- 50 -

5.6K 222 10
                                    

Kiara
11:34 Uhr

"Habt ihr alles?", fragt Manuel uns, während ich meine Schuhe anziehe und Silvia in der Haustür wartet.
Er lehnt lässig am Treppengeländer und schaut mir zu.

"Ich finde mein Handy immer noch nicht.", erkläre ich ihm irritiert und richte mich auf.

"Wir suchen heute Abend im Club, einverstanden?", bietet er mir an, weshalb ich ihm erleichtert zustimme.
Zufrieden stößt er sich vom Geländer ab und kommt mit zwei Schritten auf mich zu.

"Viel Spaß.", flüstert er mir gegen die Lippen und küsst mich dann kurz, nachdem er mich an der Taille gegen seinen Körper gezogen hat.

"Wie viel darf ich denn ausgeben? 100? Ich brauche ja zwei Sachen, hast du gesagt."
Meine Frage ist mir unangenehm, aber ich kann nicht einfach sein Geld ausgeben ohne das geklärt er zu haben.

Belustigt schaut er zu Silvia herüber, bevor er mein Kinn in seine Finger nimmt und mich wieder anschaut.
"Da wo ihr hinfahrt, findest du nichts für 100 Dollar, Baby. Also kauf dir das, was dir gefällt. Der Preis ist egal."

Stutzig schaue ich ihn an.
"Nein, nein. Ich kann dir das nicht zurückgeben. Es darf nicht mehr als 200 Dollar sein, Manuel.", erkläre ich ihm nervös.

"Du musst mir nichts zurückgeben. Und jetzt fahrt. Los. Und es wird nicht über das Geld diskutiert. Silvia hat die Aufgabe, alles zu kaufen, was du schön findest."
Er schmeißt mich fast aus seinem Haus, so schnell schiebt er mich durch die Haustür.

"Bis heute Abend. Ich bin um spätestens um 18 Uhr zurück, versprochen.", ruft er mir nach und winkt mir dann zu.
Er bleibt so lange in der Tür stehen, bis Silvia mich auf den Rücksitz des Cadillacs gedrückt hat und wir vom Hof fahren.

"Sie sind also seine Freundin.", stellt der Fahrer fest.

Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und schaue ihn durch den Rückspiegel an.

"Ich bin Julio. Ich unterstütze ihn bei einigen-"

"Julio, wie wäre es, wenn du uns einfach nur zu den Geschäften fährst?", unterbricht Silvia ihn forsch, sodass er verstummt.

"Wie Sie wünschen.", gibt er nach und jagt über den Schotterweg.

"Er hat uns seine American Express gegeben. Die schwarze.", kichert Silvia und schaut zu mir nach hinten.

"Die schwarze?", verstehe ich nicht ganz, was mir das sagen soll.

"Ja, die schwarze. Du weißt schon, die schwarze kriegt nicht jeder. Man muss ein bestimmtes Kontingent an Geld vorweisen.", erklärt sie mir.

Dann dämmert es mir.
"Ohhh."

"Also, du kannst alles haben, was du willst. Wir können dir sogar ein Auto kaufen.", witzelt sie und steckt die Karte wieder an.
Grinsend wende ich meinen Blick ab. Sie gefällt mir. Sie ist freundlich, hilfsbereit. Immer gut drauf. Sie bringt mich zum Lachen.

Wie eine gute Freundin.

"Wo habt ihr euch denn Kennengelernt?", will sie plötzlich wissen.

"Ich- Also ich habe ihn seinem Club gearbeitet. Aber nicht- Also ich war nicht da wegen- Also ich bin keine Nutte!", erkläre ich ihr schnell, damit sie nichts falsches denkt.

Interessiert hört sie mir zu.

"Ich habe nur hinter der Theke gestanden und Getränke verkauft. Und irgendwie, ich weiß auch nicht.", unterbreche ich mich selber und schaue lächelnd auf meine Hände in meinem Schoß, bevor ich ratlos mit den Schultern zucke.

"Ich verstehe schon. Es ist einfach über euch gekommen.", freut sie sich.

"Ja, aber es ist nichts offizielles. Wir wollen vorsichtig sein, wegen seinem Job.", informiere ich sie.

"Achja, sein Job. Wie kommen Sie damit klar? Ich meine, er ist ständig in Gefahr und noch viel schlimmer ist das viele Blut, dass an unseren Händen klebt.", seufzst Julio aus dem Nichts.

"Blut?", frage ich desorientiert.
Mir wird flau im Magen, weil es plötzlich unangenehm still im Auto ist.

"Julio wollte damit lediglich andeuten, dass man in der Wirtschaft auch Opfer bringen muss. Man hat dort einfach keine Freunde und manchmal muss man zu unschönen Mitteln greifen. Beispielsweise Partner gegeneinander ausspielen.", mischt Silvia sich ein.

"Okay?"

"Es war eine Metapher. Er meint nicht wirklich Blut.", lacht sie und haut ihm gegen den Oberarm.

"Nein, um Gottes Willen. Natürlich nicht. Das wäre ja noch schöner.", lacht nun auch Julio und fährt etwas schneller.
Mir wird plötzlich ganz anders. Warum glaube ich den beiden das nicht? Immerhin hat Manuel vor meinen Augen einen Typen erschossen.

Warum also sollten sie jetzt ausgerechnet 'Blut' als Metapher benutzen?

"Was möchtest du denn später mal machen?", wechselt Silvia das Thema.

"Ich- Ich weiß nicht. Ich weiß es nicht.", erwidere ich nervös und unsicher, bevor ich meinen Blick abwende und aus dem Fenster schaue.
Was für Blut klebt an seinen Händen?

Bringt er seine Geschäftspartner oder seine Konkurrenz einfach um?

Nein, oder?

Nein. Das tut er nicht.

Julio hat da mit Sicherheit nicht so gemeint.

"Weißt du schon, was genau du möchtest? Ein Kleid oder ein Rock? Oder einfach nur eine schlichte Hose und einen Blazer?", spricht Silvia mich erneut an und schaut zu mir nach hinten.

"Ein Kleid, denke ich. Ein Kleid für die Feier Abends und etwas schlichtes für die Trauerfeier in der Kirche. Vielleicht einen Anzug.", erkläre ich ihr meine Ideen.

"Damit kann ich etwas anfangen. Wir werden bestimmt etwas tollen für dich finden. Schwarz wird wunderbar zu deinen tollen Haaren passen. Hast du eine Sonnenbrille? Und Schmuck? Du wirst beides brauchen. In Mexiko ist es Sommer und unglaublich warm. Es wird dir gefallen.", hört sie nicht auf zu schwärmen.

"Okay. Okay.", nicke ich überfordert.

Schwarz wie die NachtWhere stories live. Discover now