strich durch die Rechnung, während wir durch die kleinen Gassen von Culiacan laufen.

"Dann treff' dich doch mal mit denen und sag denen das."

"Sagen.", wiederhole ich ihre Worte und belustigt.
"In diesen Kreisen 'sagt' man nichts.", lache ich leise.

"Verstehe ich nicht.", brummt sie und verschränkt die Arme vor ihrem Oberkörper.

"Es gibt Dinge, die musst du nicht verstehen.", flüstere ich entspannt gegen ihren Haaransatz und küsse ihren Scheitel.
Dann schiebe ich sie durch die Schiebetüren des Hotel. Die kalte Luft in der glänzenden Lobby erfrischt mich und kühlt mich ab.

"Ich würde das alles ganz anders regeln. Bei mir müsste niemand kämpfen. Bei mir könnten alle miteinander reden.", stellt sie fest, während wir zu einem der 5 Aufzüge gehen.

"Aus diesem Grund führe ich auch das Kartell und nicht du.", ärgere ich sie und schiebe sie in den spiegelverzierten Aufzug.

"Aber-"

"Weißt du eigentlich, wie heiß du bist, wenn du denkst, dass du mit mir diskutieren könntest?", unterbreche ich sie und drücke sie im selben Atemzug gegen den Spiegel im Aufzug.

"Lenk nicht vom Thema ab.", kontert sie noch immer mit verschränkten Armen. Ich schaue kurz in ihren Ausschnitt, bis mein Kinn mit ihrem Zeigefinger hochschiebt, sodass ich ihr schmunzelnd ins Gesicht schauen muss.

"Tue ich das?"

"Ja.", antwortet sie.

"Ja, vielleicht.", gebe ich nachdenklich zu, während ich ihre hübschen Lippen mustere und nebenbei die Knöpfe des Aufzugs drücke, sodass wir endlich nach oben fahren.

Ihre Lippen, die wie für mich gemacht sind.

"Also?", erwidert sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Hm.", stelle ich fest.
"Ich weiß nicht mehr, um was es geht.", gebe ich zu und verringere den Abstand zwischen unseren Lippen.

"War ja klar.", provoziert sie mich.

"Ja, irgendwie schon.", stimme ich ihr zu und will sie küssen, doch sie huscht unter meinen Armen durch und verlässt den Aufzug.

"Wir sind da, Manuel.", flötet sie mir belustigt zu.

"Tatsächlich.", brumme ich und verlasse ebenfalls den Aufzug. Sie ist schon einige Meter vorgelaufen, aber trotzdem kann ich sie in dem langen Flur noch im Auge behalten. Ich hole die Zimmerkarte aus meinem Portemonnaie, während ich ihr mit großen Schritten folge.

"Seit wann bist du so zügig.", rufe ich ihr belustigt hinterher.

"Seitdem ich vor dir fliehe.", kontert sie fix und dreht ihren Kopf kurz zu mir.

"Aber Baby, du glaubst doch nicht wirklich, dass das möglich ist?", frage ich überrascht, während meine Stimme nur so vor Ironie trotzt.
Ich sehe, wie ihre Mundwinkel zucken und sie sich stark zusammenreißen muss. Sie will mir nicht zeigen, dass sie mich lustig findet, dabei hat sie sich schon längst verraten.

Schwarz wie die NachtWhere stories live. Discover now