Capitulo 109

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5 Wochen später

Kiara
13:45 Uhr

"Julio?", rufe ich nach Manuels Handlanger, der vor 10 Minuten noch in seinem Büro im Club gesessen hat.

"Ich bin hier. In der Küche.", antwortet er mir mit vollem Mund und steckt kurz darauf seinen Kopf durch den Türspalt.

"Komm", flüstere ich Isabella zu, die sich an meinem Arm festhält und sich hinter mir versteckt.
Ich ziehe meine Schwester hinter mir zu Julio, der die Küchentür bereits für uns geöffnet hat.

"Das ist meine Schwester, Isabella.", stelle ich sie vor und schiebe sie vor mich, während sie den kleinen Typen im schwarzen Anzug nur suspekt anschaut.

"Hallo Kleine, ich bin Julio.", stellt er sich vor uns geht in die Hocke, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein.
"Kiara hatte mir gesagt, dass du nach der Schule jetzt öfter hier her kommst, um deine Hausaufgaben zu machen?"

Isabella nickt leicht, aber trotzdem zögerlich. Sie mag neue Umgebungen nicht gerne und neue, fremde Männer erst recht nicht.
Doch es ist nicht so, als würde ich ihr das Übel nehmen - im Gegenteil.

"Sie ist schüchtern, aber sie macht keinen Unsinn.", erkläre ich und streiche ihr kurz über die Haare.

"Kein Problem, wir kriegen das schon hin. Während deine Schwester arbeitet, kommst du einfach mit in mein Büro und machst da deine Aufgaben. Wenn du Fragen hast, kannst du mich immer ansprechen.", redet Julio ihr gut zu und zwinkert ihr herzlich zu.

"Danke, Julio. Das bedeutet mir wirklich viel. Wenn ich Tagsüber hier sein muss, dann kann ich sie nicht alleine zu Hause lassen.", entschuldige ich mich.

"Mach dir keine Sorgen, wir kriegen das hin, bis du eine Nanny gefunden hast.", nickt er und kramt währenddessen aus seiner Anzughose ein Kirschbonbon hervor.

"Kirschbonbon. Magst du?", fragt er Isabella und wackelt mit den Augenbrauen.

Mit strahlenden Augen schaut sie zu mir hoch und wartet bis ich zustimme. Dann nimmt sie es ihm mit ihren kleinen Fingern aus der Hand.
"Obgrigada.", dankt sie ihm und öffnet das Bonbon.

"In meinem Büro hab ich noch viel mehr. Wenn du deine Hausaufgaben fleißig machst, kannst du dir noch welche nehmen."

"Schon gut. Ich bin vorne. Wenn etwas ist, dann kommst du einfach. Aber nicht abhauen, du musst Julio immer Bescheid geben, verstanden?"

Sie nickt.

"Gut, dann geh jetzt. Und schön ordentlich alles machen!", rufe ich ihr hinterher, während Julio sie in seinem Büro absetzt.
Als er wieder auf mich zu kommt, ahne ich nichts gutes, denn ich kann mir schon denken, worum es geht.

"Manuel kommt heute zurück. Nur, damit du Bescheid weißt.", murmelt er und sieht mich mitleidig an.

Ich schlucke.
"Wann?"

"In den nächsten zwei Stunden, ganz genau weiß ich es nicht.", zuckt er mit den Schultern.

Julio hatte mir erzählt, dass er noch einige Zeit länger in Mexiko geblieben ist und im Anschluss in Kolumbien wichtige Dinge geregelt hat.
Gesehen haben wir uns seit fast fünf Wochen nicht mehr und die Zeit war hart für mich. Doch genau jetzt, wo ich langsam mein Leben im Griff habe und alleine zurecht komme, taucht er wieder auf.

Vermutlich bringt er alles durcheinander, wenn er gleich hier aufkreuzt, sodass ich wieder von vorne anfangen muss.

"Ich werde ihm das mit Isabella erklären. Er wird euch nicht wegschicken, dafür sorge ich.", versucht Julio mir eine Angst zu nehmen, die ich überhaupt nicht habe.

