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Manuel
17:35 Uhr

"Manuel.", nickt Andres mir zu.

Wir stehen auf einem Schotterplatz - unter uns liegt Bogota.

"Andres.", begrüße ich ihn nüchtern und lehne mich gegen die Motorhaube meines Mietwagens. Stumm ziehe ich die Zigarettenpackung aus meiner Anzughose und zünde mir eine Zigarette an.

"Die Leute halten nicht mehr lange still, Manuel.", fackelt er nicht lange.

Ich zucke mit den Schultern.
"Das interessiert mich einen Scheißdreck."

Er seufzt nervös, während ich den Rauch auspuste.

"Manuel, wenn die Leute auf die Straßen gehen, dann arbeiten sie nicht mehr. Und dann kriegst du dein Koks nicht. Weil Leute, die nicht arbeiten, verarbeiten keine Koka-Blätter. Und wenn sie keine Koka-Blätter verarbeiten, stellen sie kein Ko-"

"Ja ja Ja.", unterbreche ich ihn genervt.
"Du brauchst mir meinen Job nicht erklären. Ich habe Wirtschaft studiert, ich weiß, wie es läuft.", knurre ich ungehalten.

"Du kannst nicht einfach Polizisten abknallen."

Ich lache.
"Andres. Auch wenn du vom Volk gewählt wurdest, gehört dir dieses Land nicht. Du tust das, was ich dir sage. Ganz einfach. Wie eine kleine Marionette. Kolumbien gehört mir. Und ich töte so viele Bullen, wie ich will, ist das klar?"

Er presst seine Lippen aufeinander, schweigt dann aber letztlich doch.

"Er hat eine Frau vergewaltigt.", erkläre ich ihm schließlich und versuche meine Stimme zu kontrollieren.

"Das wusste ich nicht.", merkt Andres überrascht an.

"Jetzt, wo du es weißt, kannst du es ja deinem- Verzeihung.", unterbreche ich mich selbst.
"Jetzt wo du es weißt, kannst du es ja meinem Volk mitteilen."

Er brummt etwas Unverständliches, aber das ist mir egal. Er hat hier nichts zu melden und das weiß er auch eigentlich.
Und darüber diskutiere ich auch nicht.

Wenn ich morgen dieses beschissene Land in die Luft sprengen will, dann werde ich das tun. Andres ist nur meine Spielfigur.

"Ich werde mir etwas einfallen lassen.", murmelt er schließlich zu meiner Genugtuung.

"Wie sieht es denn mit meinen Lieferungen aus?", lenke ich das Gespräch in eine andere Richtung.

"Morgen gehen fünf LKWs über die Grenze nach Ecuador. Dann schauen wir mal, wie es läuft.", erwidert er angespannt.

"Nein, nein. Deine Wortwahl ist die falsche. Wir schauen nicht, wie es läuft. Entweder es läuft brilliant oder es läuft brilliant. Etwas anderes will ich nicht hören.", belehre ich ihn und schnipse die Zigarette lässig zwischen uns auf den Schotterboden.

"Ich sorge dafür, dass es gut läuft.", nickt er.

"Solltest du auch. Immerhin geht es hier um die Wirtschaft meines Landes. Du erinnerst dich doch hoffentlich noch an unseren Deal? Ich helfe dir das Land aufzubauen, aber du musst das tun, was ich verlange.", erkläre ich ihm noch einmal unsere Absprache.

"Ja, wie könnte ich das vergessen.", brummt er.

"Spiel dich nicht so auf. Immerhin wirst du damit bis ans Lebensende wiedergewählt.", weise ich ihn zurecht.
Was denkt er denn, wer hier vor ihm steht?

"Kommst du noch mit in meine Stammkneipe?", beendet er unser Geschäftstreffen und will anscheinend zum angenehmen Teil des Abends über gehen.

Belustigt schnaube ich.
"Ich bin nicht hier, um mit dir anzustoßen, Andres."

