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Kiara
14:15 Uhr

"Wer war das?", frage ich ihn, als ich den Hinterhof betrete und er an seinem Wagen lehnt und auf seinem Handy herumtippt.
Nebenbei raucht er.

"Kollege.", erwidert er kurz ab und schiebt dann sein Handy in die Anzughose. Manuel nimmt mir meine Tasche ab, die er auf den Rücksitz stellt, bevor er zu mir kommt und mir einen Kuss auf auf die Haare haucht.

"Wir fliegen heute Abend los. Es dauert fast 12 Stunden.", teilt er mir mit, nachdem er an seiner Zigarette gezogen hat.
"Es ist warm in Mexiko, du solltest keine dicken Sachen mitnehmen."

"Ich habe gar keinen Reisepass, Manuel.", merke ich nervös an.

"Nicht?", fragt er überrascht und wirft seine Zigarette auf den Boden, um sie auszutreten.

"Nein, woher auch? Ich bin noch nie geflogen, ich brauchte doch auch keinen.", rechtfertige ich mich schnell.

Er bleibt stumm und schaut auf den Boden zwischen uns, während er seine Hände in die Hosentaschen schiebt.

"Jetzt kann ich nicht mit, oder?", flüstere ich enttäuscht und peinlich berührt.

"Nein. Leider nicht. Tut mir Leid. Ich wusste nicht, dass du keinen Reisepass besitzt.", murmelt er und seufzt leise.

Enttäuscht nicke ich und gehe an ihm vorbei, um meine Tasche aus dem Auto zu holen. Als ich die Tür öffnen will, streckt er seinen Arm aus und drückt die Tür mit der flachen Hand wieder zu.

Irritiert schaue ich ihn an, während seine Mundwinkel zucken.
"Wie gut, dass wir nicht mit 'ner Fluggesellschaft fliegen, sondern wir unseren eigenen Flieger haben."

Ich brauche einen Augenblick, bis ich seine Aussage verstehe.
"Angeber.", brumme ich und verdrehe die Augen.

"Kiara.", ermahnt er mich direkt und schaut mich warnend an.
"Ein Danke, Manuel, wäre mir lieber gewesen."

"Danke, Manuel.", erwidere ich übertrieben freundlich und verziehe meinem Mundwinkel zu einem viel zu großen Lächeln.
Schmunzelnd befeuchtet er seine Lippen, bevor er um den Wagen läuft und mir die Tür aufhält.

Abwartend schaut er mich an und nimmt seinen Blick dabei keine Sekunde von mir. Von oben bis unten mustert er mich mit einem arroganten Blick.

"Was ist?", frage ich genervt und nervös zu gleich.

Er führt seine Zunge über seine Schneidezähne, bevor er mir antwortet.
"Hübsch siehst du aus."

Seine Worte lösen einen regelrechten Schauer aus, der über meinen Körper rennt, bevor ich mein rotes Gesicht schnell von ihm abwende und mich in den Wagen setze.
Bevor er die Tür zuknallt, höre ich ihn leise in sich hinein lachen.

Wir wissen beide, dass er eigentlich etwas anderes sagen wollte.

"Du wolltest was anderes sagen.", konfrontiere ich ihn mit meinen Gedanken, sobald er sich zu mir in den Wagen gesetzt und den Motor gestartet hat.

"Wollte ich?", stellt er mir eine Gegenfrage und rast vom Hinterhof.

"Ja.", erwidere ich nüchtern, nachdem ich mich angeschnallt habe.

"Und was wollte ich eigentlich sagen?", testet er mich mit einem belustigten Schnauben, während wir durch die dichten Straßen von Sao Paulo schleichen. Es ist Mittags und unfassbar voll auf den Stadtstraßen.

Ein Bild, das ich eigentlich nur selten sehen.

"Keine Ahnung. Was anderes auf jeden Fall.", beende ich seine Ärgereien, jedoch ohne seine Zustimmung.
Manuel denkt gar nicht daran, mich nicht nicht mehr auf die Probe zu stellen, sondern macht einfach da weiter, wo er aufgehört hat.

"Sag doch mal.", gibt er keine Ruhe und presst seine Lippen aufeinander, um sich ein breites Grinsen verkneifen zu können.

"Was weiß ich? Jedenfalls nicht, dass ich hübsch aussehe."

Er lacht laut.
"Ich schwöre dir Stein und Bein, dass du hübsch aussiehst. Ich gebe zu, dass ich vielleicht andere Gedanken hatte, als die, die ich ausgesprochen habe. Aber angelogen, habe ich dich mit Sicherheit nicht, Baby."

Diesmal bin ich diejenige, die sich ein Schmunzeln verkneifen muss.

"Wir landen in Medellin zwischen.", wechselt er das Thema.

Ich nicke.
"Aber wir steigen nicht aus, oder?"

Manuel schüttelt den Kopf.
"Keine Zeit. Ich kann dir aber Donnerstag Culiacan zeigen. Samstag Abend fahren wir weiter nach Hermosillo. Ich muss in dem Haus meiner Eltern nach dem Rechten sehen.", fügt er hinzu.

"Wie weit ist Hermosillo von Culiacan?", frage ich ihn, weil ich mir so gar nicht vorstellen kann, von welchen Entfernungen wir ausgehen.
Brasilien ist riesig und ich weiß, dass Mexiko etwas kleiner ist. Aber trotzdem kenne ich nicht jede einzelne Stadt.

"Mit dem Auto 8 Stunden. Lässt sich leider nicht anders regeln. Du kannst natürlich auch in Culiacan bleiben.", bietet er mir direkt an.

"Nein, nein. Ich komme mit. Ich würde gerne das Haus und die Stadt deiner Eltern sehen."

Er lächelt leicht, bevor er seine rechte Hand auf meinem Oberschenkel ablegt. Sie liegt höher als sonst. Sie liegt nicht mehr direkt über meinem Knie, sondern viel weiter oben.
"Ich freue mich auf das Wochenende."

"Ich mich auch.", hauche ich glücklich und schaue lächelnd nach draußen. Der Stau hat sich mittlerweile aufgelöst, sodass wir zügig zu Manuel kommen.

"Soll ich mir die Augen zu halten?", frage ich ihn ernst, weil ich mich daran erinnere, dass ich den Weg zu seinem Haus nicht kennen soll.

Er überlegt.

Lange.

Mit der rechten Hand, die eben noch auf meinem Oberschenkel lag, fährt er sich nachdenklich über seine Bartstoppeln am Kinn.
"Nein. Ist schon gut. Aber du darfst das niemandem verraten. Versprichst du mir das?"

"Klar. Ich weiß von nichts. Ich kenne dich nicht einmal richtig.", witzel ich.

Er lacht leise, bevor er auf die Autobahn fährt und wir Sao Paulo hinter uns lassen.

Schwarz wie die NachtWhere stories live. Discover now