Natürlich wird Manuel meine Schwester nicht rauswerfen - so herzlos ist er nicht.

Was mir jedoch viel mehr Angst bereitet, ist die Tatsache, dass er mit mir reden wollen wird.

"Ich weiß nicht, ob es besser ist, wenn ich mir heute frei nehme.", murmel ich.

"Das kann ich nicht entscheiden, das muss Manuel freigeben. Und dann musst du mit ihm telefonieren. Kiara, auch wenn du keinen Rat von mir möchtest, gebe ich dir trotzdem einen.", beginnt er.

Nervös höre ich ihm zu.

"Geh ihm nicht aus dem Weg, das macht es nicht einfacher. Wenn du wirklich mit ihm abgeschlossen hast, dann stell dich dem, was dich erwartet.", fährt er fort und streicht mir kurz über den Arm.

"Ja, du hast recht. Vielleicht sollte ich das.", überdenke ich seine Worte noch einmal.

Ich muss mich jetzt um meine Schwester kümmern, ich kann nicht mehr wie ein Kind vor allem wegrennen, was wir Probleme bereitet.
Wenn es ein Problem gibt, dann wird es gelöst - nichts weiter.

"Und jetzt geh arbeiten. Je früher du anfängst, desto früher kannst du Feierabend machen.", schickt er mich und geht anschließend zu meiner Schwester in sein Büro.

"Julio?", rufe ich ihm hinterher.

Fragend dreht er sich zu mir um und wartet.

"Danke.", flüstere ich, damit meine Schwester nicht mitkriegt, wie hilflos ich eigentlich bin.

Er zwinkert mir nur kurz zu, bevor er sich von mir abwendet und sich hinter den Schreibtisch setzt.
Mit einer Sorge weniger gehe ich in den Club und beginne die Theke zu säubern. Ich bin erleichtert, dass ich in dieser Woche nur tagsüber arbeiten muss und Nachts bei Isabella bleiben kann.
Außerdem ist mir klar geworden, dass ich auch hinter der Theke mit den richtigen Klamotten viel Trinkgeld kassieren kann. Zu dem Festgehalt, das Manuel mir zahlt, kommt eine ordentliche Summe zusammen.
Während ich den Lappen auswringe, denke ich an alles mögliche, nur nicht mehr an Manuel.

Überraschenderweise.

Doch genau deshalb bin ich umso überforderter, als er plötzlich vor mir steht.

Nicht einmal seine teuren Lackschuhe habe ich auf dem Marmorboden wahrgenommen.

"Du hast deinen Vater angezeigt?"
Fast hatte ich vergessen, was seine rauchige Stimme in mir auslöst.

"Das geht dich nichts an.", murmel ich leise und drehe ich mich, um die letzten Gläser zu trocknen.

"Doch. Um genau zu sein geht es mir etwas an, wenn deine Schwester in meinem Büro sitzt und dort ihre Hausaufgaben macht.", widerspricht er mir und lehnt sich an die Theke.

"Ich habe noch keine Nanny gefunden. Außerdem ist meine Schicht gleich vorbei, dann sind wir verschwunden.", teile ich ihm indirekt mit, dass es keinen Grund zur Aufregung gibt.

"Und wo bliebt sie, wenn du gleich den Termin bei der Staatsanwaltschaft hast?"

Meine Händen hören auf sich zu bewegen, auch wenn ich eigentlich das Gegenteil will. Meine Muskeln werden steif und schwer, sodass ich es gerade noch schaffe meinen Kopf in seine Richtung zu drehen.

Er sieht gut aus - Himmel, und wie gut er aussieht.

Eigentlich sieht er nicht anders aus als sonst, aber trotzdem steht er dort so unfassbar anziehend mit den hochgekrempelten Ärmeln, weil es mittlerweile wieder wärmer geworden ist.





Teil 2 geht hier weiter!!

Viel Spaß.

Schwarz wie die NachtDove le storie prendono vita. Scoprilo ora