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Kiara

So schnell wie seine Finger auf meinem Oberschenkel lagen, genauso schell verschwinden sie auch wieder.

"Mir wird schlecht, wenn ich beim Autofahren nichts sehen kann."

"Wenn wir auf dem Highway sind, kannst du das Jackett ablegen. Außerdem fahre ich langsam, in Ordnung?"

Ich entscheide mich dazu, nichts mehr zu erwidern, sondern einfach die Fahrt abzuwarten. Er wird schon seine Gründe haben, warum ich nichts sehen darf.
Vielleicht ist es ja wirklich zu meiner Sicherheit.

"Du weißt, dass du niemanden erzählen darfst, dass ich dich-"
Er unterbricht sich selbst.

"Du weißt schon. Dass ich dich geküsst habe.", fährt er fort und fährt eine scharfe Rechtskurve, sodass ich mich panisch am Armaturenbrett festhalte.

"Sorry.", räuspert er sich.

"Manuel, ich meine das ernst. Ich kotze dir ins Auto.", erwidere ich sauer, weil mir schon flau im Magen wird.

"Sag bitte vorher Bescheid.", murmelt er und scheint sich ein Lachen zu verkneifen.
"Also?", bittet er mich um eine Antwort auf seine vorherige Aussage.

"Ich weiß nicht, wovon du sprichst.", brumme ich.
Wem soll ich es auch bitte erzählen? Den Frauen aus dem Club ja wohl nicht. Welcher Familie soll ich es erzählen?
Seinem Onkel und seiner Tante ja wohl auch nicht.

"Nein, du verstehst mich falsch. Ich will nicht, dass du es vergisst. Ich will nur, dass es unser Geheimnis bleibt.", wiederholt er sich.

"Vielleicht will ich es aber vergessen?", ärgere ich ihn absichtlich.

Mein Zeitgefühl hat mich völlig verlassen, aber trotzdem kommt mir die Fahrt viel kürzer vor, als gestern. Dennoch bin ich froh, dass Manuel den Wagen endlich zum Stehen bringt.

"Warte.", murmelt er und greift nach meinen Händen, weil ich sein Jackett von meinem Kopf ziehen will.
Rasch entfernt er sich von mir, bevor ich höre, wie er die Tür öffnet und schließt und nach kurzer Zeit ebenfalls meine Tür aufreißt.

"Ich helfe dir.", teilt er mir mit und umschließt meine Handgelenke, um mich aus dem Kombi zu ziehen.

"Wie aufmerksam, danke.", zicke ich ihn an, weil ich es so langsam satt habe. Er erwidert nichts auf meinen zickigen Spruch, sondern schließt das Auto ab und führt mich in den Club. Drinnen zieht er mir das Jackett vom Kopf.

"Ich streiche deine Haare glatt, okay?", fragt er mich diesmal, bevor er die Hand hebt.

"Okay.", nicke ich überrascht.
Er hat es sich gemerkt?

Vorsichtig hebt er seine rechte Hand und richtet die verstrubbelten Haarsträhnen, bevor er sie mir hinter die Ohren steckt.

"Ich gehe dann in mein Zimmer.", räuspere ich mich.

"Nein.", antwortet er schnell.
Viel zu schnell.

Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen, weil ich nicht verstehe, warum ich nicht in mein Zimmer soll.

"Du musst erst mit mir mitkommen.", erklärt er mir, während er mein Gesicht aufmerksam mustert.
Dann legt er das Jackett über seinen Arm und setzt seinen Weg fort. Ich folge ihm neugierig über die Tanzfläche, durch den Flur bis hin zu seinem Büro. Zweimal schließt er die dicke Tür auf und hält sie mir diesmal nicht offen.
Er schlüpft zuerst durch und kickt sie nur mit dem teuren Lackschuh einmal weiter auf, sodass ich gerade so durchkomme.

Ich beobachte, wie er das Jackett und seine Cap auf das schwarze Ledersofa wirft. Als die schwere Tür hinter mir ins Schloss fällt, zucke ich zusammen und bekomme fast gar nicht mit, dass er sich mir rasant nähert.
Doch noch bevor ich irgendetwas unternehmen kann, hat er mein Gesicht zwischen seine Hände genommen, seine Lippen fest auf meine gedrückt und mich gegen die geschlossene Tür geschoben, sodass mir die Luft aus den Lungenflügeln entweicht.

"Was machst du.", frage ich schweratmend zwischen unseren Küssen.

"Dafür sorgen, dass du unseren Kuss nicht vergisst.", spielt er auf das Gespräch im Auto an.

Seine Worte jagen mir Schmetterlinge durch den Bauch. Mein Bauch kribbelt, mein Herz rast. Einzig und allein, weil er diese Worte zu mir sagt.

"Du darfst das nicht vergessen, weil ich es nämlich nicht vergessen kann. Hörst du? Ich denke seit gestern an nichts anderes, als an deine sinnlichen Lippen auf meinen.", flüstert er schweratmend gegen meine Lippen und schiebt mir seine Zunge in den Mund.

Reflexartig greife ich nach dem Kragen seines schneeweißen Hemds. Eigentlich kann ich das Gleichgewicht nicht verlieren, weil er mich fest gegen die Tür drückt, aber trotzdem gehe ich auf Nummer sicher.
Ich schiebe meine Hüfte ein Stück nach vorne, doch er reagiert sofort und schiebt sie mit seiner linken Hand direkt zurück gegen die Tür. Ungeduldig schiebe ich den dicken Mantel von seinen Schultern, der mit einem dumpfen Geräusch auf den Vinylboden fällt.

Als ich beginne sein Hemd aufzuknöpfen, unterbricht er den Kuss und stoppt meine Hände.

Klar und mit glänzenden Augen schaut er mich an, während er meine Hände von seinem Hemd löst und sie langsam senkt.
"Wenn du das tust, verliere ich die Kontrolle. Zwing mich nicht dazu, Baby."

"Ich-"

"Pscht.", unterbricht er mich und lässt seinen Daumen über meine Unterlippe fahren, um mich verstummen zu lassen.
Als es an der Tür klopft beginnt mein Herz wie wild zu rasen, während Manuel genervt die Augen zusammenkneift und sich mit den Fingern kurz über den Nasenrücken fährt.

"Jetzt nicht.", brummt er.

"Aber-"

"Ich habe gesagt 'jetzt nicht', Rita.", wird er energischer und hebt dann den Mantel vom Boden auf.
Im Flur hört man, wie sich Ritas Schritte entfernen und irgendwann gar nicht mehr zu hören sind.

"Immer in den unpassendsten Momenten...", murmelt Manuel und wirft seinen Mantel auf das Sofa zu den anderen Sachen.
Stumm verfolge ich seine Bewegungen, weil ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll. Wollte er nicht noch irgendetwas sagen?

Oder setzt er sich jetzt hinter seinen Schreibtisch und arbeitet?

"Komm her, oder willst du im stehen arbeiten?", scherzt er und winkt mich zu sich heran, bevor er sich auf den einzigen Stuhl in diesem Zimmer setzt.

"Wo soll ich denn sitzen?"
Unentschlossen stecke ich meine Hände in meine Jackentaschen.

Während Manuel den Laptop öffnet und sich auf dem Stuhl niederlässt, klopft er zweimal kurz auf seine Oberschenkel.
Sein Blick liegt dabei auf dem Laptop und den drei Aktenordnern auf dem Schreibtisch vor ihm.

Kurz schaut er auffordernd zu mir herüber, dann gehe ich langsam auf ihn zu.

Schwarz wie die NachtWhere stories live. Discover now