"Wegen deiner kleinen Nutte?"

Langsam drehe ich meinen Kopf zu ihm und schaue zu, wie sein blödes Grinsen aus seinem hässlichen Gesicht verschwindet.

"Wie bitte?", frage ich ruhig, hoffe jedoch inständig, dass er sich nicht wiederholt.

"Nichts.", nuschelt er und schaut unruhig auf seine Schuhe.

"Ich hoffe, dass ich mich gerade verhört habe.", knurre ich und drücke mich von dem schwarzen Auto ab.
"Glaubst du, dass ich mich mit einem Mädchen abgebe, das vermutlich genau jetzt in meinem Club fremde Männer fickt?"

Er schüttelt den Kopf.

"Und selbst wenn. Ginge dich das was an?"

Wieder schüttelt er den Kopf.

"Dann sag deinen Hunden, dass sie meinen Namen aus ihren dreckigen Mäulern nehmen sollen und erst recht nicht in einem Satz mit diesem Mädchen.", spucke ich und entferne mich von ihm.

"Du solltest auf sie aufpassen.", ruft er mir hinterher, nachdem ich die Tür des Chevrolets geöffnet habe.

"Mach dir da mal keine Sorgen. Ich passe auf meine Nutten auf, wie du auf deine kleine Tochter."

"Lass Natalia aus dem Spiel.", wird er plötzlich nervös.

"Dann droh mir nicht.", schnalze ich locker mit der Zunge.
"Sie hat so ein hübsches Lächeln. Wäre doch schade, wenn sie uns das nicht mehr zeigen könnte.", provoziere ich ihn weiter.

"Nah!", ermahne ich ihn, weil er nach seiner Waffe greift.

Mit stechendem Blick hält er inne, während ich mich in den Wagen zu Theo setze. Der kleine Pisser denkt wirklich, er könnte mir drohen.
Ich rufe Julio an, während ich den Wagen starte und den Schotterplatz verlasse.

"Manuel, gut angekommen?", fragt er mich direkt gut gelaunt.

Ständig lacht er.
Ständig strahlt er.

Augenverdrehend trete ich aufs Gas.
"Ist Kiara bei dir?"

"Sie ist hier im Club, warum?", fragt er mich irritiert.

"Finde mal für mich heraus, wo Andres Tochter zur Schule geht. Ich bin mir nicht mehr sicher. Und schick mir direkt ein Bild mit.", gebe ich ihm zwei Aufgaben und reihe mich auf der Autobahn ein.

"Was hat er denn gemacht?"

"Jetzt.", übergehe ich seine Nachfrage.
Ich habe wirklich keine Lust, ihm das alles zu erzählen.

"Vale, Vale.", gibt er nach und scheint meiner Aufforderung nachzugehen.

"Und sag Kiara, dass sie von dieser beschissenen Bühne runter gehen soll.", zische ich.

Julio stockt, bevor er antwortet.
"Sie ist nicht auf der Bühne."

"Lüg mich nicht an, Julio. Du hast zwei Minuten, sie von dieser Bühne herunter zu holen und sie in ihr Zimmer zu bringen. Wenn ich gleich wieder anrufe, dann hoffe ich für euch, dass ich mich nicht wiederholen muss.", stelle ich klar und lege auf.

Natürlich wusste ich nicht, wo sie ist. Aber Julio hat sich verraten, indem er die Luft angehalten hat.
Während ich über die Autobahn zu Pele fahre, denke ich immer wieder darüber nach, wie ich Kiara besser schützen kann. Auch wenn ich versucht habe, sie aus allem rauszuhalten, weiß man in Kolumbien über sie Bescheid. Und wenn man in Kolumbien über sie Bescheid weiß, dann weiß man auch in Brasilien und erst recht in Mexiko über sie Bescheid.

Schwarz wie die NachtWhere stories live. Discover now